Aus Ihrem Interesse an Jura wird ab jetzt schnell Neigung werden! Die magische Zeit zwischen Abitur und Studiumsbeginn, die Zeit der unbekümmerten Planlosigkeit ist durchlebt. Die einzige Zeit im Leben, in der alles offen steht! Eine Zeit, in der aber auch wichtige Entscheidungen reifen mussten, sonst säßen Sie heute nicht hier, wo Sie sitzen. Irgendwann auf der Überlegungsschiene von Pläne-Machen und Pläne-über-den-Haufen-werfen haben Sie dann die Weiche für das Jurastudium gestellt, für ein klassisches Studium, das Ihr Leben auf den Kopf stellen wird.
Hier die wichtigen 10 Fragen, denen Sie sich von Anfang an gestellt haben sollten, sich aber spätestens nach dem 1. Semester in einem „Reality Check“ gewissenhaft stellen müssen. Mit denen sollten Sie ehrlich und ernsthaft mit sich selbst zu Rate gehen. Entwickeln Sie Ihren ganz persönlichen individuellen Plan, das heißt, eine dauerhafte und tragende Strategie für Ihren juristischen Anfang.
1. Warum will ich Jura studieren? – Es sind die Fragen nach den Motiven.
Einige Stichpunkte: Sozialprestige, breites Betätigungsfeld, gutes Geld, günstige Berufsaussichten, „Was anderes fällt mir nicht ein“, Wunsch der Familie, Macht.
2. Passt Jura überhaupt zu mir? – Es sind die Fragen nach Ihren Eignungen und Fähigkeiten.
Einige Stichpunkte: Was bin ich für ein Persönlichkeitstyp? Was bin ich für ein Lerntyp? – Welche Eignungskriterien gibt es für Jura? – Welche bringe ich davon mit? – Kann ich mich an einem Anforderungsprofil messen?
3. Ist das Jurastudium mein Wunschstudiengang, oder was kommt sonst noch in Frage? – Die Fragen nach den Alternativen.
Einige Stichpunkte: Habe ich ein bestimmtes Talent, bin ich ein Gerechtigkeitsfanatiker, wie stand ich in Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen, ein schon lange gehegter Wunsch?
4. Weiß ich, welchen juristischen Beruf ich nach dem Juraabschluss ergreifen kann und will? – Die Frage nach den Perspektiven.
Einige Stichpunkte: Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Richter, Verwaltungsjurist, Wirtschaftsjurist, Polizei oder sonstige Behörde, Notar?
5. Wie stelle ich mir meine Studienbedingungen vor? Wie lange will ich studieren? – Die Frage nach den Situativen.
Einige Stichpunkte: „Stromlinienförmig“ oder breit angelegt? Freischuss oder zehn und mehr Semester? Wo will ich studieren, Massenuni oder kleine Universitätsstadt, zu Hause oder außerhalb, wie und wo kann ich wohnen, wie finanziere ich mein Studium?
6. Wie will ich mein Studium organisieren? – Die Frage nach den Regulativen.
Auch hier einige Stichpunkte: Studienplan, akademische Freiheit oder strenge Disziplin? – Eigene Planung? –Repetitor ja oder nein – Wenn ja, ab wann? – Wann mache ich welche Scheine? – Wie halte ich es mit dem Freischuss? – Hochschulwechsel ja oder nein? Wenn ja, wann? Auslandssemester? Wenn ja, wo und wann?
7. Welches Examensergebnis will ich erzielen? – Die Frage nach den Berufsabsichten.
Reicht mir für die väterliche oder mütterliche Kanzlei ein „ausreichend“ aus? Oder strebe ich in eine Unternehmensberatung, internationale Wirtschaftskanzlei oder in den Richterberuf?
8. Was spricht gegen das Jurastudium? – Die Frage nach den negativen Seiten.
Stichpunkte: Dominanz des Staatsexamens, Zweistufigkeit (weil in Studium und Referendarzeit gesplittet), fehlender Praxisbezug, Vermassung, Trennung von Theorie und Praxis, Juristenschwemme, zu schweres Examen, teurer Repetitorwahn, fehlendes Propädeutikum im Anfang des Studiums, Fehlen einer begleitenden Kontrolle, Klausurenteufelei, viel zu lange Ausbildung.
9. Was spricht für das Jurastudium? – Die Frage nach den positiven Seiten.
Denken Sie in Ruhe nach! Ihnen fällt bestimmt eine Menge ein, ganz individuell. Und wenn nicht, lesen Sie langsam weiter. Haben Sie die letzte Seite gelesen, aber erst dann, wissen Sie mehr über die „Positiven“. „Jura“ kann echt Spaß machen! Das begehrteste Bildungsangebot unserer Gesellschaft ist ein Studium. Nehmen Sie ihr Angebot in Form eines Jurastudiums an!
10. Was zehrt am meisten an den Nerven? – Die Frage nach den Stressoren.
Folgende Stichpunkte sollten Sie kennen:
Das Notensystem: Juranoten sprechen für sich, aber nur wenn man deren Vergabepraxis kennt. In juristischen Prüfungen kann man bis zu 18 Punkte erreichen. Ab 4 Punkte gelten Klausuren als bestanden. Danach staffelt es sich: bis 6 Punkte „ausreichend“ (ca. 50 % aller Studenten), 7 bis 9 Punkte „befriedigend“ (ca. 30 % der Kandidaten) und von 10 bis 12 Punkte ein „vollbefriedigend“, eine Notenstufe, die fast alle anstreben, gerade noch erreichbar erscheint, aber nur von ca. 10 % tatsächlich erreicht wird. Darüber wird es extrem dünn: 13 bis 15 Punkte „gut“ (ca. 2 % aller Studenten), eine Bewertung, die nicht nur „gut“ ist, sondern „hervorragend“, 16-18 Punkte bleibt den Genies vorbehalten, einer von 1000!!! Passen Sie auf: Wer diese Note erreicht, gilt als zumindest verhaltensgestört, wenn nicht schon als geistig behindert. Versuchen Sie einmal, Ihren Mitabiturienten aus anderen Fakultäten klar zu machen, warum Sie bei 10 von 18 Punkten jubeln. Abfälliges Abwinken erwartet Sie. Dieses Notensystem macht Stress: Die Erkenntnis, dass man voraussichtlich allenfalls mit „vollbefriedigend“ abschneiden wird, kränkt das von der Schule verwöhnte Ego und bedarf eines langen Denkprozesses. Ein ungesunder Noten-Konkurrenzdruck entsteht innerhalb der Kommilitonenschaft wie außerhalb mit Freunden. Diese Juranoten sind nämlich nicht vermittelbar.
Die Stofffülle: Eine Unmenge von Stoff muss verarbeitet werden. Sie werden sehr bald zu der Erkenntnis kommen: „Ich werde niemals alles wissen können!“ Sie sehen es auf sich zukommen: „Es kann in den Klausuren alles dran kommen!“ Folge: Sie sind ständig unsicher. Das stresst ungemein!
Der Vergleich: Irgendeiner ist immer besser, hat mehr Punkte in den Klausuren, vielfältigere Zusatzqualifikationen, bringt bessere „soft kills“ mit, ist weiter im Studium und hat schon Auslandssemester hinter sich. Diese Sorgen kennt jeder Jurastudent: Die Topleistungen des Mensa- oder Hörsaalnachbarn bereiten Stress. Sie kennen aber auch die wichtigtuerische Selbstreklame: „Meine Noten, meine Stärken, meine Scheine, mein Fleiß“.
Es stimmt schon: Jura ist ein hartes Studium. Ihre überschaubare Schülerwelt wird geflutet von einer zuvor nicht für denkbar gehaltenen Menge an Informationen und Möglichkeiten, die zu hoher seelischer und körperlicher Belastung führen, die einfach stressen. Mit diesen stressigen Verunsicherungsfaktoren der Außenwelt müssen Sie umzugehen lernen und sich gegen sie wappnen.
Gerade zu Beginn des Studiums wird vieles auf Sie einstürmen, auf das Sie niemand vorbereitet hat und was Ihnen Angst macht.
Stofffülle Alleskönner Panikkommilitonen (Furcht steckt an) Zeitdruck Informationslawine der Ausbildungsliteratur Vorlesungsunverständnis Selbstüberforderung Curriculare Unübersichtlichkeit Hörsaalüberfüllung Dozentendrohungen Klausurengespenster Bücherprobleme Einschreibeformalitäten Finanzierungsfragen Nebenjobs Studienplan Infos en masse Hörsaalsuche Massenansturm Mensaschlangen Ein neues soziales Umfeld Keine Ahnung von der Studienliteratur Fehlende eigene Studienplanung Horrorerzählungen der Altsemester Anonymität Isolationsangst Ein Vorbeirauschen der Vorlesungsmonologe Keine Lernkontrollen Keine Lernstrategien Akademische Freiheit oder Repetitorverlockungen Keine Strukturierungen Zeitdruck Stoffdruck
Aber getrost! Die meisten Probleme lassen sich lösen! Machen Sie alles „nach und nach“ und nicht „alles gleichzeitig“ und „sofort“. Für den Studienanfänger ist das Studium gerade dann, wenn man am Anfang der juristischen Leiter steht, am härtesten. Dass im Anfang Zweifel an der Wahl auftauchen, Ängste vor den Klausuren, dem Lernstoff, manch einer Doppelbelastung, schlechten Noten bestehen oder Sorgen über die Finanzen oder beruflichen Chancen aufkommen, ist nur allzu verständlich. Unser Blog hilft Ihnen über diese Anfängerbefürchtungen hinweg und hält sie in Schach.
Allerdings sollten Sie sich mit meinem nächsten Beitrag zunächst einmal durch den Kopf gehen lassen, ob Sie für Jura überhaupt geeignet sind.