Beispiel: Die beiden Einbrecher Max und Moritz bekommen vom Gärtner Reiner der reichen Witwe B den „heißen Tipp“, dass diese über Nacht zu ihrer Tochter gefahren sei und sich ihre mit wertvollem Geschmeide überquellende Schmuckschatulle im Kopfkissen befinde. Max und Moritz beschließen daraufhin, mit einem Dietrich „das Ding zu drehen“. Oskar steht gegen eine Belohnung von 200 Euro „Schmiere“.
In unseren bisherigen Überlegungen wurden alle Delikte immer nur von einer Person verwirklicht. Im alltäglichen Leben geschieht es nun aber oft, dass mehrere Personen auf der Bühne des Verbrechens in unterschiedlich wichtigen Haupt- und Nebenrollen „zusammenspielen“.
Übersetzt in die Sprache des Strafjuristen heißt das, dass mehrere Beteiligte bei der Verwirklichung eines Tatbestandes „zusammenwirken“. Max, Moritz, Reiner und Oskar haben sämtlich am Tatbestand des Diebstahls in einem besonderes schweren Fall in Form des sog. Nachschlüsseldiebstahls i.S. des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB mitgewirkt, wenn auch mit durchaus unterschiedlich gewichtigen Tatbeiträgen.
Die Frage ist, wie man dem Zusammenspiel mehrerer Personen strafrechtlich auf den Leib rückt. Zwei Wege bieten sich an:
1. Man differenziert zunächst überhaupt nicht. Jeder, der mitursächlich wurde, ist Täter. Max, Moritz, Reiner und Oskar haben alle einen ursächlichen Tatbeitrag zu dem Nachschlüsseldiebstahl geleistet und sind damit alle zu Tätern geworden. Die Differenzierung nach Art und Umfang des geleisteten Tatbeitrages – Max und Moritz haben die Schmuckkassette weggenommen, damit den eigentlichen Tatbestand erfüllt, Reiner hat „nur“ den Tipp gegeben, Oskar hat „nur“ Schmiere gestanden – erfolgt erst bei der Strafzumessung.
Dieses sog. Einheitstäterprinzip ist äußerst praktikabel, einfach und unkompliziert, erspart es doch auf der Ebene des Tatbestandes eine Differenzierung zwischen verschiedenen Teilnahmeformen. Zu fragen ist nur, ob der einzelne geleistete Tatbeitrag hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkret eingetretene Deliktserfolg entfiele.
Diesen Weg ist der Gesetzgeber im Ordnungswidrigkeitenrecht (vgl. § 14 Abs. 1 OWiG) gegangen, da dieses Rechtsgebiet von juristisch nicht ausgebildeten Beamten täglich auf eine Vielzahl von Lebenssachverhalten angewendet werden muss. Eine komplizierte Beteiligungslehre, wie wir sie gleich für das Strafrecht kennen lernen werden, ist hier nicht praktisch. Der Beamte stellt den kausalen Beitrag fest, damit ist die Täterfrage geklärt, und er gewichtet Art und Umfang des Tatbeitrages bei der Festsetzung der Geldbuße (vgl. § 17 OWiG).
Leider konnte sich auch der moderne deutsche Gesetzgeber nicht zu dieser Lösung des Problems der Beteiligung mehrerer an einer strafbaren Handlung entschließen, obwohl die Gründe gegen den Einheitstäterbegriff letztlich nicht überzeugen und vom österreichischen Gesetzgeber im österr. StGB widerlegt worden sind. Man vermutet wohl nicht zu Unrecht die geschichtliche Überlieferung („Es war schon immer so“) hinter der Ablehnungsfront und belastet damit Richter und Student gleichermaßen.
2. Man differenziert bereits auf der Tatebene in Täter- und Teilnehmertypen. Max, Moritz, Reiner und Oskar werden nicht erst im Rahmen der Strafzumessung auseinander dividiert, sondern es wird bereits auf der Tatbestandsebene durch eine komplizierte Täterschafts- und Teilnahmelehre differenziert. Diesen Weg ist unser StGB gegangen.
Die Tatbestände des besonderen Teils werden jeweils durch den § 25 ff. StGB (Täterschaft und Teilnahme) folgendermaßen ergänzt:
Wer nur den Anstoß zu der Tat eines anderen gibt, ist nicht Täter, sondern Anstifter (vgl. § 26 StGB). Die Anstiftung besteht ihrem Wesen nach darin, dass der Anstifter in dem Täter der fremden Tat den Entschluss zur Tat hervorruft.
Wer nur die Tat eines anderen unterstützt, ist nicht Täter, sondern Gehilfe (vgl. § 27 StGB). Die Beihilfe besteht in irgendeiner unterstützenden Förderung des Täters der fremden Tat.
Wirken mehrere als Täter arbeitsteilig zusammen, so sind sie Mittäter (vgl. § 25 Abs. 2 StGB).
Begeht jemand die Tat durch einen anderen als „Werkzeug“, ist er mittelbarer Täter (vgl. § 25 Abs. 1 2. Alt.).
Begeht er die gesamte Tat, d.h. sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person, ist er unmittelbarer Täter (vgl. § 25 Abs. 1 1.Alt. StGB).
Wendet man diese Grobstruktur noch laienhaft auf den Ausgangsfall an, so kommt man für Max und Moritz auf Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB), für Reiner auf Anstiftung (§ 26 StGB) und für Oskar auf Beihilfe (§ 27 StGB). Wir wollen sehen, ob dieses Ergebnis auch einer feineren Strukturierung standhält.
Zunächst sollen die oben nur skizzierten Erscheinungsbilder jeweils näher dargelegt werden (6.2; 6.3), bevor wir uns der schwierigeren Frage zuwenden, wie die Täterschaft von der Teilnahme eigentlich genau abzugrenzen ist (6.4). Danach dann einige Spezialprobleme (6.5).
Erscheinungsbilder der Täterschaft
Die verschiedenen Formen der Täterschaft kennzeichnet das Gesetz in § 25 StGB.
1. Unmittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 1. Alt. StGB)
In seinem Bestreben, möglichst für alle Formen der Täterschaft eine Legaldefinition zu bringen, hat der Gesetzgeber eine Selbstverständlichkeit gesetzlich geregelt.
A tötet seine Frau, um sie zu beerben
A vergiftet den Wachhund
A stiehlt Geld aus der Kasse, um es zu verjubeln
A hat jeweils sämtliche Tatbestandsmerkmale der §§ 211, 303, 242 StGB verwirklicht. Nach § 25 Abs. 1 1. Alt. StGB kann n u r Täter sein, wer in seiner Person und in seinem Handeln alle Deliktsvoraussetzungen erfüllt, also voll tatbestandsmäßig handelt; er ist damit immer und notwendig Täter.
2. Mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB)
Bei der mittelbaren Täterschaft handelt es sich darum, dass der Täter seine Tat nicht selbst ausführt, sondern sich eines anderen – den er beherrscht – als menschliches Werkzeug (Tatmittler) bedient, also einer Person, die ihm die Tat „vermittelt“.
Beispiel: A, der an den Nachlass kommen will, tötet seine Ehefrau nicht selbst, sondern gibt der ahnungslosen Haushälterin B statt Zucker Arsen in die Zuckerdose. B „süßt“ damit den servierten Kaffee. Ehefrau Emma stirbt.
Hier kommt § 211 StGB in Frage (heimtückisch und habgierig), zwar nicht für B – sie handelte nicht vorsätzlich – wohl aber für A. Das Verhalten des A war ursächlich für den Tod der Ehefrau. Er hat die Tat aber nicht selbst – persönlich – ausgeführt; unmittelbar getötet hat die B. Rein äußerlich betrachtet handelt es sich um eine fremde Tat. B kann aber nicht als Täterin bestraft werden, da sie zwar „getötet“, aber nicht vorsätzlich gehandelt hat. Sie wusste nicht, dass sie tötet und wollte die Tötung nicht. Das entsprach auch dem Plan des A. Er hat die B als argloses Werkzeug eingespannt, um den von ihm gewollten Tod der E herbeizuführen, seine eigene Tat also durch eine andere Person ausführen zu lassen.
Demjenigen, der eine von ihm beabsichtigte strafbare Handlung nicht selbst zur Ausführung bringt, sondern sie statt seiner durch einen Anderen als persönliches Werkzeug ausführen lässt, der, aus welchen Gründen auch immer, nicht selbst als Täter bestraft werden kann, sind alle Handlungen des unmittelbaren Täters (Werkzeug, Tatmittler) als eigene zuzurechnen. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Kausalkette über ein „sachliches Werkzeug“ oder über einen anderen Menschen als quasi „persönliches Werkzeug“ läuft.
Es ist ganz wichtig, dass Sie sich hier merken, dass beim „Tatmittler“ immer eine strafrechtliche Defektsituation auf der Ebene der Schuld (z.B. vorsatzlos), Rechtswidrigkeit oder des Tatbestandes gegeben ist; es fehlt ihm im Deliktsaufbau immer ein kleines Stück.
Beispiel 1: A, der seine Ehefrau beerben will, steuert den schizophrenen C, der sich ihm gegenüber als Beauftragter des Erzengels Gabriel zur Rettung der Männlichkeit darstellt, auf seine Ehefrau E, die von C nunmehr, um ein „göttliches Zeichen“ zu setzen, hingerichtet wird.
Während im Ausgangsfall der Vorsatz der Tatmittlerin B fehlte, mangelt es nun an der Schuldfähigkeit des unmittelbaren Täters C (§ 20 StGB). Hier ist, wie auch etwa bei strafunmündigen Kindern (§ 19 StGB) als Tatmittler, der Hintermann stets mittelbarer Täter.
Beispiel 2: A zwingt D durch die Drohung, ihn sonst zu erschießen, seine – des A – Ehefrau zu töten.
Auch hier mangelt es an der Schuld des Tatmittlers. Zwar handelte D vorsätzlich und war auch schuldfähig, jedoch greift zu seinen Gunsten der Entschuldigungsgrund des § 35 StGB ein. Führt der Hintermann diese Notlage herbei, so liegt ein klassischer Fall der mittelbaren Täterschaft vor.
Beispiel 3: A bewirkt durch eine falsche Anschuldigung und einen Meineid, dass seine Ehefrau E zu einer langjährigen Freiheitsstrafe durch Richter G rechtskräftig verurteilt wird.
Im Unterschied zu den vorangegangenen klassischen Fällen der mittelbaren Täterschaft, in denen die Werkzeuge jeweils tatbestandlich und rechtswidrig – lediglich nicht schuldhaft – handelten, fehlt es hier bereits an der Rechtswidrigkeit der Freiheitsberaubung (vgl. § 239 StGB). Das zur Freiheitsstrafe verurteilende Gericht und die Strafvollstreckungsbehörde handeln rechtmäßig. A ist der mittelbare Täter einer Freiheitsberaubung, der Richter G als Tatmittler benutzt.
Beispiel 4: Arzt Dr. A spiegelt seiner Ehefrau E vor, sie leide unheilbar an Krebs. E entschließt sich in ihrer subjektiv empfundenen Ausweglosigkeit und Verzweiflung unter dem unerträglichen Leidensdruck zum Selbstmord und erschießt sich.
Hier handelt die Ehefrau noch nicht einmal tatbestandlich, da § 212 StGB die Tötung eines A n d e r e n voraussetzt. A ist der mittelbare Täter eines Mordes oder Totschlages (vgl. §§ 211, 212 StGB).
Handelt dagegen der Tatmittler selbst voll deliktisch, also tatbestandlich, rechtswidrig und insgesamt schuldhaft, scheidet mittelbare Täterschaft grundsätzlich aus, vielmehr kommt § 25 Abs. 1 1. Alt. StGB zum Einsatz.
Bei der klausurentechnischen Aufbauprüfung der mittelbaren Täterschaft müssen Sie sich klar werden, dass alle Tatbestände des besonderen Teils des StGB in ihrer Grundkonzeption auf den allein handelnden unmittelbaren Täter zugeschnitten sind; nunmehr sind alle Tatbestandsmerkmale auf die Person des mittelbaren Täters zu beziehen, am besten geschieht das bei der Tatbestandshandlung.
Beispiel: A könnte sich dadurch, dass er seiner Ehefrau vorgespiegelt hat …, wegen Mordes, begangen in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 25 Abs. 1 2. Alt. StGB, strafbar gemacht haben.
1. Tatbestand
Das setzt zunächst voraus, dass er einen anderen Menschen getötet hat. Selbst hat er E nicht unmittelbar getötet. Er könnte aber den Mord in mittelbarer Täterschaft begangen haben. Mittelbarer Täter ist der Täter, der die Ausführung der Straftat durch einen anderen als Werkzeug (Tatmittler) vornehmen lässt. Dem mittelbaren Täter wird das Handeln des Tatmittlers wie eigenes Handeln zugerechnet, so dass er rechtlich so zu behandeln ist, als hätte er die vom Tatmittler ausgeführte Handlung selbst vorgenommen. A hat die Taten der unmittelbaren Täter, die straflos sind wegen
Fehlens des Tatbestandes,
Fehlens der Rechtswidrigkeit,
Fehlens der Schuldfähigkeit (vgl. §§ 19, 20 StGB),
Fehlens des Vorsatzes (§ 15 StGB),
Vorliegens eines Entschuldigungsgrundes (vgl. §§ 33, 35 StGB),
veranlasst und muss sich deshalb die Taten der Tatmittler wie eigenes Handeln zurechnen lassen.
2. Rechtswidrigkeit
Die Tatbestandserfüllung indiziert die Rechtswidrigkeit …
3. Schuld
A handelte vorsätzlich, da er vom Vorliegen der die mittelbare Täterschaft begründenden Umstände Kenntnis hatte und die Veranlassung der Tatmittler mit dem Willen geschah, die Taten der unmittelbaren Täter als eigene zu wollen.
3. Mittäterschaft
Gemäß § 25 Abs. 2 StGB ist Täter, wer die Tat mit mehreren gemeinsam durchführt. Geht es bei der mittelbaren Täterschaft um den „Täter hinter dem Täter“, könnte man bei der Mittäterschaft, um im Bild zu bleiben, vom „Täter mit dem Täter“ sprechen.
Beispiel: A und B brechen gemeinsam in das Warenlager des Teppichhändlers T ein und räumen es zusammen aus.
Da A und B bei dem Diebstahl im besonders schweren Fall (§§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB) alle Tatbestandsmerkmale jeweils selbst erfüllen, bedarf es in diesem Fall gar nicht der Figur der Mittäterschaft zur Begründung der Täterschaft. Diese ist als Zurechnungsprinzip erst erforderlich, wenn die Tat arbeitsteilig durchgeführt wird, d.h. jeder Mittäter nur einen bestimmten Teil der Tatbestandsverwirklichung durchführt.
Beispiel: A und B überfallen den O, um ihn seiner Barschaft zu berauben. A schlägt, wie vereinbart, O mit einer Eisenstange nieder, B ergreift die Brieftasche.
Ohne die Konstruktion der Mittäterschaft des § 25 Abs. 2 StGB könnte A sich dahingehend einlassen, er sei nur wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 StGB, nicht aber wegen schweren Raubes gem. §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu bestrafen, da er nicht „weggenommen“ habe. B könnte sich verteidigen, auch bei ihm scheide eine Bestrafung wegen schweren Raubes aus, da er zwar „weggenommen“, aber O nicht „körperlich misshandelt“ habe, mithin könne er ausschließlich wegen Diebstahls gem. § 242 StGB verurteilt werden.
In diesem Fall entfaltet § 25 Abs. 2 StGB seine volle Klammer-Wirkung. Diese Bestimmung klammert A und B als Täter eines schweren Raubes zusammen, weil jeder von ihnen den durch die Kräfte des anderen verwirklichten Tatbestandsteil als von ihm selbst verwirklicht gelten lassen will. Beide sind strafbar nach §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB, obwohl keiner von ihnen allein eigenhändig den vollen Tatbestand erfüllt hat.
Mittäterschaft ist das bewusste und gewollte Zusammenwirken mehrerer mit Täterwillen nach dem Prinzip der Arbeitsteilung, wobei sich jeder Tatbeteiligte den Tatbeitrag des anderen als eigenen zurechnen lassen will.
Für das bewusste und gewollte arbeitsteilige Zusammenwirken sind zwei Komponenten erforderlich:
1. Es muss ein gemeinsamer Tatentschluss (Plan) vorliegen, d.h. das gegenseitige ausdrückliche oder konkludente (stillschweigende) Einvernehmen über die gemeinsame Tatbegehung.
2. Es ist eine gemeinsame Tatausführung erforderlich, eben die für die Mittäterschaft symptomatische Arbeitsteilung.
Vier Besonderheiten sollten dabei Beachtung finden.
Der gemeinsame Tatentschluss (Plan) zum bewussten und gewollten Zusammenwirken muss nicht schon mit dem Beginn der Ausführungshandlung vorhanden sein, sondern es reicht aus, wenn ein Täter, der schon in der Ausführung begriffen ist, sich vor der Beendigung der Tat mit einem anderen verbindet.
Während der Dieb A den aufgebrochenen Kiosk des K leer räumt, gesellt sich B dazu; beide teilen die Beute (sog. sukzessive Mittäterschaft). B muss sich auch das „Bis-jetzt“ zurechnen lassen, nicht nur das „Ab-jetzt“ (also auch § 303 bzw. § 243 Abs. 1 Ziff. 1 StGB).
Der Begriff der „gemeinsamen Tatausführung“ ist nicht wörtlich zu nehmen. Nicht nur die einzelnen Tatbestandsmerkmale werden zusammengerechnet, sondern auch bloße Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen. Es genügt, dass ein Beitrag bei der Tatbestandserfüllung im weiteren Sinn kausal weiterwirkt.
Der Organisator eines Diebesunternehmens ist Mittäter an sämtlichen Diebstählen, die seinem Willen entsprechen („organisiertes Verbrechen“); die Organisation gehört zur „Arbeit“.
Wer die Genossen zum Diebstahlsobjekt befördert oder sie von dort abholt oder wer das Objekt „ausbaldowert“, ist bei Vorliegen der entsprechenden subjektiven Täter-Faktoren Mittäter.
Geht einer der Mittäter über das gemeinsam Vereinbarte hinaus und begeht er auf eigene Rechnung weitere Straftaten, die im gemeinsamen Tatentschluss nicht vereinbart waren, so haftet der andere Mittäter dafür nicht. Jedem Mittäter fällt nur das Handeln der übrigen Mittäter im Rahmen seines Vorsatzes zur Last.
A und B brechen gemeinsam bei Witwe B ein und entwenden deren „Kronjuwelen“. B hatte „vorsorglich“ einen geladenen Revolver eingesteckt, von dessen Existenz A nichts wusste. B erschießt die sie überraschende Witwe.
A ist wegen Wohnungseinbruchdiebstahls, begangen in Mittäterschaft, B wegen Mordes und Wohnungseinbruchdiebstahls in Mittäterschaft strafbar. Er hat einen sog. Mittäterexzess begangen. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es für das Tatsachengericht manchmal ist zu klären, was in den gemeinsamen Tatplan aufgenommen worden ist.
Weil Mittäterschaft echte Täterschaft ist, muss jeder Mittäter alle Voraussetzungen erfüllen, die auch jeder sonstige Täter erfüllen muss. Deshalb keine Mittäterschaft, wenn
Kaufmann Müller sich mit dem Beamten Schmitz verabredet, eine Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) zu begehen (Müller hat nicht die Sonderqualität „Beamter“ des Schmitz; Sonderdelikt),
die Zeugen Max und Moritz sich im Prozess gegen Meister zu einer falschen Zeugenaussage verabreden und dann vor Gericht je einen Meineid (§ 154 StGB) leisten.
Max und Moritz sind als Alleintäter zu bestrafen, weil bei eigenhändigen Delikten (Delikte, die die eigenhändige Vornahme der Tathandlung voraussetzen wie z.B. §§ 154, 173, 179 StGB) Mittäterschaft schon begrifflich ausgeschlossen ist.
Fehlt ein gemeinsamer Tatentschluss oder eine gemeinsame Tatausführung, treffen zwei Täter rein zufällig bei der Begehung eines Delikts zusammen, so spricht man von Nebentäterschaft.
Für die gutachtliche Klausurenprüfung der Mittäterschaft sollten Sie folgende Ratschläge beachten:
Mehrere Mittäter sind gleichzeitig zu prüfen, wenn es entweder auf der Hand liegt, dass alle sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht haben oder ein Zusammenwirken unzweifelhaft ist.
Hat jeder von ihnen – isoliert betrachtet – nicht im vollen Umfang tatbestandlich gehandelt, klammert man über die Mittäterschaft die Tatbeiträge zusammen. Bei unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Tatbeiträge beginnt man die Prüfung immer mit dem tatnächsten Täter (der Mörder vor dem Sachbeschädiger!).
Kehren wir zum „Fall mit der Eisenstange“ zurück:
1. A könnte sich dadurch, dass er O zusammengeschlagen hat, um an dessen Barschaft zu kommen, wegen schweren Raubes, begangen in Mittäterschaft, gem. §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben.
Das setzt zunächst voraus, dass er O eine fremde bewegliche Sache in rechtswidriger Zueignungsabsicht weggenommen hat. Selbst hat er die Brieftasche, eine für ihn fremde bewegliche Sache, nicht weggenommen. Er müsste sich die Wegnahme seitens des B aber als eigene Handlung zurechnen lassen, wenn A und B gemäß § 25 Abs. 2 StGB in Mittäterschaft gehandelt haben. Mittäterschaft ist …
Subsumtion …
Also muss sich A die Wegnahme der Brieftasche durch B zurechnen lassen.
2. B könnte sich dadurch, dass er unter Gewaltanwendung seitens des A dem O die Brieftasche entwendet hat, wegen schweren Raubes, begangen in Mittäterschaft, gem. §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben.
B hat … (Bitte § 242 StGB prüfen!).
Dann müsste weiterhin die Wegnahme mit Gewalt gegen eine Person erfolgt sein. Selbst hat B keine Gewalt eingesetzt. Er müsste sich aber die Gewaltanwendung des A (bei A schon geprüft) wie eigenes Handeln zurechnen lassen, wenn A und B Mittäter sind. Wie oben gezeigt, handelten A und B in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken.
Also muss sich auch B die Handlungen des A wie eigene zurechnen lassen.
Spektakulärer Fall des BGH: Die zwei Einbrecher Anton und Bert vereinbaren, für den Fall des Entdeckt- und Verfolgtwerdens notfalls von der Waffe Gebrauch zu machen. Als bei der Flucht ein Verfolger hinter A auftaucht, feuert A in der irrigen Annahme, es handele sich um den Eigentümer E; in Wirklichkeit war es Bert. Bert wird schwer verletzt. Während A wegen versuchten Verdeckungsmordes gem. §§ 211, 22, 23 StGB verurteilt werden wird (error in persona ist kein Irrtum!!), wird Bert wegen versuchten Mordes, begangen in Mittäterschaft, an sich selbst gem. §§ 211, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB abgestraft. Manchmal treibt die Dogmatik schon seltsame Blüten (vgl. dazu BGHSt 11, 268).
Im nächsten Beitrag nehmen wir die Erscheinungsformen der Teilnahme unter die Lupe und ihre Abgrenzung zur Täterschaft.