Darüber sollten Sie so früh wie möglich Bescheid wissen! So pünktlich wie vergeblich klagen die Professoren zu Beginn des Jurastudiums über die Überfüllung der Hörsäle, die fehlende Studierfähigkeit und Niveaulosigkeit (was das auch heißen mag!) der Studenten und spätestens ab dem vierten Semester in den Unis über die Auszehrung der Hörsäle. Genauso pünktlich, aber erfolgreich, freut sich der benachbarte Repetitor über das Engagement, den Lerneifer und den „Run“ der Studenten auf die oft weniger stattlich ausgerüsteten, aber überfüllten Hörsäle seiner privaten Rechtsschule. In der Juristerei gibt es sie längst, die privaten Hochschulen. Es sind die Repetitorien. Der Wissensvermittlungsschwerpunkt hat sich aus den Hörsälen in die Säle der Repetitoren verlagert. Dort wird gelernt, studiert und gestrebt. Die juristischen Fakultäten tun zwar so als seien sie für das Examen verantwortlich, die Zeche bezahlen aber die Repetitoren. Ich war beides – Repetitor und Professor – ich weiß, wovon ich rede!
Viele Studenten haben inzwischen weit weniger Vertrauen in das öffentliche „System Juraausbildung“ als in das private „System Repetitor“. Der Repetitor ist die Folge und der Ausdruck eines hohen Grades an Hilflosigkeit der Studenten, deren Ursachen im vorlesungsbasierten Modell der Ausbildung und seinem starren, angstgenerierenden Prüfungssystem begründet liegen.
Repetitoren haben im Urteil der Studenten (und der „ehrlichen“ Dozenten) die Nase eindeutig vorn im Wettbewerb um das Examen. Da nun der „Examenslehrstoff“ der Ausbildungsordnungen sowohl den Professoren der juristischen Fakultäten als auch den Repetitoren vollumfänglich zur Verfügung steht, liegt das unter Wettbewerbsgesichtspunkten wohl daran, dass sie rechtsdidaktisch besser damit umgehen. Würde man ketzerisch für „Examenslehrstoff“ „Ware“ einsetzen und für „Studenten“ „Kunden“, sähe man auf einen Blick, dass da die juristischen Fakultäten mit ihrer Lehre längst pleite wären, würden sie nicht millionenschwer subventioniert. An dem Run zu den Repetitoren lässt sich die mangelhafte deutsche Juristenausbildung an den juristischen Fakultäten besonders gut erkennen, gibt es diesen Berufszweig doch sonst kaum auf der Welt. Aber für die juristischen Fakultäten gilt die alte Wahrheit: Ein Problem, das man nicht wahrhaben will, kann man auch nicht lösen.
Der sinnige Spruch meiner Großmutter „Wer beim Wandern einem folgt, der sagt ‚Ich kenne eine Abkürzung‘, der geht den längsten Weg“ trifft auf den Repetitor nicht zu. Er ist eine echte Abkürzung! Auf der Suche nach zukunftsträchtigen Vergangenheiten in der juristischen Ausbildung landet der nüchterne Zeitgenosse heute, wie zu Zeiten meiner Großmutter – im übrigen auch schon bei Goethe –, nahezu unvermeidlich bei den Repetitoren. Lernen braucht eine lebendige, greifbare Bezugsperson. Das ist der Repetitor! Deshalb floriert der Repetitor!
Was ist eigentlich ein Repetitor und was hat ein Repetitor, dessen Name allein genügt, Professoren in Wallung zu bringen? Warum schildern Studenten oft ihr Gefühl, im ersten Semester die Uni gewonnen zu haben, später ihr zum „Rep“ entronnen zu sein? Der Repetitor (lat.: repetere, wiederholen) ist ein hochbezahlter Privatdozent, der das hat, was doch viele Uniprofessoren nicht haben: den Finger am Puls der juristischen Didaktik, des relevanten Examensstoffes, der Klausurentechnik und der modernen Studenten! Er verfügt über ein hohes Maß an Lehr-, Ermutigungs- und Förderkompetenz. Der Mahnruf vieler Studenten: „Ich will wissen, wie ich die Klausur bestehe“ wird hier dankbar aufgegriffen. Er ist ein professioneller Rechtslehrer, der Jurastudenten in einem entgeltlichen privaten Repetitorium langsam aber sicher an das Examen heranführt. Er war früher gedacht als Hilfe zur Wiederholung und Festigung eines bereits in den Hochschulen erarbeiteten Jurastoffes. Heute soll es Studenten geben, die, bis auf die Übungen zur Erlangung der Scheine, die Universität nie von innen gesehen haben und ausschließlich beim Repetitor gelernt haben.
Was hat nun ein Repetitor, was der Dozent nicht hat? – Er kann erfolgreich und freudvoll Jura lehren. Viele halten Professoren in der Lehre für verzichtbar, das machten die Repetitoren besser: Erst dort habe man
das examensträchtige Wissen, („Nur darauf kommt es für Sie an!“)
verständliche und nachvollziehbare Querverweise zu benachbarten Gebieten („Sie müssen öfter über den Gartenzaun spinxen!“)
den Umgang mit den Gesetzen, („Das A und O für uns Juristen!“)
den Mund aufzumachen, („Ihr Fall, Herr Schmitz!“)
die Klausurentechnik, („Für Ihr Können gibt es nur einen Beweis, das klausurenschreibende Tun!“)
den sauberen Gutachtenstil, („Ihr juristischer Hexameter: Es könnte – dann müsste – es ist so oder nicht so – also!“)
das richtige Lesen der Paragraphen („Hier regiert der Paragraph“)
das Hangeln von Tatbestandsmerkmal zu Tatbestandsmerkmal, („Nehmen Sie das Seziermesser zur Hand!“)
das Aufbereiten der gesetzlichen Voraussetzungen, („Auslegen kommt im Alphabet vor Definieren und beides vor Subsumieren, ADS meine Damen und Herren!“)
die Bausteine einer Antwortnorm, („Das Konditionalprogramm, bitte!“)
die bündige Subsumtionsarbeit, („Ihr Auge muss ständig hin- und herwandern zwischen Ihrer Antwortnorm und Ihrem Sachverhalt!“)
kurz: man habe erst hier die spezifische juristischen Denk- und Arbeitsmethoden („Holen Sie Ihr Handwerkszeug aus dem Koffer!“) von Grund auf gelernt und das notwendige Wissen beigebracht bekommen.
Der Einbruch der Repetitoren in den Unibetrieb mit ihren fassbaren Lernmenüs sowohl für den stufenweisen Einstieg in die Juristerei als auch für die Vorbereitung auf das Examen ist in der Tat ein Verhängnis für so manche verschlafene juristische Fakultät. Solange diese privaten Rechtsschulen von weit mehr als 90 % der Jurastudenten als teures Zweit(Erst-?)studium besucht werden, solange braucht man sich über die „Qualität“ der hochschuleigenen juristischen Lehre keine Gedanken zu machen. Zu eindeutig ist die Abstimmung mit den Füßen. Das Verständnis für den Lehrstoff und die Problemfindungs- und Problemlösungskompetenz für die Klausuren verdanken die Studenten großteils den Repetitoren.
Repetitoren sind die lebenden Symbole für die rechtsdidaktische Lernunfähigkeit der juristischen Fakultäten. Wo der Repetitor sitzt, ist heute das Gravitationsfeld der juristischen Ausbildung, nicht in der Uni. Wenn die Hochschulen das juristische Ausbildungssystem nicht verbessern, besser gesagt, retten, werden die Repetitorien als private Rechtsschulen den Wettbewerb mit der Hochschullehre um die Studenten immer mehr gewinnen. Es ist doch ganz einfach: Entweder die Studenten machen einen falschen Gebrauch vom juristischen Lehrangebot (herrschende Professorenmeinung und falsch) oder das Lehrangebot der juristischen Fakultäten ist mangelhaft (herrschende Studentenmeinung und richtig). Eine Aufgabe hat dann eine Chance, erfüllt zu werden, wenn sich ein Verantwortlicher findet. Für die Aufgabe der Vorbereitung für das juristische Examen ist das der Repetitor. Repetitoren haben bestechende Vorteile: Sie (es folgt meine insgeheime Wunschliste für Dozenten)
● sind effektiv
● bieten individuelle Betreuung in Kleingruppen
● betreuen bis hin zum und meist auch im Examen
● lehren rund um das Jahr ohne Semesterferienunterbrechungen durch
● unterrichten linear im Fach und parallel in den Fachgebieten BGB, StGB, ÖR
● stimmen die Inhalte der Rechtsgebiete aufeinander ab
● bringen den Lehrstoff aus einer Hand
● setzen haltfeste Querverbindungen
● erstellen gute Musterlösungen
● korrigieren so, dass man mit Randvermerken etwas anfangen kann
● holen den Studenten da ab, wo er steht, auch ohne viel Vorwissen
● beschränken sich auf den examensrelevanten Stoff
● sind (meist) hervorragend didaktisch geschulte Lehrmeister
● und vor allem bringen sie allen Stoff klausurenkompatibel in Form!
Mit einem Satz: Sie sind eine echte Abkürzung zum Examen.