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Beitrag: 32 Die Rechtsfähigkeit: Wer kann Träger von Rechten und Pflichten sein?

Wie Sie bereits wissen, kann der einzelne Rechtsgenosse, der sich aktiv am Rechtsleben beteiligen will, sein Leben durch den Abschluss von Rechtsgeschäften – besonders von Verträgen – gestalten, indem er durch sie eine bestimmte Rechtsfolge auslöst. Genauer: Indem er einen bestimmten Rechtserfolg herbeiführt, der zuvor nicht vorhanden war.
● Der Käufer erlangt durch den Abschluss eines Kaufvertrages über eine bewegliche Sache gem. § 433 Abs. 1 einen Anspruch auf Übereignung der Sache, den er bis dahin nicht hatte; der Verkäufer einen solchen auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2.
● Durch die Übereignung gem. § 929 S. 1 erlangt der Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache, das bis dahin nicht ihm, sondern einem anderen zustand, der Verkäufer gem. § 929 S. 1 das Eigentum an dem Kaufpreis.

In diesem Zusammenhang ist bisher nicht erörtert worden, welche subjektiven, also zu einem handelnden „Ich“ gehörenden, Voraussetzungen hierfür in der Person des an einem Vertrag Beteiligten vorliegen müssen. Im vorgehenden Beitrag hatten wir uns nur mit den objektiven, also außerhalb des Subjekts bestehenden, Voraussetzungen befasst. Jetzt geht es um die Säulen 7 und 8 des 6-säuligen Vertragstempels.

Die Abgabe eines Angebots oder dessen Annahme setzen immer die jeweilige wirksame Willenserklärung voraus. Wirksam ist eine Willenserklärung aber nicht nur unter der Prämisse des Wirksamwerdens (§ 130), sondern auch unter der des Wirksamgewordenseins. Die Fragen, die sich hier stellen, lauten:
● Können Max und Moritz, die z.B. einen Mondeo kaufen bzw. verkaufen wollen, überhaupt Bezugssubjekte der Rechte und Pflichten aus einem Kaufvertrag sein (§§ 433 Abs. 1, 433 Abs. 2), d.h.: haben sie überhaupt die Fähigkeit, Partner eines Vertrages sein zu können?
● Davon streng zu unterscheiden ist die Frage, ob Max und Moritz, selbst wenn sie denn die Fähigkeit hätten, Träger von Rechten und Pflichten eines Vertrages sein zu können, auch die Fähigkeit haben, rechtlich bedeutsame (juristisch: relevante) Handlungen vorzunehmen, d.h. selbst einen solchen Vertrag mit Angebot und Annahme über den Mondeo abschließen können oder ob sie sich dabei vertreten lassen müssen.

Beide Fragen betreffen unterschiedliche Begriffe: zum einen die Rechtsfähigkeit und zum anderen die Geschäftsfähigkeit. (Machen wir im nächsten Beitrag.)
Im Gegensatz zur Rechtsfähigkeit, die mehr den statischen Zustand einer Trägerschaft beschreibt, beschreibt die Geschäftsfähigkeit die dynamische Möglichkeit eines Menschen, selbst eine Rechtsfolge auslösen und somit selbst eine Änderung der Rechtslage vornehmen zu können.

Zunächst zur Rechtsfähigkeit, also zu der Frage, ob Max und Moritz überhaupt die Fähigkeit haben, Bezugssubjekte eines Vertrages sein zu können. Antwort findet man im ersten Abschnitt des allgemeinen Teils des BGB. Das BGB unterscheidet natürliche und juristische Personen, die jeweils Träger von Rechten und Pflichten sein können. Das für den Personenbegriff entscheidende Merkmal ist das der Rechtsfähigkeit.

Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.

Diese sehr umfassende Definition sagt, dass, wer rechtsfähig ist, Eigentümer einer Sache sein kann, wie auch Inhaber eines Rechts, Erbe eines Vermögens, Gläubiger einer Forderung – in allen Fällen also Träger eines Rechts, aber umgekehrt auch Schuldner einer Forderung, also Träger einer Pflicht.

Das BGB definiert die Rechtsfähigkeit selbst nicht, sondern legt in § 1 nur ihren Beginn fest: die Vollendung der Geburt eines Menschen. Schaut man allerdings in den Nebengesetzen etwas genauer nach, so entdeckt man in § 13 GmbHG doch die Definition.

Natürliche Personen
Das BGB geht davon aus, dass jeder Mensch uneingeschränkt rechtsfähig ist. Den „Menschen“ nennen die Juristen eine „natürliche Person“. Die Rechtsfähigkeit jedes (!) Menschen folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz. Früher hatten Sklaven und Frauen (!!), Mönche und Nonnen keine Rechtsfähigkeit.
● Die Rechtsfähigkeit der Menschen beginnt „automatisch“ mit der Vollendung der Geburt (§ 1) und besteht ohne Rücksicht auf Stand, Geschlecht, Alter, Vermögenslage, geistige Fähigkeiten und körperliche Gebrechen, so dass ein Säugling, ein Vierjähriger oder Geisteskranker Inhaber eines großen Geldvermögens oder einer Villa sein kann. Vollendet ist die Geburt mit dem völligen Austritt des Kindes aus dem Mutterleib; ob die Durchtrennung der Nabelschnur erfolgt sein muss, ist streitig.
● Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Eintritt des Todes. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass das Gesetz ein vorheriges Ende der Rechtsfähigkeit nicht bestimmt hat. Früher gab es einmal den sog. „bürgerlichen Tod“ durch Eintritt in ein Kloster oder gerichtliche Aberkennung. Hingegen geht gem. § 1922 BGB mit dem Tod eines Menschen sein Vermögen auf den oder die gewillkürten (z.B. Testament) oder ohne eine solche Verfügung von Todes wegen auf seine gesetzlichen Erben über, also auf andere rechtsfähige Personen. Ob und wann der Tod eingetreten ist, muss mit Hilfe der Medizin beantwortet werden; heute gilt der sog. Gehirntod als Todeszeitpunkt, wenn also Hirnströme nicht mehr gemessen werden können.

Da Max und Moritz Menschen sind, sind sie als natürliche Personen rechtsfähig – können folglich Träger von Rechten, aber auch von Pflichten aus einem Kaufvertrag über den Mondeo sein (§ 433 Abs. 1, 2).

Juristische Personen
Daneben erkennt das BGB auch organisatorischen Zusammenschlüssen von natürlichen Personen, wie z.B. einem Fußball- oder Tennisklub, die Eigenschaft zu, Rechtssubjekt sein zu können und nennt diese künstlichen Gebilde im Gegensatz zu den natürlichen Personen: juristische Personen.

Die Rechtsordnung beugt sich damit dem Bedürfnis der Rechtsgenossen (abstrakter: des Rechtsverkehrs), nicht nur als einzelne natürliche Personen, sondern auch im Zusammenschluss gemeinsam mit anderen natürlichen Personen rechtliche Ziele zu realisieren und als Personengesamtheit im Rechtsverkehr auftreten und am Rechtsleben teilnehmen zu können. Die juristische Person ist in ihrer Existenz unabhängig von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand, kann gesondert von dem Vermögen der natürlichen Personen (Mitglieder) Eigentümer einer Sache, Inhaber eines Rechts, Erbe eines Vermögens, Gläubiger einer Forderung, in allen Fällen also Träger eines Rechts, aber auch Schuldner einer Forderung, Träger einer Pflicht, sein, ohne dass die einzelne natürliche Person (z.B. das einzelne Tennisclubmitglied) haftet.

Anders als bei den einzelnen Menschen ist nicht jede Personenvereinigung „automatisch“ mit Rechtsfähigkeit ausgestattet. Vielmehr sind grundsätzlich nur solche Zusammenschlüsse rechtsfähig, denen das Gesetz die Rechtsfähigkeit ausdrücklich verliehen hat. Der Staat wirkt also durch kontrollierende und überwachende Organe der Justiz, der Rechtspfleger, bei der „Geburt“ der juristischen Personen, die durch eine Eintragung in einem öffentlichen Register (Vereins- oder Handelsregister) vollzogen wird, mit. Vergleichen Sie dazu z.B. § 21 für den e.V., der, wie man schon dem Umfang der ihm nachfolgenden Paragraphen entnehmen kann, nach dem Willen des Gesetzgebers Modell für alle anderen juristischen Personen steht.
Das BGB beginnt seinen komplizierten Lauf also in § 1 ff. mit der Antwort auf die Frage nach seinen natürlichen und unnatürlichen Adressaten. Das Begriffsungeheuer „natürliche Person“ verdankt seine Existenz ausschließlich seinem sprachlichen Spiegelbild „juristische Person“, sonst hieße der „Normale“ im Rechtsleben schlicht „Mensch“.

Die juristischen Personen kommen in vielen sehr unterschiedlichen Fallgestaltungen vor, da es oft passiert, dass mehrere Einzelpersonen sich zu einem bestimmten Zweck zusammenschließen, um zur Erreichung dieses Zweckes anschließend nicht mehr als Einzelperson, sondern als Personengesamtheit am Rechtsleben teilzunehmen.

Nochmals: Anders als bei den einzelnen Menschen ist nicht jede Personenvereinigung mit Rechtsfähigkeit ausgestattet. Vielmehr sind nur solche Vereinigungen rechtsfähig, denen das Gesetz die Rechtsfähigkeit ausdrücklich verleiht.
Rechtsfähig sind z.B.:
– der (in das Vereinsregister) eingetragene Verein, e.V. (§ 21 BGB)
– die (in das Handelsregister eingetragene) Gesellschaft mit beschränkter Haftung, GmbH (§ 13 Abs. 1 GmbHG)
– die Aktiengesellschaft, AG (§ 1 Abs. 1 AktG)
– die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR (§ 705) als Außengesellschaft

Nähere Einzelheiten zur Rechtsfähigkeit der verschiedenen Personenvereinigungen ‑ insbesondere Fragen zur OHG, KG, GmbH und Akt-Gesellschaft – werden in den Fächern Handels-, Gesellschaft- und Registerrecht erörtert.
Ob eine Personenvereinigung rechtsfähig ist, kann von erheblicher Bedeutung sein.

Beispiel:
Nehmen Sie einmal an, Jupp Schmitz, das erfahrenste Mitglied des Kegelvereins „Alle Neune,“ bucht im Einvernehmen mit seinen Kegelbrüdern anlässlich eines Vereinsausflugs 3 Tage „Ballermann 5 einschließlich Flug und Logis“ beim „Reisebüro Grosch“. Dabei tritt Jupp ausdrücklich im Namen des Vereins auf. Am Tage des geplanten Fluges sagt Jupp aus vereinsinternen Gründen die Reise ab. Kann der Veranstalter der Reise vom Verein „Alle Neune“ den gesamten Reisepreis verlangen?

Für die Lösung des Falles ist es von entscheidender Bedeutung, ob dem Kegelverein „Alle Neune“ eigene Rechtsfähigkeit zukommt oder nicht. Denn auch wenn alle anderen Tatbestandsvoraussetzungen eines Schadenersatzanspruches vorliegen, was hier einmal ohne juristische Prüfung unterstellt werden soll, kann der Anspruch des Reisebüros jedenfalls nur dann gerade gegen den „Verein“ gerichtet werden, wenn dieser überhaupt Träger von Pflichten aus einem Reisevertrag sein kann, also rechtsfähig ist.
Der Veranstalter hat also nur dann einen Anspruch gerade gegen den „Verein“, wenn es ein „e.V.“ (eingetragener Verein) gem. § 21 BGB ist oder wenn der „nichtrechtsfähige“ Verein dem „rechtsfähigen“ gleichgestellt wäre. Nur in diesem Fall haftet ihm das Vereinsvermögen (die „Vereinskasse“). Anderenfalls kann er sich nur an Jupp Schmitz persönlich als natürliche Person oder möglicherweise auch an die anderen Kegelbrüder als natürliche Personen (vertreten durch J.S.) halten, deren (zusätzliche) Haftung wiederum dann ausscheidet, wenn der rechtsfähige (oder der ihm gleichgestellte nichtrechtsfähige) Verein selbst Vertragspartner ist.
Zivilprozesslich hat das zur Folge, dass man entweder den Verein „Alle Neune e.V.“ verklagen kann mit seiner selbständigen Rechtspersönlichkeit oder aber den unglaublich umständlichen Weg der Klage gegen die einzelnen Kegelbrüder gehen muss. Schlecht gelaufen für den Reiseveranstalter? Selbst schuld! Er hätte ja in das Vereinsregister schauen können! Seit 2001 hat der BGH diesen Weg der Gleichstellung beschritten. Auch der „nichtrechtsfähige“ Verein kann nach dieser Auffassung Vermögen bilden, Verbindlichkeiten eingehen, klagen und verklagt werden, gegen ihn kann vollstreckt werden und über sein Vermögen kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Er ist rechtsfähig, aber keine juristische Person.

Diese Regelungen über die Rechtsfähigkeit sind nur deshalb möglich, weil die Rechtsfähigkeit zunächst nichts anderes als die theoretische Möglichkeit bedeutet, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, also das „Ob des Handelns“ regelt. Eine ganz andere Frage ist es, wie eine natürliche oder juristische Person praktisch handeln, also am Rechtsleben teilnehmen und Rechte erwerben oder Pflichten gegen sich selbst begründen kann. Das sind Fragen nach der Geschäftsfähigkeit bzw. nach der rechtlichen Vertretung, die das „Wie des Handelns“ regeln.

Beitrag: 33 Das mehrseitige Rechtsgeschäft – der Vertrag ruht auf seinen 6 Säulen

Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind solche, an denen mindestens zwei Personen beteiligt sind, die Willenserklärungen in wechselseitiger Richtung abgeben. Wir wollen der Einfachheit halber nur den – häufigsten – Fall der Beteiligung von nur zwei Personen, also das zweiseitige Rechtsgeschäft, erörtern.

Beispiel: V erklärt: „Ich vermiete Ihnen die Wohnung für 800 € im Monat.“ M erklärt daraufhin: „Ich bin einverstanden und miete die Wohnung für 800 € im Monat.“

Diese bei weitem häufigsten und wichtigsten Rechtsgeschäfte nennt man auch die Verträge. Es handelt sich bei einem Vertrag um ein Rechtsgeschäft, das zwei sich entsprechende gegenseitige Willenserklärungen enthält, die auf einen einheitlichen Rechtserfolg gerichtet sind.
Die Besonderheit der beiden Willenserklärungen, aus denen der Vertrag besteht, liegt darin, dass sie aufeinander abgestimmt oder „deckungsgleich“ sein müssen. Das bedeutet, dass sie zwar nicht identisch sind oder sein müssten, dass sie aber jeweils aus der verschiedenen Position der Erklärenden heraus denselben Inhalt zum Gegenstand haben müssen.
In dem obigen Beispiel haben beide Vertragspartner zwar nicht wörtlich dasselbe gesagt (oder sinnvollerweise sagen können), sie haben aber aus ihrer jeweiligen Position heraus sinngemäß das Gleiche gesagt, nämlich dass der Mietvertrag zwischen beiden für 800 € im Monat geschlossen werden solle, also zwei sich deckende Willenserklärungen abgegeben.

Die beiden deckungsgleichen Willenserklärungen, aus denen der Vertrag besteht, nennt man Angebot und Annahme.
Es spielt keine Rolle, wer von beiden Vertragspartnern, also etwa der Vermieter oder der Mieter, welche der beiden Erklärungen abgibt. Vielmehr stellt immer die zeitlich erste Vertragserklärung das Angebot und die darauf eingehende Willenserklärung die Annahme dar. Im obigen Beispiel hätte also auch der Mieter zunächst erklären können, er wolle die Wohnung für 800 € mieten (Angebot), und der Vermieter sodann sein Einverständnis erklären können (Annahme).
Der Vertrag ist das wichtigste Steuerungs- und Gestaltungsmittel des Zivilrechts. Der einzelne Bürger kann seine Lebensverhältnisse gemeinsam mit einem anderen Bürger im Rahmen der Rechtsordnung durch Verträge eigenverantwortlich gestalten. Diese überragende Bedeutung des Vertrages mit seinen Komponenten Gestaltungsfreiheit und Abschlussfreiheit folgt aus dem Prinzip der Vertragsfreiheit, die Ausfluss des allgemeinen Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist (Privatautonomie).
Durch diese Vertragsfreiheit können die Vertragspartner in den Schranken der §§ 134, 138 quasi untereinander „Recht“ setzen!
Der Vertrag stellt das wichtigste Rechtsgeschäfts des Zivilrecht schlechthin dar. Er regiert das BGB sowohl im Schuldrecht mit seinen Kauf-, Miet-, Werk-, Dienst-, Pachtverträgen etc. wie auch im Sachenrecht mit seinen notwendigen Einigungen zur Übertragung des Eigentums an beweglichen und unbeweglichen Sachen (§§ 929, 873 Abs. 1, 925) und zur Bestellung sämtlicher dinglicher Rechte. Darüber hinaus herrscht er im Familienrecht (Ehevertrag, Verlobung) und Erbrecht (Erbvertrag). Dennoch wird dem Vertrag im allgemeinen Teil des BGB nur ein kleiner Titel gewidmet: §§ 145-157. Das liegt zum einen daran, dass das BGB an anderen Stellen genügend Regelungen enthält, die auch für den Vertrag gelten (das gesamte besondere Schuldrecht ab § 433 befasst sich im Wesentlichen mit Verträgen: Ausnahme: gesetzliche Schuldverhältnisse), zum anderen auch daran, dass der allgemeine Teil selbst in seinem dritten Abschnitt „Rechtsgeschäfte“ Vorschriften enthält, die auch und gerade für Verträge bestimmt sind. Da ein Vertrag nämlich durch zwei sich deckende Willenserklärungen zustande kommt, gilt alles, was Sie über die Willenserklärung schon gelernt haben, weitestgehend natürlich auch für den Vertrag.
Die Willenserklärungen eines Vertrages nennt man Angebot und Annahme, so steht es klipp und klar in § 151 S. 1 1.Hs. Lesen Sie bitte § 151 und setzen Sie hinter „zustande“ einen Punkt (Seziertechnik)!! Soweit das Gesetz in § 145 und § 151 von „Antrag“ spricht, ist damit der in der juristischen Terminologie vorherrschende Begriff des „Angebotes“ gemeint. Die Besonderheit der beiden Willenserklärungen Angebot und Annahme, aus denen der Vertrag besteht, liegt darin, dass sie aufeinander abgestimmt oder „deckungsgleich“ sein müssen.

Wir stellen uns den Vertrag zunächst einmal bildhaft als majestätischen griechischen Tempel vor, der auf acht Säulen ruht.

Nunmehr unterscheiden wir zwischen den Säulen 1-6 sowie den Säulen 7 und 8.

Die Säulen 7 und 8 betreffen die persönlichen oder subjektiven, die Säulen 1 bis 6 die äußeren oder objektiven Voraussetzungen des Vertrages.

Die persönlichen Voraussetzungen regeln die Frage, wer überhaupt Träger von Rechten und Pflichten aus einem Vertrag sein kann, also die Frage nach der sog. Rechtsfähigkeit (Säule 7) sowie die Frage, wer wirksam einen solchen Vertrag abschließen kann, also die Frage nach der sog. Geschäftsfähigkeit der handelnden Personen (Säule 8).

Im Folgenden wollen wir zunächst nur die äußeren Merkmale 1 bis 6 erörtern, bevor wir getrennt in den nächsten Beiträgen dann die Rechts- und Geschäftsfähigkeit – Säule 7 und 8 – besprechen wollen.

Die sechs objektiven Säulen des Vertrages sind (6-Säulen-Theorie):
Säule 1: Angebot
Säule 2: Zugang des Angebots
Säule 3: Annahme
Säule 4: Zugang der Annahme
Säule 5: Inhaltliche Deckungsgleichheit
Säule 6: Zeitliche Deckungsgleichheit

Säule 1: Das Angebot
Beispiel: Buchhändler Jupp Schmitz bietet Herrn Müller „Meyer‘s Lexikon“ an mit der schriftlichen Erklärung, er könne äußerst preisgünstig liefern. Müller schreibt zurück, er wolle „die Bücher erwerben“. Kann Schmitz von Müller Zahlung des „Kaufpreises“ verlangen?

Schmitz könnte von Müller Zahlung des „Kaufpreises“ gem. § 433 Abs. 2 verlangen.
Das setzt voraus, dass zwischen beiden ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Ein Kaufvertrag ist ein auf den entgeltlichen Erwerb einer Sache gerichtetes zweiseitiges Rechtsgeschäft und kommt zustande durch wirksames Angebot und wirksame Annahme bei gleichzeitiger inhaltlicher und zeitlicher Deckungsgleichheit.

● Die Vollständigkeit des Angebots
Die Willenserklärung „Angebot“ muss vollständig sein. Diese lapidare Aussage bedeutet, dass es alle Merkmale desjenigen Vertragstyps (Kaufvertrag, Mietvertrag) enthalten muss, dessen Abschluss mit dem Angebot angestrebt wird; das Angebot muss den gesamten Inhalt des beabsichtigten Vertrages umfassen. Das Angebot muss demnach so vollständig und präzise sein, dass es mit einem schlichten „Ja“ der Gegenseite angenommen werden kann. Dass dem so ist, folgt aus § 150 Abs. 2. Nach § 150 Abs. 2 gilt eine Annahme mit Änderungen als Ablehnung (verbunden mit einem neuen Antrag). Wenn aber nach dem Gesetz die Annahme in einem schlichten „Ja“ besteht und jedes „Ja, aber“ bereits eine Ablehnung darstellt, dann muss das Angebot inhaltlich so präzise und vollständig sein, dass es mit einem einfachen „Ja“ angenommen werden kann. Logisch? Man spricht in diesem Zusammenhang von den sog. „essentialia negotii“, also den „wesentlichen Bestandteilen des Geschäftes“ (lat.: essentia, Wesen, Hauptpunkt; negotium: lat.: der Handel).
Dies sei zunächst an dem schon mehrfach angesprochenen Mietvertrag näher erläutert: Das Wesen des Mietvertrages macht es aus, dass durch den Vermieter dem Mieter für einen begrenzten Zeitraum gegen Entgelt der Gebrauch einer Sache gestattet wird (§ 535).
Essentialia negotii eines Mietvertrages sind demnach:
 die Mietsache  der Mietzins  der Mietbeginn
 die Mietzeit  die Gebrauchsüberlassung.
Alle diese fünf Elemente muss das auf den Abschluss eines Mietvertrages gerichtete konkrete und vollständige Angebot enthalten, um wirksam zu sein.
Es genügt daher z.B. nicht, wenn der Vermieter Ihnen erklärt: „Ich vermiete Ihnen diese Wohnung“, weil dadurch weder der Mietbeginn noch der Mietzins zum Ausdruck kommen, so dass Ihr bloßes „Ja“ zu keinem Vertragsschluss führen könnte (Umkehrschluss aus § 150 Abs. 2).
Das Wesen eines Kaufvertrages, des häufigsten aller Verträge des täglichen Lebens, macht es aus, dass der Verkäufer sich dem Käufer gegenüber verpflichtet, eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Kaufpreis zu übereignen (§ 433 Abs. 1, Abs. 2).

Essentialia negotii eines Kaufvertrages sind demnach:
 der Kaufgegenstand (Ware),
 der Kaufpreis.
Diese beiden „Essentialien“ muss das auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtete konkrete und vollständige Angebot enthalten, um wirksam zu sein. Allerdings brauchen sich nicht alle Elemente wortwörtlich gerade aus dem Wortlaut des Angebotes allein zu ergeben. Vielmehr muss man die Willenserklärung notfalls auslegen. Dabei ist gem. §§ 133, 157 über den Wortlaut der Erklärung hinaus der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen; das wissen wir ja schon.

Beispiel: M und V haben in der zu vermietenden Wohnung lange über den Mietzins hin- und her verhandelt. Schließlich erklärt V: „Mein letztes Wort: 700 € zum 1.8.!“

Obwohl der Wortlaut dieser Erklärung nicht alle Essentialia negotii eines Mietvertrages enthält, stellt sie doch ein wirksames Angebot dar. Denn über den Wortlaut hinaus sind die Gesamtumstände heranzuziehen, unter denen die Erklärung abgegeben worden ist (§§ 133, 157). Tut man dies, so wird aus den Vorverhandlungen und dem Wortlaut der Erklärung klar, dass das Angebot des V vollständig lautet: „Ich – V – biete Ihnen – M – die Wohnung XY zur Miete zu einem Mietzins von 700 € bei einem Mietbeginn ab 1.8. an.“
Über die immer notwendigen Essentialia negotii hinaus kann das Angebot natürlich auch weitere Regelungen enthalten. So kann das Angebot z.B. Einzelheiten über die Zahlungsweise des Mietzinses (monatlich/vierteljährlich), das Recht des Mieters, Haustiere in der Wohnung zu halten oder eventuelle Schönheitsreparaturpflichten beim Auszug enthalten.
Enthält das Angebot derartige zusätzliche Elemente, so muss auch die Annahme diese Elemente enthalten, damit der Vertrag zustande kommt.

Zusammenfassend lässt sich schon einmal sagen: Das Angebot muss alle wesentlichen Elemente des betreffenden Vertragstyps (entweder ausdrücklich oder in einer durch Auslegung zu ermittelnden Weise) enthalten, so dass der andere Teil nur noch (sinngemäß) „Ja“ zu sagen braucht, um den Vertrag zustande kommen zu lassen.

Das heißt nun nicht, dass jedes Angebot immer in einer Frageform formuliert sein müsste, die sprachlich die Antwort „Ja“ zuließe. Gemeint ist vielmehr, dass der Annehmende nicht darauf angewiesen sein darf, seinerseits noch Vertragselemente zusätzlich einzufügen, um die wesentlichen Vertragsbestandteile zu vervollständigen.

In seiner – in welcher sprachlichen Form auch immer geäußerten – Erklärung darf lediglich die bloße Bestätigung enthalten sein, dass der Annehmende das ihm vorliegende – präzise und vollständige – Angebot annehme.

Es genügt also im Ausgangsfall keineswegs, dass der Buchhändler Jupp Schmitz dem Herrn Müller „Meyer‘s Lexikon“ „äußerst preisgünstig“ anbietet. Welches Lexikon, welcher Preis? Weder das Kaufobjekt – die Ware – noch der Kaufpreis sind so hinreichend präzisiert (es gibt viele Meyer‘s Lexika über viele Themen zu den unterschiedlichsten Preisen), dass ein bloßes „Ja“ des Müller den Vertrag zustande bringen könnte. Es liegt mithin kein annahmefähiges Angebot vor, es fehlen die Essentialia negotii. Vielmehr handelt es sich lediglich um ein rechtlich irrelevantes, allgemeines Verkaufsinteresse signalisierendes Schreiben des Jupp.

● Der notwendige Bindungswille
Gibt jemand nun ein annahmefähiges Angebot ab („Ich biete dir meinen Porsche für 30.000 € zum Kauf an“), so ist er daran grundsätzlich gebunden. Das heißt, er kann – auch wenn er noch so gute Gründe hierfür haben mag (ein anderer bietet 40.000 €) – das Angebot ohne Einverständnis des Erklärungsgegners nicht einfach „zurückholen“, „zurücknehmen“ oder „widerrufen“. (Einige Ausnahmen von diesem Grundsatz werden in den folgenden Kapiteln allerdings darzustellen sein.) Dies folgt schon aus der Tatsache, dass das Gesetz für das Angebot im § 145 diese Bindungswirkung ausdrücklich erwähnt.
Diese Rechtsfolge des Angebotes aus § 145, nämlich die Bindungswirkung, macht es nun notwendig, dass sich der Erklärende überhaupt binden will. Er soll also nicht etwa an die Erklärung gebunden sein, wenn er das nicht will, sondern umgekehrt entsteht ein Angebot nur dann, wenn der Erklärende sich binden will und dies dem Erklärungsempfänger auch – notfalls aus den Umständen – deutlich wird.
Nicht selten liegt der erforderliche Bindungswille eben nicht vor.

Beispiel: Der Vermieter V gibt in der Wochenendausgabe der örtlichen Tageszeitung eine Annonce auf mit folgendem Text: „Vier-Zimmer-Wohnung in Köln in der Aachener Str. 104, 3. Obergeschoss, ab 1. September für monatlich 800 € zu vermieten.“

Diese Erklärung enthält alle Essentialia negotii eines Mietvertrages. Dennoch liegt kein Angebot vor, weil ein verständiger Leser der Annonce nicht annehmen kann, dass V an seine Erklärung gebunden sein will. Ihm fehlt der sog. Rechtsbindungswille. Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Würde es sich um ein wirksames Angebot handeln, so wäre dieses wirksame Angebot gegenüber jedem Zeitungsleser abgegeben. Es könnte also eine unübersehbar große Anzahl von Interessenten durch die einfache Erklärung: „Ja, ich möchte die Wohnung zu den in der Zeitung abgedruckten Bedingungen mieten“ einen Mietvertrag mit V schließen. Es kämen dann unübersehbar viele Mietverträge zustande, die V gar nicht alle erfüllen könnte. Beim ersten Anrufer käme schon der Vertrag zustande – allen Folgenden gegenüber würde V schadenersatzpflichtig. Absurd! Im Übrigen entfiele die Wahlmöglichkeit für V, wen er für seine Wohnung als geeignet ansieht und wen nicht.
Es kann – wie das vorstehende Beispiel zeigt – bei einem Zeitungsinserat keinesfalls von einem Angebot ausgegangen werden; es fehlt der Rechtsbindungswille. Vielmehr handelt es sich um eine Vorstufe zu einem Angebot: V stellt den Abschluss eines Mietvertrages in Aussicht und signalisiert durch die Anzeige, dass er entsprechenden Angeboten entgegensehe. Man spricht in diesen Fällen von einer „invitatio ad offerendum“, also einer „Einladung zur Abgabe eines Angebotes“.
Solche „Einladungen zur Abgabe eines Angebotes“ liegen regelmäßig in der Zusendung von Katalogen und Prospekten, Internet-„Angeboten“, in Schaufensterauslagen oder dem Ausliegen von Speisekarten. Hier werden jeweils einer unbestimmten Vielzahl von potenziellen Kunden Leistungen nahegelegt. Es liegt auf der Hand, dass ein Restaurantbesitzer sich mit seiner „Offerte“ auf der Speisekarte „Wachteln mit Sektkraut“ nicht nach § 145 binden will, wenn ein kompletter Kegelclub das Restaurant stürmt und diese doch nur sehr begrenzt vorrätige Speise bestellt. Geht der Restaurantbesucher (Gast) auf eine Speise ein und nimmt er eine Bestellung vor, so geht jetzt das Angebot von ihm aus. Der Restaurantbesitzer hat also noch die volle Freiheit, ob er den Vertrag über die „Wachteln“ abschließen will oder nicht. Erst durch die Auftragsbestätigung des Restaurantbesitzers kommt der Vertrag zustande, da erst hierin die Annahme zu sehen ist.
Der Inhalt der Invitatio ad offerendum erlangt allerdings Bedeutung bei der Auslegung des sich anschließenden Angebotes. Dieses auf die „Einladung“ reagierende Angebot nimmt nämlich regelmäßig stillschweigend auf die Invitatio Bezug. Durch den Satz „Ich möchte die Wohnung aus der Zeitung mieten“ oder „Ich nehme „Wachteln mit Sektkraut“ gibt der Interessent ein vollständiges und präzises Angebot ab. Denn er bezieht den Inhalt der Annonce bzw. der Speisekarte (Preis!!), die ihrerseits alle Essentialia negotii des Miet- bzw. Kaufvertrages enthalten, in seine Willenserklärung (Angebot) ein (§§ 133, 157).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein Angebot ist die inhaltlich vollständige und präzise Willenserklärung zum Abschluss eines Vertrages, die mit Rechtsbindungswillen in den Rechtsverkehr gebracht worden ist und mit einem einfachen „Ja“ angenommen werden kann.

Säule 2: Das Wirksamwerden des Angebotes
Bekanntes wird jetzt Ihre Erinnerung kreuzen!? Bei jeder Willenserklärung ist zu prüfen, ob sie wirksam geworden ist. Da das Angebot eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist – das Gesetz bringt das durch die Wendung „einem anderen“ in § 145 zum Ausdruck –, wird es nicht allein durch Abgabe wirksam, sondern gem. § 130 Abs. 1 erst durch wirksamen Zugang. Folglich ist an dieser Stelle das gesamte „Paket“ über das Wirksamwerden von empfangsbedürftigen Willenserklärungen einzuprüfen.

Zur Wiederholung: (vgl. 2.4.2.2)
● Zugang unter Anwesenden (gesetzlich nicht geregelt)
Nichtverkörperte Willenserklärungen (mündliche oder solche durch schlüssiges Handeln) werden wirksam, wenn der Erklärungsempfänger Kenntnis erlangt durch Hören (Ohren), Sehen (Augen) oder Berühren (Haut)
Verkörperte Willenserklärungen (schriftliche) werden wirksam mit Übergabe, gleichgültig, ob der Empfänger Kenntnis nimmt oder nicht
● Zugang unter Abwesenden (das Gesetz stellt in § 130 Abs. 1 S. 1 auf diesen Zugang ab)
Verkörperte Willenserklärungen: Machtbereichstheorie
Nichtverkörperte Willenserklärungen werden wirksam durch Vernehmen einer zur Übermittlung geeigneten Person, die zum Empfänger in einer solchen Beziehung steht, dass sie als zur Annahme ermächtigt gelten kann
● Trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Wirksamwerdens wird die Willenserklärung nicht wirksam, wenn gleichzeitig oder vorher ein Widerruf zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 2)
● Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden nach Abgabe aber vor Zugang schaden nicht (§ 130 Abs. 2)
● Sonderfälle: §§ 131, 132

Säule 3: Die Annahme

Beispiel: Jupp Schmitz bekommt eines Tages unvermittelt ein Buch „Sex auf Reisen“ des Buchhändlers „Lover“ zugeschickt. In einem Begleitschreiben heißt es: „Falls Sie das Buch nicht innerhalb von 2 Wochen zurücksenden, nehmen wir an, dass Sie es kaufen wollen. Für diesen Fall bitten wir um Überweisung von 30 € auf unser Konto!“ Jupp hat an dem Buch kein Interesse und will es auf keinen Fall kaufen. Er scheut aber die Rücksendungskosten und legt das Buch im Bücherregal ab. Muss Jupp nach 2 Wochen zahlen?

Als Anspruchsgrundlage kommt § 433 Abs. 2 in Betracht, klar. Das setzt einen wirksamen Kaufvertrag voraus, auch klar. Ein Kaufvertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande (§ 151 S. 1, 1. Alt.). Ein vollständiges und präzises Angebot liegt vor. Dieses ist auch gem. § 130 Abs. 1 S. 1 durch Zugang wirksam geworden.

Fraglich ist nur, ob auch eine Annahme vorliegt.
Die Annahme ist ein bedingungsloses „Ja“. Diese Bedingungslosigkeit wird deutlich in § 150 Abs. 2. Der Annehmende darf seiner Willenserklärung „Annahme“, wenn denn durch seine Erklärung der Vertrag zustande kommen soll, keinen von dem Angebot abweichenden Inhalt geben. Tut er es doch, so ordnet § 150 Abs. 2 an, dass dadurch das Angebot erlischt und nunmehr die „Annahme unter Erweiterungen“ als neues Angebot gilt; Sie kennen das schon.
Der Sinn dieser Regelung liegt darin, die fehlgeschlagene „Annahme“ als neues „Angebot“ zu retten (über §§ 133, 157 unter Bezugnahme auf das erloschene Angebot) und so den Vertragspartnern die Mühe zu ersparen, beide Erklärungen neu abgeben zu müssen. Der „Annehmende nach § 150 Abs. 2“ ist damit, wie jeder „Anbietende nach § 145“, an seine Erklärung gebunden. Will er dies verhindern, so muss er das Angebot mit „Nein“ ablehnen (oder die Annahmefrist verstreichen lassen, dazu sogleich), und darf es nicht in der beschriebenen Weise „annehmen“.

Beispiel: Nachdem V die fragliche Wohnung für 800 € angeboten hat, erklärt M dem V gegenüber: „Ich nehme die Wohnung für 700 € im Monat.“

Durch die Erklärung des M kommt der Vertrag nicht zustande, weil M einen abweichenden Mietpreis nennt. Seine Erklärung ist aber gem. § 150 Abs. 2 als Ablehnung des vorangegangenen Angebotes des V und neues Angebot zu verstehen, an das er gebunden ist gem. § 145. Durch die Erklärung „Ich bin einverstanden“ kann V nun seinerseits dieses Angebot sofort annehmen und den Vertragsschluss bewirken.
Ein solches bedingungsloses „Ja“ hat Jupp auf das wirksame Angebot des „Lover“ nicht erklärt. Auch kann nicht aus den Umständen und dem Verhalten des Jupp (sog. schlüssiges oder konkludentes Verhalten) auf einen entsprechenden Willen geschlossen werden. Schweigen im Rechtsverkehr bedeutet grundsätzlich weder „Ja“ noch „Nein“. Aus der schlichten Untätigkeit des Jupp lässt sich keine irgendwie geartete Erklärung herleiten.
Wer schweigt, erklärt nichts, gibt also auch keine Willenserklärung ab. Die Erklärung ist das Gegenteil des Schweigens, es ist keine Äußerung! Dass das Schweigen, jedenfalls im BGB grundsätzlich weder Zustimmung noch Ablehnung bedeutet, lässt sich unschwer aus einem Umkehrschluss aus § 362 HGB ziehen: Ein Kaufmann, der für andere Geschäfte besorgt (Handelsmakler), muss den Antrag eines Kunden unverzüglich zurückweisen, wenn er ihn nicht gegen sich gelten lassen will. Argumentum e contrario: Das gilt eben nur für die gewieften Kaufleute des HGB – nicht für die privaten Laien des BGB.

Säule 4: Das Wirksamwerden der Annahme
Da auch die Annahme eine Willenserklärung ist, muss auch sie wiederum wirksam werden, d.h. rechtlich lebendig. Wie geschieht das? Richtig! § 130 – schon bekannt.
Ein Bonbon am Rande! Die einem Abwesenden gegenüber erklärte Annahme wird, wie jede andere derartige Willenserklärung auch, gem. § 130 Abs. 1 erst mit Zugang bei dem Erklärungsempfänger, also dem Anbietenden, wirksam. Angebot – Zugang – Annahme – Zugang!
Hiervon macht nun § 151 S. 1 unter engen Voraussetzungen für zwei Fälle eine Ausnahme. Der Zugang ist nach dieser Vorschrift entbehrlich, wenn der Anbietende auf ihn verzichtet hat oder wenn er nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist.

Beispiel: Am Tag vor Reiseantritt bestellt ein Geschäftsmann bei einem ihm bekannten Hotel schriftlich ein Zimmer.

Hier wäre es nicht sinnvoll und ist nach der Verkehrssitte auch nicht zu erwarten, dass der Hotelier das Angebot schriftlich annimmt und auf den postalischen Weg bringt, weil sein Schreiben den Gast nicht mehr rechtzeitig erreichen könnte. Der Vertrag kommt daher bereits mit der bloßen Abgabe der Annahmeerklärung zustande. Diese kann z.B. konkludent durch die Eintragung des Gastes in die Reservierungsliste geschehen.
§ 151 stellt in diesen Fällen also sicher, dass der Vertrag bereits vor Erscheinen des Gastes in dem Hotel wirksam zustande gekommen ist, und nimmt ihm das Risiko ab, dort kein Zimmer zu finden, weil der Hotelier in der Zwischenzeit das Zimmer einem anderen Gast gegeben hat.

Merken Sie sich bitte: Es ist nicht etwa so (wie vielfach angenommen wird), dass in den Fällen des § 151 der Vertrag durch Schweigen oder gar gänzlich ohne Annahme zustande käme. Vielmehr bleibt es dabei, dass der Annehmende seine Annahme-(Willens-) Erklärung abgeben muss. Verzichtet wird lediglich auf den Zugang dieser Erklärung, juristisch genauer auf ihr Wirksamwerden.

Säule 5: Die Deckungsgleichheit von Angebot und Annahme
Angebot und Annahme müssen inhaltlich deckungsgleich sein, sie müssen miteinander korrespondieren. Hier treffen wir auf eine Spielwiese für versteckte und offene Dissense.
● Der Dissens
Decken sich die beiden Willenserklärungen nicht, so liegt ein sog. Dissens vor. (lat.: consensus, Übereinstimmung – lat.: dissensus, Meinungsverschiedenheit). Dieser führt nach dem oben Gesagten grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung, weil ein Vertrag gerade das Gegenteil, nämlich einen Konsens, voraussetzt.
 Liegt der Dissens im Bereich der Essentialia negotii (Mietobjekt, Kaufobjekt, Preis), so ist die Nichtigkeit der Vereinbarung seine denknotwendige Folge!

Beispiel: Erklären V: „Ich vermiete die Wohnung für monatlich 1.000 €“ und M: „Ich miete für 800 €“, so ist keine andere Lösung denkbar, als dass ein Vertrag nicht zustande gekommen ist. Zwar liegt ein Angebot über 1000 € vor. Das Wirksamwerden ist erfolgt über § 130 Abs. 1 S. 1. Jedoch fehlt die Annahme, da die Erklärung kein „Ja“ darstellt; es liegt ein Fall des § 150 Abs. 2 vor, ein sog. „Totaldissens“.

 Liegt der Dissens demgegenüber außerhalb der Essentialien in einem anderen Vertragsbestandteil bei Nebenpunkten, so ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht so selbstverständlich.
Beispiel 1: V erklärt: „Ich vermiete Ihnen die Wohnung ab dem 1.8. für 800 € und erwarte, dass Sie alle zwei Jahre die Küche renovieren.“ M antwortet: „Ich bin mit der Miete einverstanden, über die Renovierung der Küche müssen wir aber noch reden.“
Hier ist zum einen denkbar, dass der Vertrag ohne den Dissens, also im Beispielsfall unter Ausklammerung der Frage der Renovierung, zustande kommt, zum anderen, dass er überhaupt nicht zustande kommt. Das ist in diesen Fällen theoretisch möglich, weil ja – anders als in dem ersten Beispielsfall – trotz des Ausklammerns der Küchenrenovierung inhaltlich ein vollständiger Vertrag übrigbleibt, der sämtliche Essentialia negotii enthält.
Gleichwohl ordnet § 154 Abs. 1 S. 1 an, dass auch in diesen Fällen des sog. „offenen“ Dissenses zum Schutze des Vertragspartners V, der die weitergehende Regelung wünscht, regelmäßig Nichtigkeit eintritt. Durch die Formulierung „im Zweifel“ deutet das Gesetz an, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch die Wirksamkeit der Vereinbarung die Rechtsfolge sein kann. Die im Gesetz häufiger auftretende „Im-Zweifel-Regel“ habe ich Ihnen an anderer Stelle bereits etwas näher erläutert.
Beispiel 2: V erklärt: „Ich vermiete Ihnen die Wohnung ab dem 1.8. für 800 € und erwarte, dass Sie alle zwei Jahre die Küche renovieren.“ M antwortet: „Ich bin mit der Miete einverstanden, über die Renovierung der Küche müssen wir aber noch reden. Der Vertrag soll aber schon mal gelten.“ V erklärt: „Einverstanden!“
Hier ist der Vertrag wirksam abgeschlossen worden. Für etwaige „Zweifel“ bleibt kein Raum !! Man spricht in diesen Fällen vom „offenen“ im Gegensatz zum „versteckten“ Dissens, der dann vorliegt, wenn die Parteien gar nicht merken, dass ihre Erklärungen nicht vollständig übereinstimmen.
Beispiel 3: V und M meinen nach langer, nervenzehrender Diskussion, jeweils der andere habe im Hinblick auf die Küchenrenovierung nachgegeben.
Hier liegt dieser „versteckte“ Dissens, diese versteckte Nichteinigung deutlich vor. Dazu bestimmt nun § 155, dass der Vertrag wirksam sein soll, wenn anzunehmen ist, dass … („Im-Zweifel-Regel“). Der Sinn für die Aufrechterhaltung des Vertrages liegt wohl darin, dass sich die Vertragsparteien schon innerlich auf den Vertrag eingestellt haben.

Erwähnt sei noch, dass ein Vertrag unter den geschilderten Umständen des offenen Dissenses auch dann (noch) nicht zustande gekommen ist, wenn er bereits schriftlich niedergelegt (und sogar unterschrieben) ist (§ 154 Abs. 1 S. 2).
Ebenso kommt gem. § 154 Abs. 2 ein Vertrag nicht zustande, wenn die Parteien die „Beurkundung“ (also zumindest die Schriftform) vereinbart, diese Beurkundung aber noch nicht vorgenommen haben.

● Die „falsa demonstratio“
Vom Dissens abzugrenzen sind die Fälle, in denen die Parteien zwar etwas anderes sagen als sie meinen, dies aber infolge eines Doppelirrtums übereinstimmend tun. Diese Fallkonstellation hat größere Berührungspunkte zu der Auslegung von Willenserklärungen, bei deren Erörterung ich sie deshalb schon aufgegriffen habe.
Es gilt nach dem lateinischen Satz „falsa demonstratio non nocet“ (eine falsche Bezeichnung schadet nicht) das von den Parteien übereinstimmend Gewollte.
Beispiel: Mal ein anderes, als das juristisch ausgelaugte „Haakjöringsköd“: Bei den Vertragsverhandlungen sind sich V und M nach der Besichtigung der Wohnung darüber einig, dass eine Wohnung im 4. Stock vermietet werden soll. Schließlich macht V ein (im Übrigen vollständiges) Angebot über die „Wohnung im 5. Stock“. Erklärt M daraufhin, er sei einverstanden, so kommt ein Mietvertrag über die Wohnung im 4. Stock zustande, weil beide diese Etage gemeint haben.
Falsa demonstratio non nocet! Ein Dissens liegt in diesen Fällen deshalb nicht vor, weil beide Parteien inhaltlich übereinstimmende – nach entsprechender Auslegung der Willenserklärungen über §§ 133, 157 –, deckungsgleiche Willenserklärungen abgegeben haben.

Säule 6: Die Annahmefähigkeit des Angebotes oder das Fortbestehen des Angebotes zum Zeitpunkt der Annahme oder die zeitliche Deckungsgleichheit
Eine entscheidende Frage für das Zustandekommen eines Vertrages ist noch offengeblieben: Wie lange bleibt eigentlich ein wirksames Angebot wirksam? Gilt es bis zum „Jüngsten Tag“?

Beispiel: A schreibt B: „Du kannst meinen auberginefarbenen Porsche für 50.000 € kaufen.“ Nach einem halben Jahr schreibt B an A: „Ich kaufe.“ Ist der Vertrag zustande gekommen? – Wirksames Angebot? Ja. Wirksame Annahme? Ja. Also alles o.k.?

Lesen Sie die §§ 146 bis einschließlich §150 Abs. 1 einmal ganz genau! Sie finden zu der Eingangsfrage alles!
Verzweiflung? Warten Sie!
Das Angebot könnte im Moment der Annahme nämlich gar nicht mehr in der Welt gewesen sein, so dass die Annahme ins Leere greift. Das Angebot könnte erloschen sein. Das heißt nun positiv: Zum Zeitpunkt der Annahme muss noch ein wirksames Angebot vorliegen. Man spricht insofern von „Annahmefähigkeit des Angebots“ oder „zeitlicher Deckungsgleichheit“ oder vom „Fortbestehen des Angebotes“ zum Zeitpunkt der Annahme.

Wir strukturieren jetzt den § 146 ff. einmal vorweg in der uns zwischenzeitlich in Fleisch und Blut übergegangenen Art:

Also: Hat der Anbietende sein Angebot wirksam abgegeben, so steht es allein in der Macht des Erklärungsempfängers, ob der Vertrag nun zustande kommt oder nicht. Das liegt an der schon mehrfach erwähnten Bindungswirkung, die den Anbietenden daran hindert, sein Angebot zu widerrufen.
Diese Situation macht es notwendig, den Zeitraum zu begrenzen, innerhalb dessen das Angebot noch angenommen werden kann. Ansonsten müsste der Anbietende immer weiter damit rechnen, dass der andere durch die Annahme den Vertrag noch wirksam zustande kommen ließe, und wäre so an jeder weiteren Disposition gehindert. Sehen Sie unseren Eigentümer des auberginefarbenen Porsches!
Oder: Bietet der Kunsthändler Bachmann dem Sammler Peter ein Gemälde für 1.000 € schriftlich an, so muss er in angemessener Zeit wissen, ob das Angebot nun angenommen wird oder nicht, um entscheiden zu können, ob er das Bild etwa einem anderen Interessenten anbieten soll.
Für die weiteren Überlegungen in diesem Zusammenhang ist es – wie aus dem Baumdiagramm klar ersichtlich – von Bedeutung, ob der Anbietende dem Erklärungsempfänger eine Frist zur Annahme gesetzt hat oder nicht.

● Die Annahmefähigkeit des befristeten Angebotes
Nach dem System der gesetzlichen Regelung des § 146 ff. ist in diesem Zusammenhang vorrangig eine von dem Anbietenden gesetzte Frist maßgeblich.
Beispiel: Das Kaufvertragsangebot endet mit dem Satz: „An dieses Angebot halte ich mich bis zum 31.10. gebunden.“ In diesen Fällen kann das Angebot nur bis zum Ablauf der Frist 31.10., 00oo Uhr angenommen werden. Mit dem Ablauf der Frist erlischt es von selbst gem. § 148.

● Die Annahmefähigkeit eines nicht befristeten Angebotes
In vielen Fällen enthält das Angebot aber keine Fristbestimmung. Dann ist hinsichtlich der Annahmefähigkeit danach zu unterscheiden, ob das Angebot einem bei der Erklärung Anwesenden oder einem Abwesenden gegenüber gemacht wurde.
 Die Annahmefähigkeit des einem Anwesenden gemachten nicht befristeten Angebotes
Das gegenüber einem Anwesenden gemachte Angebot kann gem. § 147 Abs. 1 S. 1 nur sofort, also unmittelbar nach Kenntnisnahme von dem Angebot, angenommen werden. Sofort bedeutet so schnell wie effektiv möglich (anders als bei „unverzüglich“ in § 121 Abs. 1 schadet auch schuldloses Zögern). Der anwesende Empfänger, der das Angebot verstanden hat, muss sich also grundsätzlich sofort entscheiden, anderenfalls das Angebot erlischt. Braucht er Bedenkfrist, so kommt es darauf an, ob der Anbietende bereit ist, ihm gem. § 148 eine solche einzuräumen.
Wegen der schon erwähnten technischen Überbrückung der Distanz gelten die vorstehenden Regelungen über die Annahmefrist auch dann, wenn das Angebot z.B. durch Fernsprecher, Chat oder Videokonferenz einem Abwesenden gegenüber gemacht worden ist, § 147 Abs. 1 S. 2.
 Die Annahmefähigkeit des einem Abwesenden gemachten nicht befristeten Angebotes
Hinsichtlich der Erklärung gegenüber Abwesenden gilt § 147 Abs. 2. Nach dieser Vorschrift kommt es darauf an, in welcher Zeit der Anbietende unter regelmäßigen Umständen mit dem Eingang der Annahmeerklärung rechnen kann. Wie lange das ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Zu berücksichtigen sind in dem Zusammenhang eine angemessene Überlegungsfrist, die bei wirtschaftlich größeren oder rechtlich komplizierteren Geschäften länger als bei Alltagsgeschäften zu bemessen ist, und die Laufzeiten sowohl für das Angebot als auch für die Annahme.

Beispiel: Bietet der Briefmarkenhändler B in Köln-Fühlingen dem ihm bekannten Sammler S in Potsdam schriftlich ein besonderes Exemplar des „Beethoven-Blockes“ aus dem Jahre 1959 für 600 € zum Kaufe an, so ergibt sich eine Annahmefrist von 6 Tagen.
Postlaufzeit des Angebotes: 2 Tage
Entscheidungsfrist des Sammlers: 2 Tage
Postlaufzeit der Annahme: 2 Tage

Ähnlich wie die Zugangsproblematik kann die Berechnung der Frist des § 147 Abs. 2 nur am praktischen Beispiel geübt werden. Wir werden das gleich auch tun.

Beiden Fallgruppen des § 146 ist aber trotz der aufgezeigten Unterschiede Folgendes gemeinsam: Erklärt der Annehmende die Annahme verspätet, so spricht man davon, dass das Angebot nicht mehr annahmefähig sei. Die Annahme gilt dann gem. § 150 Abs. 1 – genauso wie diejenige unter Erweiterungen und Änderungen bei § 150 Abs. 2 – als erneutes Angebot.

Erwähnt sei schließlich noch die Bestimmung des § 149. Nach dieser – praktisch nicht sehr relevanten – Vorschrift, deren Einzelheiten Sie ohne weiteres dem Gesetzestext entnehmen können, gilt gem. § 149 S. 2 eine Annahme, die an sich verspätet wäre, nicht als verspätet, wenn gem. § 149 S. 1 die Verspätung durch unregelmäßige Beförderung zustande gekommen ist, der Empfänger dies erkennen konnte und dem Annehmenden nicht unverzüglich angezeigt hat. Nur zu Trainingszwecken sollten Sie einmal, detailverliebt, wie die Juristen manchmal sind, die Tatbestandsmerkmale des § 149 S. 1 zusammenstellen und die Norm „sezieren“.

Beitrag: 34 Wie steigert man den Gewinn aus den Vorlesungen? – 14 Top-Tipps

Das Spiel ist partytauglich. Spielen Sie es einmal: Zwei sitzen mit dem Rücken zueinander. Der eine hat Papier und Bleistift. Der andere bekommt die Abbildung einer komplizierten geometrischen Figur aus Rechtecken, Vier- und Dreiecken. Die beschreibt er so präzise wie möglich seinem Mitspieler. Der wiederum muss, allein den Wörtern folgend, die Figur nachzeichnen. Was nachher auf dem Blatt zu sehen ist, entspricht manchmal den Notizen, die Studenten sich während einer Vorlesung machen.

Wäre das Ganze ein Comicstrip, erschienen über den Köpfen der meisten Studenten große Fragezeichen. Das Studentenfeindlichste kann man in dem Anfängersemester schnell lokalisieren: Die Feindaufklärung entdeckt die Vorlesung.

Leider sind die meisten der Vorlesungen auf den Studententypus zugeschnitten, der die Fachinhalt am ehesten abstrakt erfasst. Die Frage ist nur: Gibt es diesen Studenten überhaupt in Reinkultur? Auf alle Fälle ist er nicht der Regelfall. Deshalb sind viele der existierenden Vorlesungen an nicht existierenden Grundmustern der Studenten orientiert und sind damit letztlich desorientiert. Geht nun der Student, der das Verstehen mehr in einfacherer Kommunikation, besonders aber im Fallbeispiel, in graphischen Darstellungen und Skizzen, im Anfassen und Fühlen von Baumdiagrammen sucht, in eine auf höchstem Sprachniveau mit höchster Abstraktion gespickte Vorlesung, so tritt folgendes ein: Er ist verwirrt, glaubt, dass er unbegabt und unfähig ist, hat Angst, Frust und Depressionen – er verzweifelt an sich. Falsch! Wenn Sie die Sprache oder der Text verwirren, muss es nicht unbedingt immer an Ihnen liegen. Die rechtsdidaktische Schwäche des Autors oder Vortragenden, sich verständlich auszudrücken, einfach und unkompliziert zu formulieren, lebendig darzustellen, kann auch mal die Ursache sein. Nicht Sie müssen der Dumme sein, sondern es kann an dem Medium liegen.

Machen Sie sich folgendes klar:
 Treffen Sie auf ein Lehrbuch, das Ihnen unverständlich ist, stellen Sie es in das Regal zurück! Erschließen Sie sich den Inhalt mit einem anderen Schlüssel!
 Treffen Sie auf eine Vorlesung, die abstrakt, monoton, ohne erkennbare Führung, hochkompliziert daherflaniert – verlassen Sie den Hörsaal! Schauen Sie einmal bei einem Repetitor vorbei!
Leider wird im Anfang der juristischen Ausbildung eine systematische Einführung in die Kunst der Optimierung einer Vorlesung und in den Umgang mit der Literatur nicht geliefert. Motto: „Friss Vogel oder stirb! Sie, wie du klar kommst, Studentlein!“

Warum schildern Studenten oft ihr Gefühl, am Anfang die juristischen Hörsäle gewonnen zu haben, am Ende, ihnen entronnen zu sein? – Dem Dozenten wird doch vor allem die Funktion zugeschrieben, seine Studenten in Vorlesungen zu unterrichten, zu führen, zu informieren und strukturiert zu unterweisen. Der Informations- und Instruktionswert wird aber dadurch beeinträchtigt, dass die durch Dozenten vermittelten Informationen nicht selten an den Studenten in den Vorlesungen geradezu „vorbeifliegen“ und man ihnen nicht genügend Zeit lässt, sich intensiv mit dem Stoff und dem Nachlesen im Gesetz auseinander zu setzen. Hinzukommt, dass meistens der curriculare Stoff, der für die Klausuren vorausgesetzt wird, nicht zu Ende gebracht wird. Als Konsequenz stützen und ergänzen die Dozenten ihre „Informationsvermittlung“ zur Absicherung deshalb durch Verweise auf Printmedien in Form von Skripten oder empfehlen Lehrbücher. Es entsteht ein verwirrender Medienverbund zum Lernen aus Dozent, Skript und Lehrbuch. Welches Medium ist in diesem Medienverbund eigentlich tragend? – Welches überträgt die wesentlichen Informationen? – Welches unterstützt am wirkungsvollsten den Prozess des Wissenserwerbs? Es sollte der Dozent sein! Er müsste das alles entscheidende Medium sein. Die Skripten und Lehrbücher – übrigens auch die Gesetze – sind wie bemalte Fensterscheiben: Sie leuchten nur, wenn sie angestrahlt werden, angestrahlt durch des Dozenten lebendiges Wort. Anderenfalls sind sie fad, dunkel und wenig einladend. Man „blickt“ durch die Fenster nicht „durch“!
Natürlich ist die Vorlesung keine Plauderei, aber sie muss auch kein Grabgesang sein. Auch ist es eine Fehlannahme vieler Dozenten, dass Gedanken umso gescheiter sind, je umständlicher sie formuliert sind. „How does law work“ und nicht nur „What is law“ müsste mehr unterrichtet werden.

Viele Studenten klagen: „Eine von allen Studenten gemachte schlechte Lehr- und Lernerfahrung ist die häufig am Ohr vorbeirauschende Vorlesung.“ „Die Bedeutung der meisten Anfängervorlesungen ist, dass sie für die Studenten keine Bedeutung haben.“ „Katastrophale Vorlesung“, „Chaos“, „Verlorene Zeit“, „Da liest man besser gleich das Lehrbuch“. – Wirklich? Das sollte nicht so sein!
Im Regelfall können Sie sich darauf verlassen, dass alles, was Ihr Professor in der Vorlesung sagt, schon irgendwo gedruckt steht. Deshalb ist im Grunde die traditionelle Vorlesung seit Gutenbergs Erfindung der Buchdruckkunst im Jahre 1465 überflüssig. Bevor Bücher gedruckt werden konnten, musste sich jeder Student durch die Mitschrift der (Vor-)„Lesung“, bei der der Professor sein Buch „vorlas“, sein eigenes Lehrbuch erstellen. Wer ein Buch besitzen wollte, musste sich selbst eines schreiben. Die Zeiten sind längst vorbei – man muss kein neues Lehrbuch anhand der Vorlesung mehr erstellen, es gibt Hunderte. Und dennoch ist es in der juristischen Vorlesung leider auch heute oftmals noch so, dass die meist eigenen Bücher des Professors durch zwei Köpfe hindurch zu Büchern des Studenten werden: Vom Manuskriptbuch des „Vorlesers“ führt der Weg durch den Dozentenkopf, dann durch den Studentenkopf hin zu vollgeschriebenen Ringbüchern, neuerdings auch Tablets der Studenten.

Die Vorlesung muss mehr bringen als ein Lehrbuch! Das tut sie für den Studenten aber nur dann, wenn er die Vorlesung nicht zur Passivität verdammt, sondern aktiv beteiligt besucht, wenn er die Passivität zur Aktivität ummünzt. Nur gedankenverloren lieb lächeln, wenn man nichts versteht, ist nicht die effektivste Nutzung der Vorlesung. Aufmerksames Zuhören kann aktivere Arbeit sein als aktives Reden. Bienenfleißiges Mitpinnen, Ungeordnetes in den Laptop hämmern oder umtriebig Notizen anfertigen sind eben keine Aktivitäten, sondern Scheinaktivitäten. Vorlesungen bringen den Effekt einer wirkungslosen Zuckerpille, eines Placebos, wenn man nicht ihre Wirksamkeit für sich erhöht. Und schlimmer: Ein diffuses Gefühl des Nichtverstehens, der eigenen Dummheit und eine daraus resultierende stumpfe Angst bleiben meist zurück. Wie ein leichter Kopfschmerz ist diese Regung immer da, wenn man nur zuhört und wenig versteht.

Man sollte sich an den juristischen Fakultäten eingestehen, dass so manche juristische Vorlesung im Vorlesungsverzeichnis des ersten Semesters Sirenengesängen gleicht und es leider nicht genügend Mastbäume gibt, die Jurastudenten daran festzubinden. Auch sollte man sich eingestehen, dass die ständig für die „Güte“ der Vorlesungen ins Feld geführte Überfüllung der Anfängervorlesungen fehlgeht: Der Run auf die Anfängervorlesungen beruht erstens auf Unwissenheit der Studenten über deren Nutzen und zweitens ihrer vermeintlichen Erwartung, etwas „vom Prof“ über die Klausur zu erfahren, fast immer eine Fehlannahme.
Die Verantwortung in der Vorlesung für das richtige Lernen ruht allerdings nicht einseitig auf den Professorenschultern, sondern liegt auch bei den Studenten. Diese Verantwortung kann ihnen niemand abnehmen. Zum Lernen in der Vorlesung gehören eben immer zwei: Der Dozent, der die rechtsdidaktisch gut aufbereiteten Informationen verstehbar liefern sollte, und der Student, der sich aktiv einschaltet, aus den Informationen für sich persönlich seine eigene Erkenntnis ableitet und der dann darauf aufbauend auf seinen selbstgesteuerten Lernpfaden pilgert. Aber ich gebe zu: Es wird Ihnen als Student verdammt schwer gemacht.

Das Paradestück der Ausbildung an den juristischen Fakultäten ist die sog. „Große Vorlesung“, eine Massenveranstaltung mit Hunderten von Studenten in den Kernbereichen der Rechtsordnung. Diesem Wahnsinnswissen, das in diesen Veranstaltungen auf die armen Erstsemest(l)er zuströmt, ist kein Student gewachsen, im Übrigen auch kein Dozent. Der Student kann in diesen ersten Vorlesungen außer ungeordneten und unverstandenen Wissensdaten nur sehr wenig erfassen. Das einfachste juristische Vokabular fehlt ihm und sein rechtswissenschaftliches Niveau ist nahezu Null. Diese „Große Vorlesung“ ist ein Kardinalhindernis auf dem Weg einer guten Juraausbildung, denn sie verschwendet wertvolle Ressourcen aufseiten der Hochschullehrer, der Steuerzahler und besonders der Studenten, denn viele von ihnen gehen der Juristerei gleich hier verloren (siehe Stichwort „Scheitern“). Kein Jurastudent braucht eine „Große Anfängervorlesung“, die kein Abiturient versteht, die nur als das „Vorlesen“ eines Manuskripts oder als das „Herunterbeten“ eines zum x-ten Male gehaltenen Frontalvortrages daherkommt, ohne den „Anfänger“ im Auge zu haben. Studenten können sich gerade bei den „Großen Vorlesungen“ im Hörsaal beim Zweifeln und Nichtverstehen zusehen. Überblick zwecklos! Sie trudeln munter herein und schleichen trübselig hinaus.

Wie sollte die „Große Vorlesung“ sein? – Und was ist die „Große Vorlesung“ tatsächlich?
Praxisnah! – Ist sie nicht. Zu theoretisch und abstrakt.
Klausurenorientiert! – Ist sie nicht. Allenfalls strukturlose Kleinst-Fällchen zur Illustration ohne harte gutachtliche Subsumtionsarbeit.
Wissenschaftlich – Ist sie nicht. Es wird im Wesentlichen reiner Pflichtstoff gelesen, ohne Lehre und Forschung zu verbinden.
Didaktisch! – Ist sie nicht. Bei der Masse von Stoff und Studenten und der mangelhaften diesbezüglichen rechtsdidaktischen Bildung der Dozenten auch unmöglich.
Leidenschaftlich! – Ist sie nicht. Weil von einem Professor, der zum siebten, achten oder neunten Mal seine Vorlesung „liest“, keine Leidenschaft mehr zu erwarten ist.
Was ist sie dann? – Eigentlich überflüssig in dieser Form!! Wie gesagt: Manche Vorlesungen werden so zu leeren und gespenstigen Abstraktionen, da oft der genaue emotionale und geistige Zugriff auf die leibhaftige Zielgruppe, nämlich die Köpfe und Herzen der Erstsemestler, fehlt.

Und dennoch kann ich Ihnen nur empfehlen: Betrachten Sie die Vorlesung als eine „Zeitgenossenschaft“ mit Ihrem Professor. Sie kommen nicht um sie herum. Allerdings: Ohne eine Umsetzung von fremdgesteuerter Vorlesung in selbstgesteuerte juristische Erfahrungs- und Wissensbildung ist die Vorlesung für die Katz! Das eigentliche Lernen findet immer in Ihnen statt. Sie leisten immer die Hauptarbeit. Der Professor sollte allerdings für die notwendigen systematischen Verknüpfungen und Einbettungen sorgen, so dass Sie den neuen Stoff unschwer in Ihr bestehendes Wissensnetz einweben können. Tut er das nicht, müssen Sie es aktiv selber tun!

Was also tun in der Vorlesung? – „Etwas tun!“ – Vielleicht der wichtigste Grundsatz für einen erfolgreichen Vorlesungsstart! Begnügen Sie sich nicht mit der Rolle des passiven Zuhörers, sondern bringen Sie sich aktiv in die Vorlesung ein. Das rein passive Zuhören in Ihren Vorlesungen ist die ineffektivste Art Jura zu studieren. Vordergründig ist so ein Verhalten zwar bequem, für beide Seiten des Katheders, weder der Dozent noch der Student werden gefordert. Aber für Sie ist es reine Zeitverschwendung!

Versuchen Sie den Gewinn aus den Vorlesungen für sich zu optimieren! – Alles ist schwer, bevor es leicht wird! Wer mitmachen will, findet Wege zur Vorlesungsoptimierung, wer nicht will, findet Gründe, sie nicht mitzugehen. 400 Studenten im Hörsaal? – Schlimm genug, aber wichtiger als solche für Sie nicht änderbaren Oberflächenmerkmale ist es, wie ausdauernd und, vor allem, wie intensiv und aufmerksam Sie Ihrer Vorlesung folgen und wie ernst Sie die folgenden Vorschläge nehmen.
I. Hier die wichtigsten Vorschläge zu einer aktiven Vorlesungsoptimierung. Ich verspreche Ihnen: Sie werden nie mehr Nichts verstehen!

1. Bemühen Sie sich von Beginn der Vorlesung an um die Fragen, die Ihnen der Dozent hier und heute konkret beantworten soll.

Sie müssen die juristischen Probleme, juristischer Ausdruck für Fragen, deutlich vor Augen sehen, um deren Lösung in der Vorlesung gerungen wird. Anderenfalls werden Sie einem rechtswissenschaftlichen Fließen von Worten begegnen, das an keinem Thema haftet. Sie müssen wissen, wohin die Reise gehen wird, sonst kommt das Thema in Ihrer Kurzzeitgedächtnis-Erkenntniswelt gar nicht erst an. Die Kurzzeitgedächtnisse arbeiten brutal. Wenn Sie nach einer Vorlesung auf die Frage Ihrer schwänzenden Kollegen „Worüber hat der Professor denn heute geredet?“ verdrießlich antworten müssen: „Das hat er gar nicht gesagt!“, ist die Vorlesung eine Fahrt ins Blaue gewesen – vertane Zeit. Sie wussten gar nicht, wohin Ihr Professor unterwegs war. Sie müssen eine Reiseroute haben!

2. In Vorlesungen ist das einfachste Mittel für Ihr aktives Lernen das Mitschreiben. Das sollten Sie aber sinnvoll tun: nicht Satz für Satz, sondern strukturiert auf „Mitschriftbögen“.

Probieren Sie doch einmal folgende Methode aus: Fertigen Sie sich nach eigenem Gutdünken auf Ihrem Computer Vorlesungsmitschriftbögen an, auf denen Sie mit System und Pfiff eine Schablone zu dem besprochenen Stoff aufbauen. Gut notiert ist halb gelernt! Das hat nach einer gewissen Eingewöhnungsphase drei ganz wichtige, unschätzbare Vorteile, nämlich
erstens, dass Sie besser mitdenken können,
zweitens, dass Sie in Ihrem Kopf ein immer gleiches Abbild schaffen und
drittens, dass Ihnen dieses Gerüst beim Nacharbeiten zu Hause wertvolle Hilfe leistet.

Folgender Vorlesungsmitschriftbogen (A4-Format) könnte Ihr Vorlesungslernen rhythmisieren: Dieser Vorschlag könnte zum Inhaltsverzeichnis jeder Ihrer Vorlesungen werden! Sein Motto lautet: Ordnung und Struktur.

Die Ziffern  bis  dienen der selbstverständlichen Feststellung: Wer hat wann
über was gesprochen?
Wenn Ihnen zum ersten Mal alle Ihre Zettel bei einer Vollbremsung gänzlich durcheinander geraten sind, wissen Sie, wie wichtig Ziffer  ist.
Ziffer  ist nicht ohne Probleme: Jede Vorlesung weist eine innere Struktur auf; diese gilt es zu finden, auch wenn es manchmal sehr schwer fällt! Gelingt es Ihnen nicht, den roten Faden in der Vorlesung zu entdecken, müssen Sie ihn in der Nacharbeit suchen. Orientieren Sie sich dabei an der Gesetzessystematik, an den Paragraphen und an Tatbestandsmerkmalen. Gleichzeitig zwingen Sie sich dabei, Ihre Notizen auch wirklich anzuschauen, wodurch Sie sich eine bestmögliche Wiederholung sichern. Auch ist das Gebot der Verknappung ganz wichtig. Denn je mehr Nebensächliches Sie hier festhalten, desto schwerer fällt es Ihnen, die wirklich wichtigen Punkte klar vor dem geistigen Auge zu sehen. Hier müssen die Punkte auf den Punkt gebracht werden!
Ziffer  weist das größte Problem auf: Was soll ich mitschreiben? Zunächst gilt: Die Kunst, alle zu langweilen, besteht darin, alles zu sagen. Das gilt für Ihren Professor! Die Kunst, nichts zu begreifen, besteht darin, alles mitzuschreiben. Das gilt für Sie als Studenten! Das liegt ganz einfach daran, dass Sie Ihr Gedächtnis und insgesamt Ihr Gehirn beim wortgetreuen Schreiben total ausschalten und sich zum tumben Stenographen, zum Federhalter Ihres Professors degradieren. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass bei der wortprotokollarischen Aufzeichnung 90 % der Wörter für Ihre Erinnerungszwecke unnötig sind. Sie brauchen sie einfach nicht! Die satzförmigen Notizen haben nur zur Folge, dass Sie wertvolle Zeit damit vergeuden, ins gedankliche Stolpern geraten und bald entnervt vom Hinterherhecheln aufgeben. Es ist ganz einfach sinnlos, Wörter niederzupinseln, die keinen Wert für Ihr Langzeitgedächtnis haben! Es ist noch sinnloser, dieselben unnötigen Wörter wiederzusuchen und zu lesen! Es ist absolut sinnlos, ständig mühsam nach denjenigen Wörtern, die Schlüsselfunktionen für Sie haben, im Wirrwarr Ihrer Aufzeichnungen zu fahnden. Zuviel Mitschreiben verhindert das Mitdenken. Nicht wahllos Wort für Wort, sondern nur Wesentliches ist zu notieren. Diesen Blick für die Scheidung von unwesentlich und wesentlich müssen Sie schulen, Sie brauchen ihn für Ihr gesamtes juristisches Leben. Wer gut unterscheidet, lernt auch gut! Das Stichwort für Ziffer  lautet: Inhalt.
Ziffer  dient der Sammlung eigener Erkenntnisse und Ergänzungen sowie offen gebliebener Fragen: Wo steht das besprochene Thema in meinem Begleitlehrbuch? (Skriptum gilt auch!) Wie ordne ich es in die Gesamtstruktur ein? Was findet sich dazu im Gesetz? (Das Gesetz ist der Anfang und das Ende der Juristerei!) Wie ist dieses Gesetz aufgebaut? (Modell Konditionalprogramm, Seziertechnik!) Gelingt mir die einwandfreie Subsumtion oder komme ich (wo?) ins Stolpern? Welche Rechtsprechung gibt es dazu? Was interessiert mich daran am meisten? Ist das Thema einer Vertiefung in der Literatur wert? Kleiner Übungsfall im Gutachtenstil gefällig?
Jetzt denken Sie bitte nicht: Der ist ja aus der Zeit gefallen! Ich habe schon mitbekommen, dass es still geworden ist in manchem Hörsaal, nur das leise Tippen auf dem Laptop oder dem Tablet ist zu hören. Zwischendurch rascheln ein paar Blätter bei den wenigen Studenten, die sich noch mit einem Stift Notizen machen. Tastatur schlägt Stift? – Schlägt Zeitgeist den praktischen Nutzen? Nein! Solange es noch Stift und Papier gibt, sollten Sie sich Ihre Vorlesungsmitschriftbögen ausdrucken und vollschreiben. Schließlich ist Ihre Handschrift viel persönlicher als ein eingetippter Text, ein Stück Ihrer selbst. Zweitens können Sie Ihre Notizen besser sortieren, leichter Ergänzungen an den richtigen Stellen machen, mit schnell gezogenen Strichen, Markierungen und Pfeilen Ihre Gedanken ordnen. Deshalb: Bleiben Sie beim Mitschreiben und nicht beim Mittippen!
Dabei droht allerdings eine große Gefahr: Wenn Sie viel mitschreiben, haben Sie das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Es ist ja so verführerisch, Seite um Seite vollzukritzeln, viel Papier nach Hause zu tragen und sich zu belügen: „Zu Hause, zu Hause – da werde ich alles lernen“. Man tut es nicht! Die studentische Weisheit: „Pinn ich – dann bin ich“ taugt für Sie nicht. Nicht sammeln, stapeln und abheften heißt die Devise für Sie, sondern gewichten, wägen, sortieren und zuordnen.

Das will geduldig geübt werden. Lernen besteht nicht nur aus Neugierde! Es verlangt auch Ausdauer, Übung und handfeste Arbeit! Da ist Routine notwendig, Rhythmisierung unvermeidbar und hilfreich! Alle Menschen haben eine Vorliebe für Rituale, sie verleihen ihnen Sicherheit. Die wiederkehrende, festgelegte Ordnung Ihrer Mitschriften ist ein solches Ritual. Es hilft Ihnen, sich zurechtzufinden. Auf die räumliche Ordnung Ihrer Aufzeichnungen müssen Sie sich verlassen können, soll Ihre juristische Anfängerwelt nicht ins Wanken geraten. Haben Sie die Vorlesungsinfos irgendwo extern gespeichert, ohne sie wiederzufinden, entlasten Sie die Mitschriften überhaupt nicht. Gewöhnen Sie sich deshalb von Anfang an eine einheitliche Mitschrift an, bei der das Datum ebenso seinen festen Platz hat wie der Name des Dozenten und die Überschrift seiner Thematik, also die Frage, um die es hier und heute konkret geht, um das Ziel, zu dem man unterwegs ist.

3. Achten Sie in der Vorlesung auf Gliederungen des Professors!

Wenn er sagt: „Die Frage lässt sich in drei Unterpunkte unterteilen“, notieren Sie un-
ter Ziffer  Ihres Mitschriftbogens „1., 2., 3.“ mit genügend großem Abstand und fügen dann die Kernaussagen stichwortartig ein! Auch dann, wenn er auf 1., 2., 3. nicht mehr zurückkommt. Es gibt viele Lehrende, die oft 1. sagen, ohne jemals 2. und 3. folgen zu lassen.

4. Stimmen Sie sich auf die Vorlesung ein, indem Sie den durchzunehmenden Stoff schon einmal grob vorbereiten! Wer gut vorarbeitet, kann sich gut vorarbeiten im Stoff!

Je intensiver Ihre Vorbereitung, desto besser blicken Sie durch. Sie sollten ganz einfach wissen, was in der nächsten Vorlesung auf dem Programm steht und sich im Lehrbuch ein-arbeiten. Jede Vorlesung knüpft an Voraussetzungen an, deren Kenntnis zum Verständnis notwendig sind. Schon sind Sie aktiv! Hauptsache, Sie haben einen roten Faden an der Hand. Sie haben sich motiviert. Sie sind gespannt, sind auf Empfang. Wo kommt „er“ her – Wo will „er“ hin? In deutschen Juravorlesungen hält man die Vorbereitung leider für Luxus. Ganz anders in den USA. 300 Seiten Text vorher (!) lesen zu müssen, ist für den Studenten dort keine Seltenheit. Und wer den Text nicht beherrscht (Aufrufen und Drannehmen sind die Regel) fliegt! „Zumutung“ und „Eingriff in die akademische Freiheit“ schallt es da von deutschen Hörsaalbänken und Kathedern. Wer so denkt, denkt falsch! Die Vorbereitung ist wichtiger als die Nachbereitung. Vordenken ermöglicht Mitdenken, Vorverständnis schafft Verständnis. Nur diese „Planung“ ist gewinnbringend für die Vorlesung.

5. Hören Sie aufmerksam zu! Versuchen Sie von Beginn an, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen!

Auch Professoren sagen manchmal Unwesentliches. Konzentrieren Sie sich auf Strukturen – nicht auf schöne Formulierungen. Die Vorlesung muss im Moment verstanden werden – es gibt kein Zurückblättern mehr, nur das Nachblättern zu Hause. In der klassischen „großen Vorlesung“ hat der Student eben kaum Gelegenheit dazu, Fragen zu stellen oder gar eigene Überlegungen denjenigen des Professors gegenüberzustellen. Schade!

6. Fragen Sie stets: „Was ist gefragt?“! Und: „Was will er mir damit sagen?“ Und: „Was will mir das Gesetz sagen?“

Alle Argumentationsstränge Ihres Professors sollten an Prämissen des Gesetzes anknüpfen. Wenn nicht, suchen Sie sie selber herauszufinden.

7. Ihre Vorlesungsmitschrift sollten Sie grundsätzlich noch am selben Tage, spätestens am Folgetage, überdenken, nachbereiten und in Reinschrift übertragen, denn dies erbringt den notwendigen Wiederholungs- und Einprägeeffekt.

Hier haben Sie noch die Chance zu rekonstruieren, in wenigen Tagen ist das Gehörte für immer verloren, weg, ganz einfach weg. Die Verankerung der Lehrinhalte im Langzeitgedächtnis ist umso intensiver, je mehr Wahrnehmungskanäle Sie aktivieren. Beschriebene Blätter in Ihrem Ordner nützen gar nichts – der Inhalt muss ins Langzeitgedächtnis. Mitschreiben und in Reinschrift Übertragen öffnen bei Ihnen drei Eingangskanäle: Hören, Schreiben und Sehen des Geschriebenen! Mitschreiben – lochen – abheften darf nicht Ihr Stil sein.

8. Setzen Sie auch in der Vorlesung Baumdiagramme ein! Jedes Gelernte besteht nun einmal aus vorhandenen alten Kenntnissen und dem neuen, bisher fremden Material.

Wichtig ist die Verknüpfung. Übersetzen Sie die komplizierten Strukturen Ihres Professors in Ihre eigene Baumstruktur! Blick nach oben! – Blick zur Seite! – Blick nach unten! Sie wissen schon.

9. Benutzen Sie Kurzzeichen für die Vorlesungsmitschrift!

Etwa so: Def. = Definition; Sub. = Subsumtion; Rspr. = Rechtsprechung; h.M. = herrschende Meinung; Prof. = eigene Meinung des Professors; z.B. = Beispielsfall; K = Kernaussage; Up = Unterpunkt; Arg. = Argument; ? = unklar, fraglich; ! = super, leuchtet ein; § = s. im Gesetz nach; P = Problem. Und schreiben Sie lesbar. Freilich, nicht jeder hat eine Schönschreibschrift, aber das ist auch gar nicht nötig. Zumindest jedoch müssen Ihre Aufzeichnungen für Sie ohne Lupe lesbar sein, damit Ihre Schrift Ihnen nicht selber Rätsel aufgibt. Anderenfalls können Sie das hektische Mitschreiben gleich ganz sein lassen.

10. Als äußere Form empfiehlt sich die Loseblattsammlung per Ordner oder Ringbuch.

Diesen Tipp müssen Sie mit dem vorgeschlagenen, besonders übersichtlich angelegten Modell eines optimalen Vorlesungsmitschriftbogens paaren. Vorlesungsbogen hinter Vorlesungsbogen heften und nummerieren! Sie müssen die Notizzettelmethode aufgeben und für jede Vorlesungsreihe einen gesonderten Sammelordner anlegen. Unübersichtliche Zettelwirtschaft und Mitschriften auf dem nächstbesten Papier sind nutzlos. Derartige Notizen haben die Eigenschaft, sich zu verflüchtigen, denn oft sind sie spurlos verschwunden. Und sollten sie zufällig doch wieder auftauchen, kann man sich überhaupt nicht mehr daran erinnern, in welchen Zusammenhang sie gehören.

11. Neue Begriffe müssen Sie immer notieren.

Zu Hause können Sie diese dann anhand Ihrer Nachschlagewerke klären. Gerade in der Anfängervorlesung werden Sie damit überhäuft. Denken Sie an Ihr etymologisches Lexikon und unsere „Kleine Lateinschule“.

12. Suchen Sie nach der Struktur in der Vorlesung!

Selbst die Vorlesung des schlechtesten Professors muss eine Struktur haben – diese gilt es zu entdecken. Vorlesungen sind manchmal Veranstaltungen, die in der Abstraktion der Begrifflichkeit verharren. Deshalb müssen Sie nicht selten Detektiv spielen, was konkret gemeint ist. Je intensiver Ihre Suche, desto ertragreicher ist der Besuch der Vorlesung für Sie. Drei Fragen an den Professor sollten Sie deshalb unbeirrbar von Anfang an in jeder Vorlesung zu entdecken versuchen:
Woher kommt „er“? – Woran knüpft das Thema an?
Wohin geht „er“?! – Zu welchem Ziel wird das Thema fortgeführt?
Wo steht „er“ jetzt?! – Welchen Platz nehmen die Einzelheiten des Themas im Gesamtbild („System“) meiner juristischen Materie ein?

Die Beantwortung dieser drei Fragen ist wichtig für Sie, damit Sie nicht irgendwo im Nirgendwo auf dem zivilrechtlichen, verfassungsrechtlichen oder strafrechtlichen Vorlesungsozean herumlavieren und verloren gehen. An irgendeinem Punkt steht „der Prof“, von irgendeinem Punkt kommt „der Prof“ und zu irgendeinem Punkt will „der Prof“ hin! Diese Antworten müssen Sie jeder Vorlesung abtrotzen. Das ist spannender als auf dem Smartphone rumzutippen.

13. Eine Vorlesung ist nur mit Nachbereitung fruchtbar, sonst sitzt man nur Zeit ab.

Der schnellen Denkwelt des juristischen Hörsaals müssen Sie mit Hilfe des Ihnen ans Herz gelegten Mitschriftbogens die langsamere Denkwelt Ihrer Studierstube entgegensetzen, welche durch ihre Langsamkeit die Schnelligkeit kompensiert. Inhalte, die unmittelbar im Begriff sind, Ihre Kurzzeitspeicher wieder zu verlassen, können nur so im Langzeitgedächtnis verdrahtet werden. Arbeiten Sie die Vorlesungen nach, ganz wichtiger Tipp!

14. Wie kann man seine bisherigen hinderlichen Vorlesungsgewohnheiten abbauen und sich an die neuen Vorschläge heranwagen?

Sagen Sie sich ganz einfach: „Ich probiere das mit den Vorlesungsmitschriftbogen jetzt einmal zwei Wochen lang aus! Mal sehen, wie das ist!“  „Ich versuche, in jeder Vorlesung die ihr eingeborene Gliederung und Struktur zu erkennen – und mag sie noch so versteckt sein!“  „Ich orientiere mich an den 3 Fragen: Woher kommt ‚er‘, wo steht ‚er‘, wohin geht ‚er‘ anhand meines aufgelisteten kartographischen Erfassungsmittels!“  „Ich bereite mich mal eine halbe Stunde vor und arbeite mal eine Stunde nach. Zeit hätte ich ja!“

Ein letzter Vorschlag: Quälen Sie sich nie durch Vorlesungen, die Ihnen nicht liegen oder die Sie nicht verstehen. Sie behalten einfach nichts. Reine Zeiträuber! Gehen Sie aus dem Hörsaal! Das allein ist die richtige Tat des Studenten!

Beitrag: 35 Wie man seinen Studienalltag planen sollte?

So, dass Sie Ihre Ihnen gestellten oder sich selbst gestellten Studienaufgaben durch zweckmäßige Verteilung Ihrer juristischen „Eroberungsenergien“ effektiv erledigen können.

Da der kluge Jurastudent weiß, dass er nicht über unbegrenzte Quantitäten physischer und psychischer Energie verfügt, folgt er dem Zwang der energieökonomischen Notwendigkeit. Er plant Handlungsabläufe strategisch, geht Bündnisse mit seinen Lern- und Lehrmedien ein und gibt seinem Studienalltag mehr und mehr eine stabile Ordnung, hochtrabend: eine Verfassung!

Sie erinnern sich: Man will wieder anfangen zu joggen, besorgt sich neue Laufschuhe, kann es kaum erwarten, endlich loszulegen. Die Strecke, die man sich vornimmt, ist jedoch viel zu lang, man will mit einem Lauf gleich hundert versäumte Läufe wieder gutmachen. Man bekommt Seitenstechen, beißt die Zähne zusammen, muss sich Meter für Meter ins Ziel quälen. Endlich! Statt sich über einen kleinen Erfolg freuen zu können, denkt man mit Verdruss an das nächste „Jogging“ und sucht bald nach einer plausiblen Ausrede, warum es besser ist, auf die Joggerei gleich ganz zu verzichten. Die Neigung zum Nichtstun wird, wie die Psychologen sagen, „rationalisiert“, d.h. es wird mit „guten (falschen) Gründen“ erklärt, warum man nicht joggt, um damit vor sich selbst und anderen die „wahren Gründe“ zu verbergen. Die Ursachen sind klar: falsche Selbsteinschätzung, Überforderung, zu hoch gesteckte Ziele.

Setzen Sie statt „joggen“ „studieren“ und statt „Laufschuhe“ „Lehrbücher“ ein und Sie erkennen die Parallelität.

Wie Sie Ihren Arbeitsplatz gestalten, ist eine Frage Ihres persönlichen Geschmacks. Wie Sie Ihre Arbeitsplanung vornehmen und wie Sie Ihre Arbeitszeit einteilen, aber nicht: Für diese Außenfaktoren gibt es Regeln und Rezepte. Sich als Jurastudent zu organisieren ist nicht immer einfach. Denn im Jurastudium gibt es nur wenige feste Strukturen. Man muss sie selbst schaffen durch Selbstorganisation wie Vorlesungsoptimierung, Vor- und Nachbereitung, Studienplanung, Lehrphasen alternierend mit Lernphasen, Klausuren- und Falltraining, und stetigem Wiederholen.

Irgendwann kommt jeder erfolgreiche Student zu der Einsicht, dass zum richtigen Studieren neben den Prozessen der juristischen Informationsverarbeitung und -gewinnung in den Lehrsälen und aus den Lehrbüchern auch so profane Dinge gehören wie:
 Strukturierung seines Arbeitstages und Organisieren seines eigenen Studierbetriebes
 sowie Disziplin und Ordnung bei der Einteilung und Einhaltung seiner Arbeitszeit.

Wischen Sie diese Rahmenbedingungen, die großen Einfluss auf Ihre juristischen Studienleistungen haben werden, nicht gleich zur Seite. Patentrezepte gibt es nicht, aber es gibt ein Prinzip und das heißt: verantwortliches Studieren. Dem sollten Sie folgen!

Dazu muss Ihr Studienalltag als erstes eine Struktur bekommen, eine Rahmung, für die Sie vor sich selbst die Verantwortung übernehmen. Keine Beliebigkeit, heute dies und morgen das, mal so und mal anders. Ein guter Studienalltag wird von Routinen getragen. Routinen geben wegen ihres Wiederholungscharakters Sicherheit und Zuverlässigkeit im Studium. Das routinierte, aufmerksame Studieren der Jurisprudenz ist eine enorme Anstrengung, deshalb muss es zeitlich begrenzt und durch Pausen entlastet werden. Wenn Sie sich für eine bestimmte Studienplanung entschieden haben, müssen Sie diese dann konsequent einüben. Bis Ihnen Ihr täglicher Studienrhythmus zur Gewohnheit wird, müssen Sie mit einer längeren Trainingszeit rechnen. Das Bedürfnis nach dem Lernen darf nicht nur wie ein Gast auftreten, der plötzlich erscheint und nach seiner Abreise lange nichts mehr von sich hören lässt, sondern muss sich als Dauermieter bei Ihnen einquartieren. Das ist hart – aber nicht zu ändern. Der gute Vorsatz ist schnell gefasst, aber nur schwer einzuhalten. Die schnelle Begeisterung endet leider bei vielen Erstsemestlern zu häufig in einem Strohfeuer. Sie müssen sich Handlungsstrategien schaffen, die Ihre Studienstimmung und Studienhaltung für das Jurastudium stimulieren und Lernstörungen minimieren.

„Pokern“ Sie ab jetzt mit! Dann bekommen Sie auch kein juristisches Seitenstechen mehr und brauchen nicht irrationale Rechtfertigungen zu suchen, warum es besser sei, auf das juristische Lernen gleich ganz zu verzichten.

Um bei der juristischen Stoffmenge nicht zu resignieren, müssen Sie sich Ihr Studium in Fernziele, Nahziele und Feinziele aufteilen, kurz-, mittel- und langfristig denken und planen.
 Fernziel ist das Bestehen des Examens: Das ist noch weit, weit weg.
 Nahziele sind Ihre begleitenden Semesterleistungskontrollen: Die sind schon näher.
 Feinziele sind Ihre studentischen Tages- und Wochenetappen: Das sind die jetzt entscheidenden Zeiteinheiten.

Auf diese Feinziele kommt es mir hier entscheidend an. Sie müssen sich überlegen, wie sich Ihr Tagespensum (lat.: pensum, das Abgewogene) in sinnvolle und überschaubare Portionen einteilen lässt. Abwägen und gewichten müssen Sie Ihren Tageslernstoff, das bringt Erfolg und damit motivierende Freude. Ein solches portioniertes Lernen wirkt wie ein Verstärker, denn Ihr Lernen wird nicht nur erfreulicher, sondern auch wirksamer, weil es aus einer Kette von Erfolgserlebnissen besteht. Jeder Tagesetappensieg belohnt Sie innerlich. Kein Student darf am Abend so ins Bett gehen, wie er am Morgen aufgestanden ist – er muss schlauer geworden sein, einen juristischen Mehrwert erfahren haben. Lernerfolge erhöhen die Lust an der Juristerei am meisten und heben die Stimmung. Sie sind für Sie die größten Motivatoren. So entsteht gleichsam von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche eine Kettenreaktion von Erfolg zu Erfolg, bei der sich Ihr Lernen von selbst belohnt.

Die folgenden Zeitpläne sind Hilfsmittel zur Strukturierung Ihres effektiven Studierens. Sie müssen lernzielorientiert und nachprüfbar sein. Sie müssen Ihre Pläne zu Ihren eigenen Studien-Instrumenten machen!

Das Wochenende darf nicht ausschließlich Freizeit sein. Zerlegen Sie Ihr Wochenende in vier Einheiten: Samstagvormittag, Samstagnachmittag, Sonntagvormittag, Sonntagnachmittag. Ein Viertel dieser Wochenendzeit müssen Sie mindestens (Minimum) für Ihr Studium zur Verfügung stellen. Nutzen Sie dieses Viertel als Pufferzeit zur Nachholung von Lernausfallzeiten in der Woche. So vermeiden Sie Unlustgefühle, die auftauchen, weil Sie Ihren Wochenplan nicht eingehalten und Ihre Lernziele nicht erreicht haben. Den „Idealplan“ kann man oft nicht einhalten. Wohl aber von vornherein einen „Realplan“. Sollte sich auch dieser Realplan einmal als undurchführbar erweisen, so verlegen Sie das Lernen des ausgefallenen Stoffes eben auf die Wochenendeinheit. Im Übrigen kann das „Minimum 1/4“ der Wiederholung dienen. Je weiter Ihr Lernprozess fortschreitet, desto mehr „Viertele“ des Wochenendes werden Sie opfern müssen.

Klar, auch Misserfolge werden sich einstellen: Das Pensum war zu schwer, das Ziel der Lerneinheit noch zu weit entfernt. Unter keinen Umständen verbohren Sie sich aber in Ihren Misserfolg. Solch ein Verhalten senkt die Motivation auf den Gefrierpunkt und vermiest Ihnen den ganzen Tag. Weglegen! Mut zur Lücke im Tagespensum! Am nächsten Tag mit neuer Kraft (und vielleicht neuem Lern-Medium?) zu neuen Taten! Mit den verdaulichen Tagesportionen nehmen Sie Ihrem Tagesablauf etwas von seinem „Wurschtel-Charakter“. Schenken Sie sich im Übrigen reinen Wein ein: Sie müssen es ganz einfach einsehen, dass eine verfasste Tageseinteilung richtig, sinnvoll und nützlich ist – und: kleine Erfolge für Sie bereithält: „Ich habe in der von mir selbst gesetzten Lerneinheit etwas gelernt.“ „Ich kann jetzt mehr als vorher“.

Entwickeln Sie für sich ein „Studienalltag-Optimierungs-Programm“!

Legen Sie fest, zu welchen Zeiten Vorlesungsstunden und wann Eigenstudien stattfinden sollen. Nicht immer wieder neu planen, sondern einmal für das ganze Semester. Sie müssen dann nicht jeden Tag und jede Woche neu entscheiden, ob und wann und wie Sie lernen wollen. Die Studienpläne der Fakultäten gehen von 18 bis 24 Wochenstunden an Vorlesungen aus. Die Erfahrung der examinierten Experten geht von der gleichen Zeit an Nach- und Vorbereitung aus. Maximal also 48 Wochenstunden zu 45 Minuten-Einheiten. Also 36 Zeitstunden-Einheiten (Anm.: 48 x 45 = 2160 Minuten = 36 Stunden). Also ca. 7 Zeitstunden täglich. Davon mindestens eine zweistündige eigenständige Lerneinheit im „Kämmerlein“. Hinzukommen sollten am Wochenende 5 Zeitstunden zur Wiederholung. Das ist zu schaffen.

Ziehen wir das Fazit zu Ihrem Studienalltag:
Ein Jurastudium verlangt bereits im 1. Semester vollen Einsatz. Ein erfolgreiches Jurastudium hängt von einem erfolgreichen Start ins Jurastudium ab.
Ihr oberstes Ziel muss sein: täglich 6 bis 8 Stunden Vorlesung und Eigenstudien, netto, nach Abzug aller Pausen, Wege und Gespräche. Darunter leidet zwar etwas Ihre Lebensqualität, hebt aber Ihre Lernqualität.
Der Tagesplan soll Ihnen den entscheidenden Erfolg für diese allmähliche Entwicklung Ihres individuellen juristischen Lernverhaltens ermöglichen.
Der Wochenplan soll Ihnen helfen, die juristischen Tätigkeitsschwerpunkte für die fünfeinhalb Tage festzulegen, zu planen und zu kontrollieren.
Beide „Pläne“ müssen mit Ihren Freizeitinteressen und anderweitigen Verpflichtungen abgestimmt und realistisch gewichtet werden.
„Jurafrei“ sind die Abende und drei Viertel der Wochenenden.
 Der beste Masterplan taugt allerdings nichts, wenn er in der Schreibtischschublade verschwindet.
 Streben Sie unbedingt eine Rhythmisierung an! Aus einer Regelmäßigkeit entwickelt sich eine günstige Lerngewohnheit (Automatisierung).
 Haben Sie Ihr Soll einmal nicht erreicht, sind Sie noch lange kein Versager, sondern ein „Nächstes-Mal-mach-ich-es-besser-Typ“.
 Entwickeln Sie eine Art von „Jobmentalität“! Sie sollten sich mehr als Manager Ihres kleinen „Unternehmens Jurastudium“ mit Projektzielen und festen Arbeitseinheiten verstehen.
 Machen Sie sich keine Illusionen! Man soll seine Vorausplanungen und Präparationen nicht überschätzen.
 Rechnen Sie eher mit einem Minimum an verfügbarer Zeit (Zeitfresser lauern überall)!
 Rechnen Sie eher mit einer abgeschwächten Motivation Ihrerseits (alles andere ist ja dringender)!
 Rechnen Sie eher mit einer schmalen Palette verfügbaren, behaltenen Wissens (alles schon wieder vergessen)! Der Kampf gegen das Vergessen ist noch nicht gewonnen!
 Rechnen Sie eher mit weniger didaktischer Kompetenz Ihrer juristischen Lehrmeister (verstehe ich nicht)!
 Machen Sie keine Sonntagsplanung, sondern eine Alltagsplanung!
 Eine realistische Studieneinteilung schafft motivierende Erfolgserlebnisse. Eine unrealistische Arbeitseinteilung verfehlt die überzogenen Ziele und ist damit demotivierend und entmutigend.
Im Gegensatz zu manch einem studentischen Vorurteil: Zeitpläne schaffen Freiräume und verstopfen sie nicht.
Sie sollten Ihre Zeitpläne in ein Ringbuch heften. Das bringt Ihnen die notwendige Kontrolle.
Sie müssen Ihre Planvorgaben kontrollieren und abschließen! Immer wieder neu anzufangen, bringt nichts.
Die Pläne sollten Sie an Ihren Lerntyp anpassen: Tagmensch – Nachtarbeiter, Lerche oder Eule

Das alles zusammen unterscheidet Ihren erfolgreichen Studienalltag vom erfolglosen zufälligen Studienalltag Ihrer Kommilitonen. Wenn Sie am Abend erledigt, aber unzufrieden sind, haben Sie etwas falsch gemacht.

Zum Schluss: Hart, aber herzlich: Semesterferien sind keine „Ferien“. Sechs Wochen sind okay, der Rest fällt auf Praktika, Hausarbeiten und … das Wiederholen. Es heißt in der Studienordnung schlicht „vorlesungsfreie Zeit“, lediglich im Studentenjargon heißt es „Semesterferien“.

Beitrag: 36 Wie eine lernerfolgreiche jurastudentische Lerneinheit aussieht?

Nichts versäumt der junge Jurastudent so unwiederbringlich wie die Gelegenheit, die sich täglich zum Lernen bietet. Eine solche Gelegenheit ist die juristische Lerneinheit.

Wichtig ist, dass Sie Ihren Studienalltag strategisch in „spannende“ Lerneinheiten einteilen. Das unterscheidet Ihren verfassten Tag vom zufälligen Lernen. Unter einer juristischen Lerneinheit verstehe ich eine abgeschlossene zweistündige konzentrierte Lernphase, in der das Juragedächtnis gefüttert wird. Wenn das Wissen bei der Vorlesung stehen bleibt, löst es sich alsbald in Nichts auf. Sie müssen deshalb schnell die Kraft erzeugen, Ihr eigener juristischer Lehrer zu sein, um das Wissen in Ihrer Erinnerung festzuhalten. Diese Kraft wird ins Rollen gebracht durch selbst geplante und eigen verantwortete Lerneinheiten. Sie liefern die Kriterien für die zieladäquate Verlaufsform Ihrer Wochenplan- und Tagesplanziele. Durch deutlich hervortretende Zäsuren in der Abfolge „portionierter“ Lerneinheiten gewinnt der Studienalltag seine Kontur. Machen Sie sich dabei eine wichtige Erfahrung zunutze: Das „Streben nach Abgeschlossenheit des Vorgenommenen“ ist ein auch im studentischen Gedächtnis tätiges Grundprinzip menschlichen Handelns: Man will Leistungen zum Abschluss bringen. Gerade eine Zwei-Stunden-Lerneinheit ist ein solches nach Abgeschlossenheit strebendes Ziel. Das macht sie für uns so wertvoll. Statt mit viel Mühe nichts zu schaffen, sollten Sie schnell den Umgang mit sich beim Lernen lernen. Anders geht es leider nicht! Am Anfang hilft schon die Erkenntnis, dass man sich nur kurz überwinden muss, um mit der Arbeit zu beginnen. Wenn Sie wissen, dass nur die ersten zehn Minuten so schwer sind und es danach immer leichter fällt, am Ball zu bleiben, können Sie sich viel besser an die Skripten und Bücher setzen. Akademische, studentische Freiheit setzt immer voraus, dass man zur Freiheit fähig ist. Und Freiheit bedeutet, Freiheit zur Entscheidung! Entscheiden Sie sich für einen „verfassten studentischen Arbeitsalltag“ mit seinen „Zwei-Stunden-Lerneinheiten“.

Ihr Agieren an Ihrem Arbeitsplatz muss in einer solchen „Zwei-Stunden-Lerneinheit“ eine innere Bewegtheit, eine Spannung, eine gewisse Dramatik für Sie entwickeln. Nehmen Sie sich immer nur eine Lerneinheit vor und hören Sie nie auf, bevor Sie sie erfüllt haben. Jede Lerneinheit sollte auf einer anderen aufbauen und die nächste vorbereiten. Jede Lerneinheit sollte als eine 2-Stunden-Lern-Einheit inszeniert werden. Jede Lerneinheit sollte ein Ziel haben. Und: Jede Lerneinheit braucht eine halbstündige Pause.

1. Zuerst kommt die motivierende Eröffnung mit ihren anregenden Momenten:

An der Spitze steht die Frage: „Was will ich genau lernen?“ – Ist diese Frage geklärt, richtet sich die Aufmerksamkeit nämlich ganz von selbst auf jene Dinge, die für diese Lerneinheit wichtig sind. In dieser öffnenden Phase geht es um Ihre Aktivierung. Sie sollten sich in dieser Zeit in eine Erwartungshaltung versetzen, die kurz, konzentriert und logisch zwingend zum anvisierten Stoff ist, ohne schon wesentlichen Kraft- und Zeitverbrauch mit sich zu bringen.

Stellen Sie sich dazu die folgenden vier Fragen:
1. Was weiß ich schon über dieses von mir zu bearbeitende juristische Gebiet?
2. In welchem systematischen Zusammenhang steht es in meinem Baumdiagramm?
3. Was interessiert mich daran besonders?
4. Finde ich „Andockpunkte“ im Langzeitgedächtnis?

Nehmen wir als Beispiel wieder den „Vertrag“

1. „Was weiß ich über das Gebiet?“
Verträge, Verträge …? Schon oft gehört! Kaufvertrag, Mietvertrag, Erbvertrag, Übereignungsvertrag! Gesellschaftsvertrag! Ehevertrag! Scheidungsvertrag! Der Vertrag scheint ein wichtiges Steuerungs- und Gestaltungsmittel des Privatrechts zu sein. Aber wie kommt er genau zustande? Der Zweck meines Kaufvertrages mit einem x-beliebigen Verkäufer V ist es, einen Rechtserfolg herbeizuführen, nämlich mir den Anspruch auf Eigentumsverschaffung aus § 433 Abs. 1 BGB und V den Anspruch auf den vereinbarten Kaufpreis zu verschaffen, § 433 Abs. 2 BGB. Dieser Rechtserfolg tritt ein, weil er von uns Beiden so gewollt ist und weil die Rechtsordnung diesen Rechtserfolg in § 433 BGB anerkennt. Die Handlungen, die diesen Rechtserfolg herbeiführen, sind Willenserklärungen: Angebot und Annahme, die Achse des Vertrages.
2. „In welchem rechtlichen Zusammenhang steht der Vertrag?“
Er steht generell im allgemeinen Teil des BGB (§ 145 ff. BGB)! Der allgemeine Teil des BGB enthält die gemeinsamen Grundlagen für alle privatrechtlichen Lebens-(Rechts-)Verhältnisse, das Basis-Wissen, also die vor die Klammer des Privatrechts gezogenen Zankäpfel. Es gilt damit für alle folgenden vier (mit HGB fünf) (mit Arbeitsrecht sechs) Bücher. Wie in der Mathematik!
3. „Was interessiert mich am Vertrag besonders?“
Wenn das BGB die Regeln über das Zustandekommen eines Vertrages vor die Klammer zieht und diese um den Begriff des Rechtsgeschäfts in dem § 145 ff. BGB gruppiert, dann gelten diese Regeln ja für jeden Vertrag – egal ob im Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht oder im Erbrecht. Alle Verträge kommen auf die gleiche Art und Weise zustande? Das müssen ja tolle Regeln sein, die den Vertrag und damit das „Vertragen“ im Recht hervorbringen – vom Brötchenkauf beim Bäcker Kraus bis zum Big Deal eines Handelsvertrags zwischen Deutschland und Russland!! („Vertrag“ kommt von „vertragen“? – Im LZG verstauen!) Brötchenkauf – Ehevertrag – Handelsvertrag – Erbvertrag – alles dasselbe?
4. „Habe ich Andockstellen im Langzeitgedächtnis?“
Haben Sie schon Assoziationsglieder, Pakete oder Kommoden, an die Sie anknüpfen, andocken können? Welche Schubladen sind schon aufgefüllt, welche Pakete gepackt? (Und welche (leider!) nicht?) Jetzt folgt die Einordnung.

Die in Ihrem Kurzzeitgedächtnis anlandende externe Information „Vertrag“ würde nach wenigen Sekunden verlöschen, wenn sie nicht sehr schnell auf eine in Ihrem Langzeitgedächtnis kreisende interne Information stoßen würde. Der „Vertrag“ muss als Suchhinweis im KZG für etwas Folgendes im LZG den Reflex darstellen. Diese folgende – alte – Information, die nunmehr auf den Abrufreiz „Vertrag“ reagiert, müssten die Informationen „Rechtsgeschäft“ und „Willenserklärung“ sein. Diese Begriffe müssen als erste Elemente „fest gemauert“ im LZG verankert sein, um als Urglieder für Ihre oben gelernte „Assoziationskette Vertrag“ dienen zu können. Das Urglied muss immer sofort reproduzierbar sein. Im BGB beginnt die Assoziationskette „Vertrag“ mit dem ersten Glied: „Rechtsgeschäft“. Mit irgend einem Abrufadressaten muss man beginnen, da hilft Ihnen niemand! Zentraler Ausgangspunkt sind also das Rechtsgeschäft und die Willenserklärung. Die juristische Zauberwelt wird wesentlich durch Rechtsgeschäfte und deren Kinder, die Willenserklärungen, gesteuert.
Also: Der Suchhinweis „Vertrag“ im KZG reizt die im LZG bereits vorhandenen Assoziationsglieder: „BGB“  „Allgemeiner Teil“  „Rechtsgeschäft“  „Willenserklärung“ – und koppelt an.

Tipps zur Aktivierung für Ihre Eröffnung:
● Konzentrieren Sie sich! Stimmen Sie sich ein! Motivieren Sie sich: „Ich will jetzt etwas Neues lernen.“
● Inhaltsverzeichnis des Lehrbuchs/ Skripts aufschlagen und das Gebiet dort in seinem Umfeld aufsuchen! Nehmen Sie die Konfrontation mit dem neuen Gegenstand vor! Um was soll es gehen?
● Zwei Kapitel davor – zwei Kapitel dahinter nur in den Überschriften lesen! In welchem systematischen Zusammenhang steht das Neue?
● Lerneinheit in Ihr „Jura-Baumdiagramm“ einpassen! Was hat „das Neue“ für einen Platz in meinem „Jura-System-Diagramm“? Blick nach oben, Blick nach unten, Blick zur Seite!
● Unbedingt Gesetz aufschlagen! Es sollte aufgeschlagen neben Ihnen liegen bleiben! Wo steht es?
● Einschlägige Paragraphen vorweg genau mit dem Zeigefinger lesen und sezierend auseinandernehmen.
● Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolge entkomplizierend herausarbeiten! Wenn was vorliegt, dann tritt was ein? (Konditionalprogramm)
● In welchem Abschnitt und Titel des Gesetzes stehen die neuen Paragraphen? (Gesetzliche Systematik!)
● Fragen Sie schon mal ganz leise nach dem Grund, dem Télos des neuen Lernstoffes. Was soll das bringen? Was hat sich der Gesetzgeber wohl gedacht?

2. Es folgt die Anspannungsphase:

Es kommt der Höhepunkt Ihrer Lerneinheit, auf dem Sie mit dem neuen Lehrstoff durch das „Bekanntschaftsarrangement“ Ihres Lehrbuchs bzw. Skripts zusammenkommen – mal besser geführt, mal schlechter. In diesem Moment der Anspannungsphase müssen Sie sich mit den neuen Lehrinhalten vertraut machen. Dabei genügt eine oberflächliche Behandlung nicht. Wenn man hier nicht ehrlich sich selbst gegenüber vorgeht, ist die Chance für eine ergiebige Sachbegegnung verpasst. Es geht nicht ohne Verweilen, ohne Abziehen der Gedanken von allem anderen, zumindest für eine Zeit lang. Ohne ein konzentriertes Versenken in die neue juristische Materie klappt es nicht! Seine Aufmerksamkeit kann man in der Regel nur einer Sache zuwenden.

Tipps für die Begegnung mit dem Neuen:
● Höchste Konzentrationsphase! (Tunnelblick!)
● Lehrbuch oder Skript langsam lesen, Zeile um Zeile ohne Eile, Wort um Wort; am besten mit begleitendem, öfter verweilendem Zeigefinger! (Zeigefingerlernen)
● Markierungen farblich vornehmen! (Buntstiftlernen) Gefällt mir: gelb; versteh ich nicht: rot; Definitionen: grün – oder so. Und immer dieselben Farben verwenden.
● Jedes unbekannte Fremd- oder Fachwort im Duden nachschlagen! (Lexikonlernen.)
● Auch deutsche Wörter, die Tatbestandsmerkmale sind, im etymologischen Lexikon suchen! Aber immer nur das eine Wort, nicht etwa noch zehn weitere. Von Interesse ist nur Ihr Pensum! Das „Etymologische“ ist wichtig, um sämtliche begrifflichen Komponenten des Tatbestandsmerkmals zu erfassen, seinen Wortkern und seinen Worthof. (Herkunft der TBMe)
● Sämtliche erwähnten Paragraphen lesen! („Den kenn ich ja“, gibt es nicht.)
● Streng den Blick zum Gesetzestext halten und den Lehrbuchtext ständig am Gesetzestext messen und kontrollieren! Das Gesetz ist das Zentralgestirn, um das alles Lernen kreist. Es ist immer der Mittelpunkt Ihrer Lerneinheit – Sie sind sein ständiger Begleiter. Was Sie aus dem Gesetz sichtbar an Text nehmen können, das nehmen Sie; das „Unsichtbare“ und „Ewige“ nehmen Sie aus den Auslegungsmethoden! (Gesetz steht im Mittelpunkt)
● Eindringliche Auseinandersetzung mit dem Zweck des zu lernenden Rechtsinstitutes. „Was soll das?“; „Wozu ist das gut?“; „Hätte ich das als Gesetzgeber auch so gemacht?“ (Ratio und Tèlos des Gesetzes)
● Schwierige Sätze dreimal lesen! (Verweilen statt eilen.)
● Nach einem Abschnitt innehalten! Grund: Der Lehrinhalt des Abschnitts soll sich zur allgemeinen Erkenntnis im Langzeitgedächtnis verdichten, sich setzen, sich vertiefen. Machen Sie mal die Augen zu! Reflektieren Sie! (Stillphase)
● Wiederholen Sie das Gelesene im Selbstgespräch zur Ergebnissicherung! Hierbei entdecken Sie Verständnisschwierigkeiten, hier werden Sie veranlasst, Verdeutlichungs-versuche zu starten. Fragen Sie sich selbst ab! (Lerndialog mit sich selbst führen)
● Erstellen Sie eine eigene Gliederung des Gelesenen unter Zuhilfenahme des Lerntextes. (Rahmen Sie alles in ein Schema!)
● Zwingen Sie sich zur Anlegung eines System-Baumdiagramms. Bestimmt, es geht immer! Lassen Sie Früchte an einem Erkenntnisbaum wachsen! (Baumdia-gramm)
● Rekapitulieren Sie die Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen mit ihren begrifflichen Inhalten! (Wiederholung)
● Überhöhen Sie das Gelernte durch einen Merkspruch, eine Eselsbrücke. (Langzeitgedächtnis aktivieren!)
● Vergleichen Sie das Gelernte mit Bekanntem, Ähnlichem! Nehmen Sie bewusst Vergleiche vor! (Parallelen suchen)
● Stellen Sie die Rechtsfolge der Norm noch einmal klar heraus! (Blick auf das „Dann“)

3. Zum Schluss steht der Lernabschluss – der Abschwung:

Hier überragt die Kontrollfrage: „Kann ich jetzt über das in der Anspannungsphase juristisch Gelernte frei verfügen?“ „Ist der Nebel über diesem Paragraphenfeld klarer geworden?“ Sie müssen vor sich selbst ganz ehrlich Rechenschaft ablegen, ob Sie sich den juristischen Lerngegenstand zu „eigen“ gemacht haben, ob er wirklich Ihrem Langzeitgedächtnis „gehört“, so dass Sie zukünftig als „Juristischer Eigentümer“ frei darüber verfügen können. Lesen Sie noch einmal die durchgenommenen Paragraphen nach, lassen Sie sie auf der Zunge zergehen. Vielleicht sind Sie motiviert für eine weiterführende Entdeckungsreise. Wenn ja, dann nehmen Sie jetzt den grauen „Palandt“-Kommentar oder den rosaroten „Schönke-Schröder“ zur Hand und stöbern darin ein bisschen über das Gelernte herum.

4. Und jetzt halten Sie bitte für einen Moment inne!
Sie sollten sich jetzt konzentrieren und mit mir nach dem Abschwung acht Schritte der Sammlung gehen: Nennen Sie es, wie Sie wollen, ich nenne es „Jura-Yoga“. Jedenfalls: Es hilft zu behalten! 1. „Ich finde eine entspannte Körperhaltung.“ – 2. „Mein Atem fließt ruhig und regelmäßig“ – 3. „Ich nehme die Geräusche meiner Umgebung wahr.“ – 4. „Ich lasse sie los und achte auf meinen Atem.“ – 5. „Ich verspüre die Ruhe in mir.“ – 6. „Ich schließe die Augen und höre, was in mir ist, höre ausschließlich auf das Gelernte.“ – 7. „Ich hole die Lerneinheit in drei Leitsätzen zurück.“ – 8. „Ich komme langsam zurück.“

5. Eine Pause haben Sie sich jetzt verdient.

Zwei Stunden sind vorbei – eine Zwei-Stunden-Lerneinheit ist beendet. Nicht nur effektives Lernen will gelernt sein, sondern auch effektives Pausenmachen. Je strikter man die Pausen einhält, desto mehr nimmt die Zahl der unbewussten Pausen – kurzes Abschalten lässt sich nie vermeiden – ab. Zum anderen kommt bei genauer Pausenplanung eine gewisse Endspurtmentalität vor der Pause hinzu, die Sie beim Lernabschluss noch einmal auf Höchstleistung bringt. Am Anfang jeder Pause machen Sie sich dann klar, dass Sie einen Teil Ihres Jura-Tages-Lernprogramms hinter sich gebracht haben. Bei jeder weiteren Pause wird dieser Teil größer, der noch vor Ihnen liegende immer kleiner. Diese kleinen Erfolgserlebnisse helfen sowohl bei der genüsslichen Entspannung während, als auch beim erneuten Lerneinstieg nach der Pause. Lassen Sie sich keinesfalls durch die Menge der noch auf dem Tagesplan stehenden Aufgaben aus der Ruhe bringen – wichtig ist nur, dass Sie einen Teil des juristischen Tagespensums planmäßig erledigt haben und im Rhythmus sind. Da Sie den Sinn der Pause kennen, brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben. Denn: Arbeitszeit ist Lernzeit plus Pause! Es bringt überhaupt nichts, die Lerneinheiten krampfhaft zu verlängern, indem Sie Pausen streichen. Massiertes Lernen bis zur Erschöpfung („Der Tag hat 24 Stunden, und wenn das nicht reicht, nimm die Nacht dazu!“) ist ineffektiv. Gönnen Sie sich etwas in der Pause. Man lernt besonders gut, wenn das Gehirn eine Belohnung erwartet. Denken Sie aber auch daran, dass zu angenehme Pausenaktivitäten die Gefahr in sich bergen, die juristische Arbeit nicht wieder aufzunehmen!

Zum guten Schluss noch drei Tipps zum Wohlfühlen:

Lernen Sie die Bereiche, die Sie als schwierig empfinden, am Anfang oder Ende Ihrer Lerneinheit. Das Gehirn merkt sich frühe Dinge und solche am Ende besonders gut. „Der erste Eindruck und die Art des Abschieds“ bleiben haften. Jeder Filmemacher weiß das!
Wenn Sie in einen „Flow“ geraten, unterbrechen Sie ihn möglichst nicht. Einen Flow erreichen Sie, wenn Sie aktiv mitdenken, alles um sich herum vergessen und ohne Druck lesen oder schreiben. In einem solchen („Glücks“-)Zustand steigern Sie Ihre Aufnahmefähigkeit erheblich. Leider selten, aber produktiv!
„Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist“. Diese Weisheit ist auch für Ihre Lerneinheit Gold wert! Schließen Sie, wenn immer möglich, mit einem Erfolgserlebnis ab! Das heißt, immer dann, wenn Ihr Körper dank seiner Hormone Ihrem Geist aufgrund von Verstehen Vergnügen bereitet hat. Der Abschluss auf einem Tiefpunkt schadet der neuen Lerneinheit.

Vor einiger Zeit las ich einen Bericht über ein 9-jähriges Mädchen, das als Einzige einen Schiffsuntergang in den Philippinen überlebte, indem es schwimmend eine Zehnmeilenstrecke überwunden hatte. Am Ufer wurde es entkräftet, aber gesund gefunden. Niemand konnte sich erklären, wie das Mädchen es fertig brachte, diese Mammutstrecke aus eigener Kraft zurückzuschwimmen. „Ganz einfach“, sagte das Mädchen den verblüfften Reportern, „Ich wusste die Richtung, und dann bin ich einfach losgeschwommen. Immer habe ich gedacht: Jetzt noch einen Schwimmzug und dann wieder einen. Ich habe immer nur an den nächsten Schwimmzug gedacht und dann wieder an den nächsten Zug. Und auf einmal war ich an Land.“ Also: Ihre Richtung ist klar – erfolgreiche juristische Ausbildung! Und jetzt – Lerneinheit um Lerneinheit! Und auf einmal sind Sie am Ziel.

Beitrag: 37 Zur Übung – 2 Klausuren als Musterbeispiele für die juristische Gutachten-Kunst

Denken Sie daran: Erkläre es mir, und ich vergesse es! Zeige es mir, und ich kann es wiederholen!! Lass es mich tun, und ich habe es verstanden!!! Tun Sie mit!

1. Klausur

Der Tod hindert nicht

30. September
Bei Rechtsanwalt Norbert Redlich erscheint der Student Horst Heinen, wohnhaft Neusser Str. 111 in 70569 Köln-Fühlingen, und erklärt:
„Ich komme, um mich beraten zu lassen in einer Auseinandersetzung mit dem Sparkassenangestellten Thomas Meier, wohnhaft Bonner Str. 17 in 70333 Köln. Herr Meier weigert sich, mir eine Schallplattensammlung zu überlassen, die ich noch von seinem verstorbenen Vater, Herrn Ludwig Meier, gekauft habe.
Hintergrund ist folgender:
Der Vater von Thomas Meier inserierte am Mittwoch, dem 11. September, im Kölner Wochenblatt eine Anzeige mit folgendem Text:

Ich hatte schon lange auf solch ein Angebot gewartet und habe daher noch am selben Tage dem Ludwig Meier geschrieben, dass ich sein Angebot aus der Zeitung für 200 € annehme. Ich war sehr gespannt und wartete täglich auf die Platten, die jedoch nicht kamen. Statt dessen erreichten mich am Montag, dem 16. September, gleich zwei Briefe des Ludwig Meier. Zuerst habe ich den älteren Brief, der vom 13. September stammte, gelesen. Darin schrieb er, dass er mir die Sammlung für den angebotenen Preis nicht lassen könne, aber bereit sei, sie für 250 € an mich zu verkaufen. Ich war natürlich sehr verärgert und musste mich erst mal beruhigen. Den zweiten Brief – er stammte vom Samstag, dem 14. September – habe ich daher erst einige Zeit später gelesen. Dort stand nun sogar, wegen der großen Nachfrage verlange er nunmehr einen Preis von 300 €, sein Brief vom Vortage sei deswegen gegenstandslos. Ich war, wie gesagt, sehr verärgert und enttäuscht, aber dann habe ich mir gedacht, dass auch 300 € für die wunderbare Musik nicht zuviel seien. Wissen Sie, Herr Redlich, dagegen ist die heutige Hardrock-Musik – wie sie z.B. auf unseren Hochschulfesten oft gespielt wird – doch zumeist nur ein viel zu laut gespieltes einfallsloses Gedröhne.
Also, ich habe etwas überlegt und dann am Mittwoch, dem 18. September, dem Ludwig Meier geschrieben, dass ich seine beiden Briefe erhalten hätte und die Sammlung für 250 €, notfalls sogar für 300 € kaufen, aber einen noch höheren Preis nicht akzeptieren würde.
Nachdem ich daraufhin über eine Woche von Herrn Meier nichts mehr gehört hatte, bin ich am Samstag, dem 28. September, in dessen Haus nach Köln gefahren. Dort musste ich erfahren, dass Ludwig Meier am Sonntag, dem 15. September, gestorben und Thomas Meier sein Alleinerbe ist.
Dieser Thomas Meier weigert sich nun, mir die Platten zu überlassen mit der Begründung, er habe meinen letzten Brief erst am 26. September erhalten und in der Zwischenzeit die Sammlung schon einem anderen Interessenten versprochen. Ich habe ihm daraufhin anhand des Poststempels auf dem Briefumschlag von jenem Tage sofort beweisen können, dass ich den Brief schon am 18. September aufgegeben hatte. Darauf meinte Herr Meier nur, ich könne ja die Post wegen ihrer Bummelei für die Sache haftbar machen.
Ich möchte die Sammlung und das Plakat jetzt endlich haben und will den Thomas Meier notfalls verklagen.“

Aufgabe (Fallfrage):
Stellen Sie in einem Gutachten dar, ob eine Klage des Horst Heinen Aussicht auf Erfolg hat.

Lösungsvorschlag
Bei jeder Lösung eines „Falles“ haben Sie ein juristisches Gutachten zu erstellen. Die hierfür notwendige Arbeitsweise will ich Ihnen im Folgenden – am konkreten Fall – noch einmal kurz ins Gedächtnis rufen.
Bei der Erstellung jedes Gutachtens sollten nacheinander die nachfolgenden
7 Blicke geblickt werden (unsere „Glorreichen Sieben“ aus „Juristische Entdeckungen – Band I“):
1. Erfassen des Sachverhalts
2. Auslegen der Aufgabenstellung
3. Aufsuchen der Anspruchsgrundlagen
4. Zerlegen der Anspruchsgrundlage in ihre TBM’s
5. Subsumtion des Sachverhalts unter die TBM’s
6. Anfertigung eines Lösungsplans (Skizze)
7. Erstellung der Reinschrift des Gutachtens

Dazu nun im Einzelnen:
1. Blick: Erfassen des Sachverhaltes
Lesen Sie den Sachverhalt mehrfach durch, bis Sie sicher sind, alle Einzelheiten erfasst zu haben. Markieren Sie wichtige Passagen mit Textmarker! Es kann aus meiner Erfahrung nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, dass dieser so harmlos klingende Prüfungspunkt nicht ernst genug genommen werden kann.

Aufheller: Zeichnung, Chronologische Tabelle

Zeichnung:

Zeitstrahl oder chronologische Tabelle
(Zusammenstellung der wichtigsten Daten)
● 11.09.: Inserat
● 11.09.: „Annahme“ durch Horst
● Zwischen 11.09. und 13.09. muss Zugang erfolgt sein
● 13.09.: Erstes Schreiben Ludwig („Nein! Aber“)
● 14.09.: Zweites Schreiben Ludwig („Jetzt 300“)
● 15.09.: Tod des Ludwig; Alleinerbe Thomas
● 16.09.: Zugang:
 Erstes Schreiben
 Zweites Schreiben
● 18.09.: Schreiben Horst („O.k.“!)
● 26.09.: Zugang
● 28.09.: Erscheinen des Horst bei Thomas
● 30.09.: Erscheinen des Horst bei Rechtspfleger Redlich

2. Blick: Auslegen der Aufgabenstellung
Was wollen „die“ von mir? In der Aufgabenstellung verbirgt sich die Frage nach der Rechtsfolge. Das ist immer irgendwie dasselbe. Irgendwer will von irgendwem irgendwas!

Wer will was von wem weshalb?
● Wer: Anspruchsteller Horst
● Was: Anspruchsbegehr – Übereignung der Platten
● Von wem: Anspruchsgegner Thomas
● Weshalb: Sachverhalt

Die vorstehenden Ausführungen mögen übertrieben, vielleicht umständlich und jedenfalls dem vorliegenden Fall nicht angemessen erscheinen. Ich kann dennoch nur dringend anraten, sich die hier vorgeschlagene Vorgehensweise unabhängig vom Umfang und der Schwierigkeit des Sachverhalts zur Regel zu machen. Man muss die Phasen automatisieren!

3. Blick: Aufsuchen der Anspruchsgrundlage
Jetzt geht es um das „Woraus“, die Anspruchsgrundlage! Hier § 433 Abs. 1, dessen Rechtsfolge mit der in der Aufgabenstellung begehrten Rechtsfolge korrespondiert. Alle AGL bestehen, wie alle Gesetze, aus dem den Gesetzen eingeborenen Konditionalprogramm „WENN – DANN“.
● § 433 Abs. 1 Tatbestandsvoraussetzung: Kaufvertrag (Wenn)
● § 433 Abs. 1 Rechtsfolge: Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer die Sache zu übereignen (Dann)
Die eigentliche Arbeit beim Aufsuchen der AGL ist demnach das Ermitteln von Rechtsnormen, deren Rechtsfolge genau dem konkreten (Aufgaben-)Begehren entspricht. Ob diese Rechtsfolge auch wirklich eintritt, ist eine andere, anschließend im Gutachten zu untersuchende Frage. Also: Horst begehrt Übereignung! § 433 Abs. 1 gibt Übereignung! Die begehrte Rechtsfolge aus der Aufgabenstellung („Ich, Horst Heinen, möchte die Sammlung und das Plakat haben“) und die Rechtsfolge aus der AGL des § 433 Abs. 1 (Anspruch auf Übereignung der Sammlung und des Plakates) passen zueinander.

4. Blick: Zerlegen der Anspruchsgrundlage in ihre „TBM’s“
Hier § 433 Abs. 1. Diese AGL hat nur eine einzige Tatbestandsvoraussetzung: einen wirksamen (!) Kaufvertrag, aber den mit 6 jeder Zeit problemaufladbaren Säulen.

5. Blick: Subsumtion
Darüber ist zwischen uns in „Juristische Entdeckungen – Bd. I“ alles gesagt! Sie müssen die Evidenz herstellen, also die Einsichtigkeit zwischen den 6 Säulen des Tatbestandsmerkmals „Kaufvertrag“ und den Sachverhaltsmerkmalen erreichen. Hier müssen Sie Tatbestand und Sachverhalt komplett abgrasen – im Vier-Takt-Motor des Gutachtenstils. (Gut achten auf das Gutachten: Es könnte – Dann müsste – Es ist so/Es ist nicht so – Also)

6. Blick: Anfertigung eines Lösungsplans
Die Lösungsskizze wird nur in Stichworten, aber so gründlich erstellt, dass Sie mit ihrer Hilfe zwanglos die Reinschrift der Arbeit anfertigen können.
A. AGL: Horst (H)./. Thomas (T): §§ 433 Abs. 1, 1922, 1967
B. D.s.v.: KV zwischen H und T
C. Kein unmittelbarer KV zwischen H und T; aber T könnte über §§ 1922, 1967, 433 aus KV zwischen Ludwig (L) und H verpflichtet sein.
I. T ist gem. §§ 1922, 1967 Alleinerbe seines Vaters L
II. Somit rückt er in die Rechtsstellung des L aus § 433 Abs. 1 ein, wenn zwischen H und L ein wirksamer KV zustande gekommen ist.
1. Angebot, präzise, vollständig, Rechtsbildungswille
a. Inserat? – Nein!
aa. Preisvorstellung; kein konkreter Preis
ab. Rechtsbildungswille fehlt
b. Schreiben des H vom 11.9.? – Ja! §§ 133, 157 – unter Berücksichtigung des Inserats
2. Wirksamwerden durch Zugang, §§ 145, 130 Abs. 1 (Kenntnisnahme steht fest)
3. Annahme: Nein! Schreiben vom 13.9. ist ausdrückliche Ablehnung (kein § 150 Abs. 2)
Also: Angebot gem. § 146 1. Alt. erloschen, da Ablehnung gem. § 130 Abs. 1, 2 durch Zugang wirksam.
4. Neues Angebot im Schreiben des L. vom 13.09. – 250 €
5. Wirksamwerden durch Zugang, §§ 145, 130
a. Zugang erfolgt
b. Tod des L hindert nicht – § 130 Abs. 2
c. Widerruf:
ca. Abgabe erfolgt gem. § 130 Abs. 1 S. 2: gleichzeitiger Zugang (Machtbereichstheorie); späteres Lesen irrelevant
cb. Zugang: Widerruf durch Tod nicht gehindert – § 130 Abs. 2
Also: Kein Wirksamwerden des Angebots!
6. Neues Angebot im Schreiben des L vom 14.9. – 300 €
7. Wirksamwerden durch Zugang, §§ 145, 130 – Tod hindert nicht, § 130 Abs. 2
8. Annahme im Schreiben des H. v. 18.9. – „auch“ zu 300 €
9. Wirksamwerden durch Zugang, §§ 146, 130 Abs. 1 am 26.9.
10. Deckungsgleichheit gegeben
11. Fortbestehen des Angebots z. Ztpkt. der Annahme
a. §§ 146 2. Alt., 147 Abs. 2
Also: Fristablauf (2+2+2). Angebot spätestens am 21.9. zu erwarten – am 22.9. erloschen und Annahme gem. § 146 2. Alt. verspätet
Aber: § 149: Annahme gilt als nicht verspätet
aa. Annahme
ab. Zugang
ac. verspätet
ad. Beförderungsfehler
ae. bei richtiger Beförderung rechtzeitig
af. Erkennbarkeit
ag. keine Anzeige (unverzüglich § 121) erfolgt
b. § 153 steht nicht entgegen
Also: Vertrag zustande gekommen zwischen H und L
D. Also: §§ 433 Abs. 1, 1967, 1922 des H gegen T schlüssig

7. Blick: Erstellung der Reinschrift des Gutachtens
Es folgt nun der Höhepunkt Ihrer bisherigen Vorgehensweise: die Ausarbeitung im Gutachtenstil. Dabei kommen Sie ja bekanntermaßen von
● der Hypothese, der Fragestellung unter Benennung der Anspruchsgrundlage (wer will was von wem woraus?)
● über die Prämissen, die Voraussetzungen für die genannte Anspruchsgrundlage (das setzt voraus)
● über die Subsumtion des Sachverhalts unter die entsprechenden Tatbestandsmerkmale mit Einzelergebnissen (Zwergen)
● zum Gesamtergebnis (also).

Sie sollten das Gutachten einmal selbst schriftlich versuchen. Denken Sie daran: Eines der größten Vergnügen des Studenten ist das Begreifen. Verschaffen Sie es sich durch eigenes aktives Tun! Und: Man muss nicht gleich perfekt sein!

2. Klausur

„Der manisch-depressive Autokauf“

Jupp Schmitz leidet an der Geisteskrankheit des manisch-depressiven Irreseins, ohne dass dies Laien auffällt. Es handelt sich dabei um ein Krankheitsbild, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Patient in depressiven Phasen nicht in der Lage ist, die Folge seiner Handlungen einzuschätzen, während er in manischen Momenten durchaus die Tragweite und Bedeutung seines Vorgehens überschauen kann.
Während einer seiner depressiven Phasen begibt sich Jupp Schmitz am 10.8.01 zum Autohändler Franz Schütte. Hier sieht er auf der Verkaufsfläche vor den Geschäftsräumen ein älteres Automodell der Firma Ford, Typ Ford Mondeo, welches mit einem Preis von 5.000 € ausgezeichnet ist. Im Büro erklärt Jupp Schmitz dem persönlich anwesenden Franz Schütte, dass er das ausgestellte Auto gerne kaufen möchte. Franz Schütte ist hocherfreut, einen Käufer für den Ladenhüter gefunden zu haben und sagt Jupp zu, das Auto am nächsten Tag, für den Straßenverkehr zugelassen, vorbeizubringen und zu übergeben.
Nachdem Jupp Schmitz 500 € angezahlt hat, entfernt er sich im Hochgefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben.
Wie versprochen, erscheint Franz Schütte am darauffolgenden Tag in der Wohnung des Jupp Schmitz, dem der „Ausflug“ am Tag zuvor so gut bekommen war, dass er eine manische Phase erreicht hatte. Franz übergibt Jupp den Autoschlüssel sowie die auf Jupp zugelassenen Kfz-Papiere und beglückwünscht Jupp dazu, dass er nunmehr ein so tolles Auto, wie es vor der Haustür stehe, sein Eigen nennen könne. Den Restkaufpreis könne er ja in den nächsten Tagen vorbeibringen. Jupp bedankt sich für das Auto, ohne recht zu wissen, was Franz mit dem Restkaufpreis eigentlich gemeint hat.
Franz Schütte wartet dann auch in der Folgezeit vergeblich auf den Eingang der Zahlung. Als auch dringende Zahlungsaufforderungen erfolglos bleiben, begibt er sich zu einem Rechtsanwalt und bittet um Rat. Auch Jupp Schmitz, dessen manische Phase noch anhält, möchte bei einem Rechtsanwalt seine Rechte erfahren.

Aufgabenstellung:
Fertigen Sie ein Gutachten zu folgenden Fragen an:
1. Kann Franz Schütte von Jupp Schmitz Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 4.500 € verlangen?
2. Kann Franz Schütte von Jupp Schmitz das Auto der Marke Ford Mondeo zurückverlangen?
3. Kann Jupp Schmitz von Franz Schütte das angezahlte Geld in Höhe von 500 € zurückverlangen?

Darstellung:
Zu 1.: Franz Schütte könnte von Jupp Schmitz die Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 4.500 € verlangen gem. § 433 Abs. 2 BGB.

Das setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. Ein Kaufvertrag setzt sich zusammen aus Angebot, Wirksamwerden des Angebotes, Annahme, Wirksamwerden der Annahme, inhaltlicher Deckungsgleichheit und Annahmefähigkeit des Angebotes, d.h. dem Fortbestehen des Angebotes zum Zeitpunkt der Annahme gem. §§ 151, 130, 145 ff. BGB.
Ein Angebot könnte in dem auf der Verkaufsfläche ausgestellten und mit dem Preisschild „5.000 €“ ausgezeichneten Pkw der Marke Ford Mondeo gesehen werden.
Ein Angebot muss gem. § 150 Abs. 2 BGB bestimmt, vollständig, präzise und mit Rechtsbindungswillen abgegeben werden. Die Konkretisierung gewinnt die Preisauszeichnung hier dadurch, dass ein bestimmter Preis (5.000 €) an einem bestimmten Kaufobjekt (Ford Mondeo) angebracht ist. Jedoch fehlt es dieser Kaufofferte am Rechtsbindungswillen, da sich F. Schütte nicht jedem potentiellen Käufer zum Verkauf verpflichten will. Es handelt sich vielmehr bei dem mit dem Preisschild versehenen Pkw um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (lat.: invitatio ad offerendum, d.h. Einladung zum Angebot).
Das Angebot wird von Jupp im Laden abgegeben; diese empfangsbedürftige, nicht verkörperte Willenserklärung unter Anwesenden ist mit dem Vernehmen seitens des Franz gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB durch Zugang wirksam geworden. Die Annahme wurde einschränkungslos erklärt und durch Zugang gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam, Angebot und Annahme korrespondierten inhaltlich, waren somit deckungsgleich. Das Angebot könnte jedoch zum Zeitpunkt der Annahme bereits erloschen gewesen sein gem. §§ 146 1. Alt., 147 Abs. 1 BGB. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Da Franz prompt geantwortet hat, bestand das Angebot noch zum Zeitpunkt der Annahme.
Also liegen die Voraussetzungen des Zustandekommens eines Vertrages an sich vor.
Die Willenserklärung des Jupp könnte jedoch gem. §§ 105 Abs. 1, 104 Nr. 2 BGB nichtig sein. Das setzt voraus, dass sich Jupp zum Zeitpunkt der Abgabe des Kaufangebotes in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand. Jupp leidet unter der Geisteskrankheit des manisch-depressiven Irreseins, wobei er in der depressiven Phase die Folgen seines Handelns nicht einzuschätzen in der Lage ist. Also ist seine Willenserklärung gem. §§ 105 Abs. 1, 104 Nr. 2 BGB nichtig.
Also ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Franz und Jupp nicht abgeschlossen worden.
Also kann Franz von Jupp nicht gem. § 433 Abs. 2 BGB Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 4.500 € verlangen.

Zu 2.:
2.1.: Franz Schütte könnte von Jupp Schmitz die Herausgabe des Ford Mondeo verlangen gem. § 985 BGB.

Das setzt voraus, dass Franz Eigentümer und Jupp Besitzer des Pkw sind, ohne dass Jupp ein Recht auf den Besitz gem. § 986 BGB hat.
Ursprünglicher Eigentümer des Ford Mondeo war Franz. Er könnte sein Eigentum gem. § 929 S. 1 BGB an Jupp verloren haben. Das setzt voraus, dass Franz und Jupp sich über den Eigentumsübergang geeinigt haben, der Pkw übergeben worden ist, beide sich zum Zeitpunkt der Übergabe noch einig waren und Franz Berechtigter, d.h. verfügungsbefugter Eigentümer, war. Die Einigung gem. § 929 S. 1 BGB ist ein dinglicher Vertrag und kommt gem. § 151 S. 1 1. Halbsatz BGB durch Angebot und Annahme zustande. In dem Glückwunsch des Franz sowie dem Dank des Jupp liegen Angebot und Annahme zur Übereignung des konkreten Ford Mondeo, die auch jeweils durch Vernehmen wirksam geworden sind gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.
Jupps Willenserklärung in Form der Annahme könnte jedoch gem. §§ 105 Abs. 1, 104 Nr. 2 BGB nichtig sein. Da sich Jupp jedoch zu diesem Zeitpunkt in keinem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand (manische Phase), ist seine Willenserklärung wirksam.
Also ist eine wirksame Einigung zwischen Jupp und Franz über den Eigentumsübergang erzielt worden.
Darüber hinaus müsste der Wagen übergeben worden sein. Übergabe bedeutet einen Wechsel im Besitz i.S.v. § 854 BGB. Nachdem der Franz dem Jupp Schlüssel und Papiere des Ford ausgehändigt hatte, übte nunmehr Jupp die tatsächliche Gewalt über den Pkw aus, war mithin Besitzer.

Ein Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe lag ebenso vor wie die Berechtigung des Franz als verfügungsbefugter Eigentümer.
Also hat Franz sein Eigentum am Ford gem. § 929 S. 1 BGB an Jupp verloren.
Also ist Franz nicht mehr Eigentümer des Ford.
Also kann Franz von Jupp die Herausgabe des Ford gem. § 985 BGB nicht verlangen.

2.2.: Franz Schütte könnte von Jupp Rückübereignung und Herausgabe des Autos gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB verlangen.
Das setzt voraus, dass Jupp ein Etwas durch die Leistung des Franz ohne Rechtsgrund erlangt hat.
Als ein Etwas ist jede vermögenswerte Rechtsposition anzusehen. Wie oben dargestellt, hat Jupp Eigentum und Besitz am Ford Mondeo, also vermögenswerte Rechtspositionen, erworben. Also hat er etwas erlangt.
Dieses Etwas, nämlich Eigentum und Besitz, müsste er durch die Leistung des Anspruchsstellers Franz erlangt haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zur Erfüllung einer bestehenden oder vermeintlich bestehenden Verbindlichkeit.
Franz hat mit Willen zur Erfüllung des Kaufvertrages die Übereignung und Besitzverschaffung vorgenommen, also zweckgerichtet geleistet.
Letztlich dürfte für diese Leistung des Etwas kein Rechtsgrund gegeben sein. Als Rechtsgrund kommt ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Jupp und Franz in Betracht. Wie oben gezeigt, ist ein solcher nicht zustande gekommen.
Also hat Franz die Vermögensvermehrung bei Jupp ohne Rechtsgrund geleistet.
Mithin kann Franz die Rückübereignung und Herausgabe des Ford Mondeo gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB verlangen.

Zu 3.:
3.1.: Jupp Schmitz könnte von Franz gem. § 985 BGB die Herausgabe des angezahlten Geldes in Höhe von 500 € verlangen.

Dann müsste Jupp zunächst Eigentümer des Geldes sein. Ursprünglicher Eigentümer war Jupp; er könnte sein Eigentum gem. § 929 S. 1 BGB an Franz verloren haben. Die bereits oben näher dargelegten Voraussetzungen der Einigung, Übergabe, des Einigseins und der Berechtigung liegen an sich vor. Die Einigungserklärung des Jupp Schmitz ist jedoch gem. §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB nichtig. Also hat Jupp das Eigentum am Geld nicht gem. § 929 S. 1 BGB an Franz Schütte verloren.
Also ist Jupp Eigentümer geblieben.
Da Franz die tatsächliche Sachherrschaft über das Geld ausübt, ist er Besitzer gem. § 854 BGB.
Ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB könnte sich aus einem wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 BGB ergeben. Da jedoch, wie oben dargestellt, der Kaufvertrag zwischen Jupp und Franz gem. §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB unwirksam ist, besteht ein solches Recht nicht.
Also kann Jupp von Franz die Herausgabe von 500 € verlangen gem. § 985 BGB.

Vermerk: § 985 BGB ist hier für Sie nur zu Schulungszwecken dargestellt. Im fortgeschrittenen Stadium der Ausbildung ist diese Prüfung falsch, da Franz nicht mehr Besitzer dieser konkret übergebenen 500 € ist, diese vielmehr ausgegeben haben wird. Daraus folgt: Bei Ansprüchen, gerichtet auf Geld, niemals mehr § 985 BGB prüfen, sondern sofort den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, der wegen § 818 Abs. 2 BGB obiges Problem nicht kennt.

3.2.: Jupp Schmitz könnte von Franz Schütte gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt., 818 Abs. 2 BGB die Herausgabe des angezahlten Geldes i.H. von 500 € verlangen.

Das setzt voraus, dass Franz ein Etwas durch die Leistung des Jupp ohne Rechtsgrund erlangt hat.
Ein Etwas ist jede vermögenswerte Rechtsposition. Wie oben ausgeführt, hat Franz den Besitz gem. § 854 BGB erworben.
Weiterhin müsste Franz diesen Besitz durch die Leistung des Anspruchsstellers Jupp erlangt haben. Jupp hat Franz bewusst und zweckgerichtet in Erfüllung eines vermeintlich bestehenden Kaufvertrages den Besitz am Geld verschafft, folglich geleistet.
Letztlich dürfte für diese Vermögensverschiebung kein Rechtsgrund vorliegen. Wie oben gezeigt, ist wegen der Geisteskrankheit des Jupp im Moment der depressiven Phase ein wirksamer Kaufvertrag nicht zustande gekommen (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB). Also bestand für die Leistung des Besitzes am Geld durch Jupp an Franz kein Rechtsgrund.

Also kann Jupp von Franz gem. § 812 Abs. 1, 1. Alt. BGB die Herausgabe der angezahlten 500 € verlangen. Da die Herausgabe des konkret Erlangten, nämlich die Rückgabe der ganz konkret erworbenen Geldscheine infolge Weiterveräußerung nicht mehr möglich ist, kann Jupp gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz i.H. dieser 500 € verlangen.“

Beitrag: 38 StGB – Der Aufbau des Strafgesetzbuches

Das Strafrecht ist ein Gebiet, das auch auf den Nichtjuristen eine starke Anziehungskraft ausübt, weil sich in ihm „die ganze Individualität des Volkes, sein Denken und Fühlen, sein Gemüt und seine Leidenschaft, seine Gesittung und seine Rohheit kundgibt, kurz: auf dem seine Seele sich widerspiegelt – das Strafrecht ist das Volk selbst, die Geschichte des Strafrechtes der Völker ist ein Stück der Psychologie der Menschheit“ (Rudolf von Jhering – 1818 bis 1892).

Das Strafrecht gliedert sich im StGB in einen allgemeinen Teil und einen besonderen Teil.

Der allgemeine Teil:
1. Der allgemeine Teil des StGB enthält zunächst die allgemeinen, d.h. gattungsmäßig für jede Art von Straftaten geltenden Grundsätze über die Tatvoraussetzungen. Gewissermaßen die vor die Klammer gezogenen Zankäpfel!
Tatbestand
Rechtswidrigkeit
Schuld

2. Der allgemeine Teil ist damit aber noch nicht ganz vollständig erklärt. Was fehlt, sind einige Spezial-Erscheinungsformen der Straftat. Der Gesetzgeber musste sich nämlich noch folgenden sechs speziellen Fragen stellen:

Bestrafe ich nur die Vollendung einer Straftat oder auch schon den Versuch einer Rechtsgutverletzung? Antwort gibt die Versuchslehre!

Bestrafe ich nur das aktive Handeln gegen eine Verbotsnorm oder auch das Unterlassen eines gebotenen Tuns? Antwort gibt die Unterlassungsdeliktlehre!

Wie gehe ich vor, wenn mehrere Beteiligte auf der strafrechtlichen Bühne handeln und nicht nur ein Alleintäter auftritt? Antwort gibt die Täterschaft- und Teilnahmelehre!

Was geschieht, wenn sich jemand irrt, weil er denkt, es sei etwas strafbar, was gar nicht strafbar ist, oder es sei etwas nicht strafbar, was strafbar ist oder weil er nicht weiß, dass er tatbestandlich, rechtswidrig und schuldhaft handelt? Antwort gibt die Irrtumslehre!

Der allgemeine Teil enthält also neben der allgemeinen Erscheinungsform weiterhin die besonderen Erscheinungsformen einer Straftat:
Versuch
Unterlassen
Täterschaft und Teilnahme
Irrtum

3. Schließlich enthält der allgemeine Teil die Ausprägungen der strafrechtlichen Reaktionsmittel der Geld- und Freiheitsstrafen sowie die Maßregeln der Besserung und Sicherung. Welche Reaktionsmittel lasse ich als humaner, aber doch strenger Staat zu? Antwort gibt die Straffolgenlehre!

Der besondere Teil

Demgegenüber werden im besonderen Teil die für ein gedeihliches gesellschaftliches Zusammenleben geschaffenen einzelnen Tatbestände umschrieben, die im Interesse des Rechtsgüterschutzes erlassen und mit Strafdrohungen versehen worden sind, um diesen Schutz durch Abschreckung (Generalprävention) zu erreichen. Welche Rechtsgüter suche ich mir als Staat aus der Fülle der für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft notwendigen Werte aus, die mir so wichtig sind, dass ich den Angriff auf sie kriminalisiere, d.h. mit Kriminalstrafe bedrohe, um so (und nur so geht es) eine Mindestordnung aufrecht zu halten und ihre Beachtung für ein gedeihliches menschliches Zusammensein zu erzwingen? Antwort gibt der besondere Teil des StGB!
Der besondere Teil gibt Antwort auf diese Frage und enthält den konkreten Rechtsgüterschutz in Form mehr oder weniger anschaulicher Tatbestände (§ 123; § 211; § 223; § 242; § 263; § 267 etc.).

Beitrag: 39 Die Struktur einer Straftat

Nunmehr wollen wir uns mit der Struktur und dem Aufbau unseres Strafrechts vertraut machen. Deshalb nun sechs kurze Sachverhalte, um Klarheit in den komplexen Deliktsaufbau zu bekommen:

a. Der 30-jährige homosexuelle Familienvater V verkehrt geschlechtlich mit einem 25-jährigen Strichjungen und fühlt sich schuldig.

b. Der Maler Jupp van G schneidet sich in seiner Ekstase das linke Ohr ab.

c. A wird von einem Straßenräuber angegriffen und verletzt den Räuber schwer.

d. Arzt Dr. B nimmt mit Einwilligung des Patienten P eine riskante Operation vor, wodurch P zu Tode kommt.

e. Der 9-jährige C stößt eine Blumenvase vom Balkon, um den Passanten P zu erschlagen.

f. D ersticht einen Mitpatienten in der Heilanstalt.

Das Verbrechen ist eine Einheit. Gleichwohl wird es begrifflich in drei Bestandteile zerlegt. Diese Bestandteile werden wiederum zu einem System zusammengefügt. Ohne strafrechtliche Systembildung könnte man die Vielfalt möglicher Fallgestaltungen nicht in ihrer wechselseitigen Ähnlichkeit erfassen, man wäre nur auf ein punktuelles Reden über den Einzelfall beschränkt, man müsste ihn so nehmen als gäbe es nicht die Erfahrungen mit unzähligen anderen, mehr oder weniger ähnlichen Fällen, man könnte von diesen Erfahrungen nicht profitieren. Das wäre nicht sachgerecht und würde im Übrigen dem Grundsatz „Gleiches Recht für alle“ und damit der Gerechtigkeitsidee widersprechen.

Es ist im Laufe der letzten einhundert Jahre, in denen viele bedeutende Strafrechtsdogmatiker und die Rechtsprechung sich mit diesem Problem beschäftigt haben, Einigkeit über eine Grundstruktur entwickelt worden, um dem millionenfachen strafrechtlichen Fallgewimmel zu begegnen. – Ergebnis war der dreistufige Deliktsaufbau!

Richten Sie Ihren Blick zunächst nur auf diese erste große Dreiteilung:

Diese Struktur ist dazu geeignet, Ihnen folgende zentralen Überlegungen zu verdeutlichen:

1. Der Verbrechensaufbau oder der Deliktsaufbau oder der Aufbau einer Straftat ist immer dreistufig. Er zerfällt in den Tatbestand, die Rechtswidrigkeit und die Schuld (dreigliedriger Deliktsaufbau; Trichotomie; griech., Dreiteilung).

2. Der Tatbestand ist die Zusammenfassung derjenigen Tatbestandsmerkmale, die das verbotene Verhalten beschreiben und von nichtverbotenem Verhalten abgrenzen. Er setzt sich aus den geschriebenen Merkmalen des Gesetzes sowie den beiden nichtgeschriebenen, Handlung und Kausalität, zusammen. Er ist der erste große Filter vor der Strafbarkeit eines Täters und stanzt aus der Fülle der Lebensvorgänge diejenigen heraus, die der Gesetzgeber grundsätzlich für strafbar hält.

3. Aus der Verwirklichung des Tatbestandes folgt nun aber noch nicht notwendig die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, sondern nur ein Indiz (Anzeichen) für diese.

Denn es gibt zahllose tatbestandsmäßige Handlungen, die im konkreten Fall von der Rechtsordnung gebilligt werden, also nicht „rechts-widrig“ sind. Dass eine tatbestandliche Handlung von der Rechtsordnung missbilligt wird, bildet die Regel. Ihre Billigung stellt die Ausnahme dar.
Die Billigungsgründe fasst man unter dem Begriff Rechtfertigungsgründe zusammen. Sie beschreiben die Voraussetzungen, unter denen eine tatbestandsmäßige Handlung nicht „wider das Recht“ ist. Die Rechtswidrigkeit stellt das Unwerturteil über die Tat dar und wird „ohne Ansehen der Person“ festgestellt. Diese Billigung tatbestandsmäßigen Verhaltens durch die Rechtfertigungsgründe folgt daraus, dass der jedem Tatbestand zugrundeliegenden, ein bestimmtes Rechtsgut schützenden Verbots- oder Gebotsnorm eine andere Norm gegenübertritt, welche jene aufhebt.
Diese Gegennormen, wie z.B. die Notwehr in § 32 Abs. 1, 2 StGB, oder der Notstand in § 34 StGB stellen – gemessen an den allgemeinen Verbots- und Gebotsnormen – Rechtfertigungsgründe dar. Eine Tat, die durch eine solche Gegennorm gebilligt wird, verstößt nicht gegen die Rechtsordnung, ist also nicht rechtswidrig.
 So formuliert auch § 32 Abs. 1 StGB: „Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“

 Oder § 34 StGB bestimmt: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr …, handelt nicht rechtswidrig …“
 Die Verbotsnorm des § 223 StGB lautet: „Du sollst nicht einen anderen am Körper oder an der Gesundheit verletzen.“

 Die Gegennormen lauten: „Es sei denn, du handelst in Notwehr“; „Es sei denn, du handelst im Notstand“.

Zwischen Tatbestand und diesen tatbestandsrechtfertigenden Gründen besteht ein sogenanntes Regel-Ausnahme-Verhältnis. Dieses Verhältnis bringt die klassische Formulierung in Studentenklausuren immer wieder zum Ausdruck:

„Die Tatbestandserfüllung indiziert (lat.: indicium = Anzeichen, also indiziert: zeigt an) die Rechtswidrigkeit, es sei denn, es greift ein Rechtfertigungsgrund ein.“

Konstruktiv ließen sich die Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes auch als negative Tatbestandsmerkmale der einzelnen Verbots- oder Gebotsnorm betrachten, um die jeder Tatbestand des besonderen Teils des Strafgesetzbuches als ergänzt anzusehen ist. Würde allerdings der Gesetzgeber jedem Tatbestand des besonderen Teils des StGB die jeweiligen Rechtfertigungsgründe in Absatzprozessionen positiv anhängen, so würde sich der Umfang des Strafgesetzbuches verdoppeln. Also geht der Gesetzgeber den üblichen systematischen Weg, lässt sie weg und stellt die Rechtfertigungsgründe in den allgemeinen Teil ein.
Das endgültige Unwerturteil über die Tat – nicht aber das über den Täter, das erst bei der Schuld zu prüfen ist – lässt sich also erst treffen, wenn festgestellt ist, dass kein Rechtfertigungsgrund (ausnahmsweise) vorliegt. Alle Rechtfertigungsgründe zielen in die gleiche Richtung und treffen die durch den Tatbestand indizierte Rechtswidrigkeit, wodurch diese aufgehoben wird. Wie sich dem Begriff „Rechtswidrigkeit“ entnehmen lässt ist ein Täter gerechtfertigt, wenn er nicht „wider“ das „Recht“ handelt. Daraus folgt, dass die einzelnen Rechtfertigungsgründe nicht nur dem Strafrecht zu entnehmen sind, sondern der Gesamtheit der Rechtsordnung. Was im Zivilrecht oder in der Strafprozessordnung erlaubt ist, kann im Strafrecht nicht verboten sein oder anders ausgedrückt, was dort rechtmäßig ist, kann hier nicht rechtswidrig sein.
Neben diesem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung gilt der Grundsatz, dass es keinen Numerus clausus der Rechtfertigungsgründe gibt. Neu auftretende Lebenssachverhalte können neue und ihrer Herkunft nach „übergesetzliche“ Rechtfertigungsgründe bedingen, die dann gewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen. Der Katalog der Rechtfertigungsgründe ist also kein geschlossenes System.
Sehr instruktiv sind die Fälle, in denen die Rechtsprechung solche neuen Gründe aus der Taufe gehoben hat.
So hat das Reichsgericht (RGSt 26, 137) erstmals einen rechtfertigenden übergesetzlichen Notstand bei der medizinisch indizierten Schwangerschaftsunterbrechung (Leben der Mutter kollidierte mit Leben des Kindes) angenommen (vgl. zum heutigen Recht § 34 StGB).
Der Bundesgerichtshof (BGHSt 6, 263; 11, 241) hatte ein Züchtigungsrecht als Rechtfertigungsgrund für Körperverletzungen anerkannt, wenn das Züchtigungsmittel auf angemessene Weise durch einen Erziehungsberechtigten ausschließlich zu einem bestimmten Erziehungszweck erfolgt (vgl. zum heutigen Recht § 1631 Abs. 2 BGB).
In jüngerer Zeit hat der Bundesgerichtshof (BGHSt 20, 342) ein Rügerecht als Rechtfertigungsgrund für die Verletzung von Dienstgeheimnissen (vgl. § 353 b StGB) entwickelt, wenn schwere behördliche Verstöße gegen die Verfassung entdeckt werden und der Beamte sich an die Öffentlichkeit wendet.

4. Tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verhalten führen noch nicht zur Bestrafung des Täters. Die Dritte im Bunde ist die Schuld. Jetzt wird nicht mehr die Tat angesehen, sondern der Täter. Dabei verhält es sich anders als bei der Rechtswidrigkeit. Das Schuldprinzip, das gem. Art. 20 Abs. 1, 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) und Art. 1 GG (Menschenwürde) Verfassungsrang hat, fordert, dass nunmehr der Täter „angesehen“ und geprüft wird, ob man gerade ihm das in die Welt gesetzte tatbestandliche und rechtswidrige Tun vorwerfen kann und muss. Erst mit ihrer Feststellung ist das Unwerturteil über den Täter gegeben.

Soweit es um die Schuld geht, wird also nach dem „Dafürkönnen“, der „Vorwerfbarkeit“, der „Verantwortung“ des Täters gefragt.

Auf dieser dritten Stufe wird wertend festgestellt, ob dem Täter die
tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat
auch rechtlich vorgeworfen werden kann.

Nach dem dreigliedrigen Verbrechensaufbau bedeutet die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit das Unwerturteil über die Tat.

Erst mit der Feststellung der Schuld ist das Unwerturteil über den Täter – genauer: über die Tat-Täter-Beziehung – gefällt.

Das deutsche Strafrecht bekennt sich zum Schuldstrafrecht: Strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt.

Schuld ist in diesem Zusammenhang die seelische Beziehung des Täters zu seiner Tat und die Wertung dieser Beziehung als vorwerfbar.

Zum Inhalt dieses äußerst umstrittenen Begriffs gehört also einmal der Gegenstand der Wertung (seelische Beziehung des Täters zu seiner Tat, d.h. der Täterwille) und das an der Rechtsordnung ausgerichtete Werturteil darüber (Wertung dieser Beziehung als vorwerfbar, d.h. die Vorwerfbarkeit). Er enthält damit psychologische Elemente (Täterwille) und normative (wertende) Elemente (Vorwerfbarkeit); er ist also komplex.
Der strafrechtliche Schuldvorwurf unterscheidet sich damit von jeder sonstigen Verwendung des Begriffs „Schuld“, z.B. in der Umgangsprache (Aids ist schuld am Tod des A, gemeint ist Kausalität), in der Religion (schuldig werden vor Gott), in der Philosophie oder in der Psychologie (Lebensführungsschuld). Denn der strafrechtliche Schuldvorwurf knüpft immer an das bereits durch Tatbestand und Rechtswidrigkeit vorgefilterte menschliche Verhalten an.

Für den komplexen Schuldbegriff ergeben sich vier Komponenten der Schuld:

 Schuldfähigkeit (Vorwerfbarkeit)
Das ist die seelisch-geistige Gesundheit des erwachsenen Täters als Voraussetzung, dass er überhaupt schuldig werden kann, also die generelle Möglichkeit des Täters zu einer Wertung seines Handelns (vgl. §§ 19, 20 StGB).
 Schuldform (Täterwille)
Das sind der Vorsatz und die Fahrlässigkeit als psychologische Elemente der Tat-Täter-Beziehung (vgl. § 15 StGB), also die Beziehung des Täters zu einer Tat.
 Fehlen von Entschuldigungsgründen (Vorwerfbarkeit)
Das ist die Zumutbarkeit eines normgerechten Verhaltens, mithin das Fehlen von atypischen Umständen, durch welche Unrecht (Tatbestand und Rechtswidrigkeit) und Schuld unter die Ebene der Strafwürdigkeit herabgemindert werden (vgl. §§ 33, 35 StGB).
 Unrechtsbewusstsein (Bewusstsein der Rechtswidrigkeit)
Das ist das Wissen des Täters, dass er gegen Gebote oder Verbote des Strafrechts verstößt. Wenn das Unrechtsbewusstsein, Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, fehlt, liegt nämlich ein Verbotsirrtum i.S. von § 17 StGB vor.

5. Letzte zentrale Überlegung: Die Tatbestandsmäßigkeit geht der Rechtswidrigkeit und beide gehen der Schuld voraus.
Es gibt tatbestandliches Handeln (z.B. § 223 StGB) ohne Rechtswidrigkeit (z.B. wegen Notwehr gem. § 32 StGB); es gibt aber niemals rechtswidriges Verhalten ohne Tatbestand.
Es gibt tatbestandliches und rechtswidriges Verhalten ohne Schuld (z.B. wegen §§ 19, 20 StGB); es gibt aber niemals strafrechtliche Schuld ohne Tatbestand und Rechtswidrigkeit.
Daraus folgt die elementarste aller Aufbauregeln: Zunächst sind der Tatbestand, dann die Rechtswidrigkeit, dann erst die Schuld zu prüfen. Gegen diese Regel dürfen Sie niemals verstoßen!

Aus diesen fünf zentralen Strukturüberlegungen zur Systematik von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld folgt die Möglichkeit, die auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Eingangsfälle in ein System zu bringen und damit gerecht, weil vergleichbar zu machen.

 So ist im „Strichjungenfall“ (a) und im „Ohr-Abschneide-Fall“ (b) überhaupt kein Tatbestand erfüllt. Nach Abschaffung des § 175 StGB ist ein solches Verhalten nicht mehr als strafbares Unrecht normiert, und in § 223 StGB ist als tatbestandsmäßige Voraussetzung die körperliche Misshandlung eines „anderen“ normiert. Die Selbstverstümmelung ist also straflos. Der Tatbestand erfüllt seine Filterwirkung, strafbares von nichtstrafbarem, verbotenes von erlaubtem Handeln zu trennen.

 Im „Straßenräuberfall“ (c) und im „Arztfall“ (d) sind zwar die Tatbestände der §§ 223, 212 StGB verwirklicht, die Taten aber jeweils gerechtfertigt durch Notwehr (§ 32 StGB) bzw. Einwilligung (§ 228 StGB). Die Taten bleiben im zweiten Filter der Rechtswidrigkeit hängen, der rechtswidriges von gerechtfertigtem Verhalten trennt.

 Im „Vasenfall“ (e) und im „Heilanstaltsfall“ (f) erfüllen die Handlungen der Täter zwar jeweils den Tatbestand des § 212 StGB, auch billigt die Rechtsordnung ein solches Verhalten nicht, da ein Rechtfertigungsgrund den Tätern nicht zur Seite steht, es fehlt aber an der Schuld. Gem. § 19 StGB wird unwiderlegbar vermutet, dass bei einem Kind die Schuldfähigkeit entfällt, während § 20 StGB einen Schuldausschluss bei bestimmten Geisteskrankheiten normiert. Die tatbestandlichen und rechtswidrigen Verhaltensweisen können den dritten und letzten Filter nicht durchlaufen, der schuldhaftes und damit dem Täter vorwerfbares von schuldlosem und damit nicht vorwerfbarem Verhalten scheidet.

Die so erarbeitete Systematik ermöglicht es, für alle denkbaren Fallgestaltungen gemeinsame, dadurch vergleichbare und damit letztlich gerechte, weil gleiche Lösungen zu entwickeln. Die allgemeine Erscheinungsform einer Straftat in Form der dargestellten Dreiteilung (Trichotomie) und die besonderen Erscheinungsformen werden von Theoretikern wie Praktikern gleichermaßen angewendet.

Egal, in welchem Amtsgericht in Deutschland oder in welchem Landgericht heute ein Strafrichter oder ein Schöffengericht beim Amtsgericht oder eine Strafkammer beim Landgericht über einen oder mehrere Straftäter zu befinden hat, immer bewegt sich der Richter bei der Fallprüfung auf einer der Ebenen unseres allgemeinen Delikts-aufbaus: Entweder im Tatbestand einer Straftat des besonderen Teils oder in der Rechtswidrigkeit oder in der Schuld, wobei die besonderen Erscheinungsformen an bereiter Stelle immer erfordernden Falles eingewoben werden müssen.

Beitrag: 40 Das erste unsichtbare Tatbestandsmerkmal: Die Handlung

Wir wissen bereits, dass der Tatbestand die Summe der Tatbestandsmerkmale ist. Diese Tatbestandsmerkmale müssen wir konkretisieren. Es gibt von diesen nämlich zwei Arten:
● Die geschriebenen, das sind die vom Gesetzgeber in die Tatbestände des besonderen Teils selbst ausdrücklich eingestellten. (Sie können sie lesen!!)
● Und die ungeschriebenen, das sind die nicht ausdrücklich erwähnten Merkmale der Handlung und Kausalität. (Sie müssen sie „mit“-lesen)

Beispiel 1: Die in ihr Baby vernarrte Emma Schmitz nimmt den drei Monate alten Säugling mit in ihr Bett; im Schlaf erwälzt sie das Kind.

Beispiel 2: Frau Meier schlägt in der Narkose um sich. Die Krankenschwester Inge wird getroffen und im Gesicht verletzt.

Beispiel 3: Anton, Bert und Chris stehen am Abgrund. A gibt B einen Stoß, dieser fällt auf C, der abstürzt.

Beispiel 4: Anton, der mit Chris verfeindet ist, veranlasst den Bert durch Drohung mit erheblichen Schlägen, den Chris zu verprügeln.

Egal ob Mörder, Totschläger, Dieb, Hehler, Betrüger oder Körperverletzer – strafrechtliche Wertungen knüpfen immer nur an menschliches Verhalten an, da sich die Gebote und Verbote des Rechts immer nur an Menschen richten. Dass der Tatbestand nur durch menschliches Verhalten erfüllt werden kann, bringt der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck, dass die meisten Tatbestände des besonderen Teils des StGB mit „Wer“ beginnen; also ist Adressat ein Mensch als Subjekt einer Strafrechtsnorm.

Dieser Mensch muss, um strafbar zu sein, zunächst eine Handlung vollzogen haben.

Vornehmlichstes Ziel des strafrechtlichen Handlungsbegriffs ist es nun nicht, das Handeln eines Menschen umständlich als sinnhaft gestaltenden Faktor der sozialen Wirklichkeit mit all seinen personalen (den Menschen betreffenden), finalen (den Zweck betreffenden), kausalen (die Ursache betreffenden) und normativen (wertenden) Aspekten zu erfassen; vordringliches Ziel des strafrechtlichen Handlungsbegriffs ist es schlicht und einfach, einen Oberbegriff für alle Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens zu liefern: für vorsätzliche Taten wie für fahrlässige Taten, für Begehungs- wie Unterlassungstaten – und gleichzeitig alle diejenigen Verhaltensweisen auszuschließen, die von vornherein strafrechtlich irrelevant sind – mehr nicht.

Aufgabe des Handlungsbegriffs ist es:
Oberbegriff für sämtliche Erscheinungsformen strafrechtlichen Verhaltens zu sein
Den Ausschluss von vornherein irrelevanten Verhaltens zu gewährleisten
Den Fußpunkt für die Kausalitätsanknüpfung zu liefern

Unter Handlung versteht die kausale Handlungslehre der Rechtsprechung folglich ein menschliches willengetragenes Verhalten.

Dieses Verhalten kann
● sowohl in einem aktiven Tun – also in einem positiven (lat.: positivus = gegeben) Eingriff in die Außenwelt –,
● als auch in einem Nicht-Tun – mithin einem Unterlassen – bestehen (was jeder Student aus leidvoller eigener Erfahrung weiß).

Erste Komponente der Handlung, um welche jeder Tatbestand des besonderen Teils in Gedanken ergänzt werden muss (deshalb ja ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal), ist das menschliche Verhalten.

Nicht-Handlungen sind demzufolge:
● Naturereignisse (Sturmflut, Bergrutsch) – Unsere altgermanischen Vorväter bestraften bei einer Überschwemmung das Meer durch tagelanges Auspeitschen mit Ruten!
● Tierisches Verhalten (vgl. noch die Tierprozesse im alten Rom oder im Mittelalter). Ein Tier kann nicht handeln, wohl aber der es steuernde Mensch – doch dazu später.

Zweite Komponente der Handlung ist das willengetragene Verhalten.
Nicht-Handlungen sind also:
● Reflexbewegungen (Tritt mit dem spitzen Schuh infolge Auslösung des Kniereflexes durch den Arzt; Stromschlag, wodurch A von der Leiter fällt und B mitreißt; Niesen, wodurch das Baby von dem Wickeltisch fällt);
● Bewegungen oder Unterlassungen in bewusstlosem Zustand (Narkose, Schlaf, Krampf, Hypnose);
● Bewegungen oder Unterlassungen, die durch unwiderstehliche Gewalt erzwungen werden (vis absoluta = lat.; vom Willen losgelöste Gewalt). Der bärenstarke A bewegt durch seine Kraft den Arm des B auf C, um diesen zu verletzen; nicht B, sondern A hat gehandelt. Davon ist die sog. Vis compulsiva (lat.; willensbeugende Gewalt) zu unterscheiden. So hat B, der von A mit der Pistole gezwungen wird, den C zu erschießen, gehandelt. Es liegt noch ein gewillkürtes Verhalten vor.

Im Fall der ihr Baby erwälzenden Emma Schmitz liegt also im Erdrücken des Kindes keine Handlung im strafrechtlichen Sinne vor. Es ist aber darauf zu achten, dass Emmas früheres Verhalten eine Handlung darstellen kann. In dem Moment, als sie sich mit dem Säugling gemeinsam ins Bett legte, lag ein willengetragenes menschliches Verhalten vor; an dieses Verhalten knüpft jetzt der strafrechtliche Vorwurf an, so dass – je nach ihrer Willlensrichtung – eine vorsätzliche oder fahrlässige Tötungshandlung (§§ 211, 212 oder 222 StGB) in Betracht kommt.
Bei Frau Meier und Bert fehlt es eindeutig an einem willengetragenen Verhalten.
Bei Bert im vierten Ausgangsfall liegt dagegen eine Handlung vor. Auch die unter dem Druck einer Drohung aus Angst vorgenommene Handlung ist willengetragenes menschliches Verhalten. Die Drohung führt zwar zu einer Willensbeugung (vis compulsiva), ändert aber nichts daran, dass die von B begangene Körperverletzung von seinem Willen gesteuert wurde. B hat daher den Tatbestand des § 223 StGB rechtswidrig erfüllt. Allerdings entfällt seine Schuld aufgrund eines sog. Entschuldigungsgrundes (vgl. § 35 StGB), den wir später noch ganz genau kennen lernen werden.

In strafrechtlichen Arbeiten ist grundsätzlich kein Wort über eine Handlung zu verlieren, da in nahezu allen Fällen völlig unzweifelhaft ein vom Willen beherrschtes menschliches Verhalten – also eine Handlung – vorliegt.

Eine einzige Abgrenzungsschwierigkeit taucht aus dem Meer der ansonsten zweifelsfreien Unterscheidungsmöglichkeiten von Handlung/Nichthandlung auf, nämlich bei den sog. programmierten oder automatischen Handlungen:

Beispiel 1: Autofahrer F bremst völlig unsachgemäß auf der Autobahn, um einem plötzlich auftauchenden Wild auszuweichen. Er gerät auf die Gegenfahrbahn und tötet O.

Beispiel 2: Autofahrer F1 fliegt eine Mücke ins Auge. Vor Schreck verreißt er das Lenkrad und fährt ein Kind auf dem Bürgersteig zu Tode.

Beispiel 3: Arbeiter F2 am Fließband einer automatisierten Produktionsanlage betätigt seit Jahren alle zwei Sekunden eine Bohrmaschine. Als sein Kollege K sich mit einer Frage an ihn wendet und sich dabei auf die Anlage aufstützt, drückt F2 auch jetzt den Bedienungsknopf; die Hand des K wird durchbohrt.

Fraglich ist, ob solchen „eingefahrenen“, „programmierten“, „automatisierten“ Verhaltensweisen Handlungsqualität zukommt, ob sie also vom Willen getragen sind, oder ob sie den Reflexbewegungen gleichzustellen sind, folglich keine Handlungen darstellen. Die Grenze ist äußerst schwierig zu ziehen. Sicherlich liegen die beschriebenen Verhaltensmuster unterhalb der Schwelle des Bewusstseins, was für eine Gleichstellung mit den Reflexen spricht. Andererseits liegt auch ihnen ein Willensbildungsprozess zugrunde, der allerdings ins Unbewusste abgeglitten, mechanisiert ist. Das schließt aber nicht aus, dass sie nach wie vor dem Willen unterliegen und nicht nur vegetativ (lat.; dem Willen nicht unterliegend) bedingt sind.
Völlig unstreitig ist dagegen, dass Affekthandlungen oder Kurzschlusshandlungen (typische Einlassung: „Ich bin durchgedreht“) zu den Handlungen zählen. Bei ihnen wird lediglich die Tathemmschwelle, nicht aber die Bewusstseinsschwelle unterschritten (vgl. dazu den immer mehr an Bedeutung zunehmenden § 213 StGB).

Finale Handlungslehre: Lassen Sie sich am Anfang bitte nicht von dem Themenstreit über die kausale oder finale Handlungslehre allzusehr verwirren. Der Streit dreht sich darum, ob der Vorsatz zur Schuld gehört oder ob die Schuld ein Vorwurf ist, der unabhängig vom Vorsatz dem Täter gemacht werden muss, der Vorsatz vielmehr denknotwendig zur Handlung gehört.
Kausale Handlungslehre (causal: ursächlich): Handlung ist nur Verursachung („blind“) ohne Vorsatz.
Finale Handlungslehre (final: zweckgerichtet): Die Handlung ist nicht zweckfrei, sondern zweckgerichtet („sehend“), d.h., durch die planvolle Lenkung der Handlung auf ein bestimmtes Ziel hin final strukturiert. Notwendige Folge: Der Vorsatz ist bereits bei der Handlung zu prüfen.

Das Lustige an diesem Streit zwischen den Universitäten (Finalisten) und der Rechtsprechung der Obergerichte (Kausalisten) ist, dass trotzdem beide fast immer zum gleichen Ergebnis kommen (was Sie noch öfter bei juristischen Streitereien feststellen werden). Studenten neigen nicht zuletzt deshalb eher zu den Finalisten, weil im Falle der Verneinung des Vorsatzes die beiden Deliktsstufen der Rechtswidrigkeit und der Schuld nicht mehr geprüft werden müssen. Und das kommt so: Die sog. finale Handlungslehre sieht menschliche Handlungen immer als Ausübung von Zwecktätigkeit (Finalität). Da der Mensch aufgrund seines Kausalwissens die möglichen Folgen seines Handelns in bestimmtem Umfang voraussehen kann (wenn ich das tue – passiert jenes), kann er sich darum verschiedenartige Ziele setzen und sein Handeln auf diese Zielerreichung planvoll – mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich – lenken.

Handeln ist nicht, wie bei der kausalen Handlungslehre, blind-kausales Verhalten, sondern immer sehendes – finales Handeln, also bewusst vom Ziel her das Kausalgeschehen lenkendes Wirken.

Ob final oder kausal, ist letztlich meist egal! So stimmen doch die verschiedenen Lehren im Ergebnis trotz ihrer unterschiedlichen Begründungsansätze fast immer überein. – Also: In Klausuren kein Wort über die Handlungsbegriffe. Entscheidend ist, welchen Aufbau Sie wählen! Den halten Sie bei der Etablierung des Vorsatzes entweder im Tatbestand oder bei der Schuld und damit später auch in der Irrtumslehre konsequent durch, ohne ihn zu begründen. Der Aufbau bedarf nie einer Begründung – er begründet sich aus sich selbst!

Beitrag: 41 Das zweite unsichtbare Tatbestandsmerkmal: Die Kausalität

Beispiel: Toni verletzt vorsätzlich bei einer Wirtshausschlägerei den Otto. Auf dem Weg zum Arzt wird O von dem Kraftfahrer K angefahren. O muss ins Unfallkrankenhaus. Dort vermutet man fälschlich eine Blinddarmreizung. Die von Dr. X angeordnete und durchgeführte Operation führt zu einer Sepsis (Blutvergiftung), da die Krankenschwester S unsaubere Instrumente zugereicht hatte. O stirbt an dieser Sepsis. Die Obduktion ergibt, dass O schwer krebskrank war und ohnehin nur noch wenige Stunden zu leben gehabt hätte. – Wer ist hier strafbar?

Neben der Handlung ist die Kausalität das zweite sog. ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, um das alle strafbegründenden Tatbestände zu ergänzen sind.
Bevor man sich dem Begriff der Kausalität nähert, einer Spielwiese für Lehrbuchfälle von Professoren, muss ein kurzer Hinweis auf die Deliktstypen des Strafgesetzbuches erfolgen, die in einer Gegenüberstellung auf S. 62 verdeutlicht werden sollen.

Bei den Erfolgsdelikten muss nun eine Verbindung geschaffen werden zwischen der Handlung und dem Erfolg. Dieses Bindungsstück liefert die Kausalität (lat.; causa, die Ursache). Die Kausalität ist der ursächliche Zusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg. In nahezu allen praktischen Fällen ist die Kausalität (wie auch die Handlung) völlig unproblematisch und mit keinem Wort in einer Klausur zu erwähnen.

Im Ausgangsfall könnte fraglich sein, ob das Handeln des Toni ursächlich für den Erfolg der Tötung des Otto geworden ist. Ungeschriebene Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes des § 212 Abs. 1 StGB ist zunächst, dass die Tätlichkeit des T (Handlung) für den Tod des O kausal wurde.

Ursächlich für einen Erfolg (den Tod des O) ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkret eingetretene Erfolg entfiele.

Diese sog. Äquivalenztheorie oder auch Bedingungstheorie hebt darauf ab, ob die Handlung des Täters eine Bedingung für den Erfolg ist, wobei verschiedene Bedingungen dabei gleichwertig oder: äquivalent (lat.; aequus, gleich und valere, wert sein) sind. Kausal im Sinne dieser Formel sind T, K, Dr. X, S und letztlich überspitzt sogar die Erzeuger von T geworden, da ihre Handlungen jeweils nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Tod (Erfolg) des O entfiele. Es kommt also darauf an, ob die Kausalkette zwischen der Handlung des in Betracht kommenden Täters und dem konkreten Erfolg besteht.

Ob ein ähnlicher Erfolg auch auf andere Weise durch andere Ursachen eingetreten wäre, ist unerheblich. Der Totschläger kann sich nicht darauf berufen, dass sein Opfer wenige Stunden später ohnehin an Krebs gestorben wäre. Der Arzt, der einem Sterbenden eine Überdosis Morphium gibt (Euthanasie, griech.; schöner Tod), ist Verursacher des vorzeitigen Todes und nach § 212 StGB strafbar, auch wenn der Patient kurz darauf ohnehin verstorben wäre. Es besteht mithin ein Verbot des Hinzudenkens von Reserveursachen.

Hinter dieser juristischen Formel der Kausalität verbirgt sich die naturwissenschaftliche Definition der Ursächlichkeit.
Die Verletzungshandlung des T kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der in der Person des O eingetretene konkrete Todeserfolg entfiele. Obwohl damit der Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB erfüllt und – in Ermangelung eines Rechtfertigungsgrundes – auch die Rechtswidrigkeit gegeben ist, wäre T wegen Totschlags nur zu bestrafen, wenn er in Bezug auf den Todeserfolg auch vorsätzlich gehandelt hätte. Da man davon nach dem Sachverhalt nicht ausgehen kann, hat sich T nicht gem. § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Hier sieht man deutlich, dass das Strafrecht sich diese sehr weitreichende Kausalitätstheorie (letztlich sind Adam und Eva für alles kausal) leisten kann, damit hier ohne Wenn und Aber klare Ergebnisse erzielt werden können und das Korrektiv für die Weite und Uferlosigkeit der Definition in der Schuld gefunden wird, nämlich über die Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Wir haben im Strafrecht eben einen „Dreifachfilter“, wie Sie sich erinnern werden.

Beispiel: A schwört in einem Zivilprozess wissentlich falsch. Seine Aussage wird aber vom Gericht bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt.

A ist wegen Meineides nach § 154 StGB zu bestrafen. Der Meineid wird schon durch das falsche Schwören erfüllt, ohne dass es auf einen Erfolg (z.B. eine Beeinflussung des Gerichts, ja überhaupt nur die Kenntnisnahme durch das Gericht) ankommt. Der Tatbestand des Meineides wird durch eine bloße Tätigkeit erfüllt (Tätigkeitsdelikt).
Hier sieht man den Unterschied zum Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB). Beim Totschlag tritt zur Tätigkeit des Täters noch ein besonderer Erfolg in der Außenwelt hinzu, der erst die Strafbarkeit auslöst (Erfolgsdelikt). Das Kausalitätsproblem entsteht nur bei Erfolgsdelikten. Die Kausalität hat nur die Aufgabe, aus der Vielzahl der in Betracht kommenden Handlungen diejenigen aufzufinden, die den unwerten Erfolg herbeigeführt haben und für eine strafrechtliche Ahndung in Betracht kommen. Die Korrektur erfolgt über die Schuld!

Etwas zur Motivation, Vertiefung und Diskussion: zehn interessante Kausalitätsvariationen.

Variation 1: Die Kausalität muss wie jedes Tatbestandsmerkmal nachweisbar sein

Beispiel: Der wissentlich an Aids erkrankte Toni schläft ohne Kondom mit der Studentin Emma. Drei Monate später wird festgestellt, dass Emma HIV-positiv ist.

Eine Bestrafung des A wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 StGB (in der Alternative der das Leben gefährdenden Behandlung) scheitert an der Kausalität. Der Beischlaf (die Körperverletzungshandlung) müsste eine nicht hinwegzudenkende Bedingung für die Gesundheitsbeschädigung der S gewesen sein. Diese Kausalität muss, wie jedes andere Tatbestandsmerkmal auch, nachgewiesen werden. Die Kausalität ist zwar wahrscheinlich, aber dieser Nachweis ist nach dem momentanen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis nicht zu erbringen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass S auf anderem Wege infiziert worden ist oder schon zum Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs erkrankt war. Mithin lässt sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit sagen, dass dieser Beischlaf ursächlich für die Körperverletzung war. In Betracht kommt allerdings versuchte gefährliche Körperverletzung.

Variation 2: Doppelkausalität

Beispiel: Die beiden Neffen Max und Jupp schicken unabhängig voneinander ihrem Patenonkel Oskar je einen Liter besten französischen Rotwein mit Gift. O vermischt den Inhalt beider Flaschen zu einem Punsch und trinkt zwei Liter. Keines der Gifte alleine reichte aus, den O vom Leben zum Tod zu befördern, wohl aber im Zusammenwirken.

Hier ist der jeweils unabhängig voneinander gesetzte Tatbeitrag eines jeden einzelnen schon für sich allein nach der Äquivalenztheorie eine nicht hinwegdenkbare Bedingung. Dass er allein zur Erfolgsherbeiführung nicht ausgereicht hätte, ist unerheblich. Bei einer Mehrheit von ineinandergreifenden Ursachen ist jeder der Beteiligten für den ganzen Erfolg Urheber. Das ergibt sich nach der Äquivalenztheorie schon aus der Gleichwertigkeit aller Bedingungen. Sowohl Max als auch Jupp haben den Tatbestand des § 211 StGB (heimtückisch) erfüllt.

Beispiel: Abwandlung: Die Giftmengen in den Litern von Max und Jupp reichten jede für sich allein schon zur Tötung des Oskar aus.

In diesem Fall muss die Äquivalenztheorie zum ersten Mal kapitulieren, da hier jeweils das Zuschicken des Giftes von Max oder Jupp wegdenkbar ist, ohne dass der Erfolg entfiele. Man könnte daher der Auffassung sein, Max und Jupp nur wegen versuchten Mordes strafbar sind. Die Besonderheit besteht hier aber darin, dass zwar jede der beiden Ursachen für sich allein, nicht aber beide zusammen hinweg gedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele. Hier muss die Bedingungsformel Konzessionen machen und ist zu ändern: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich. Somit ist das Zuschicken des Weines sowohl durch Max wie durch Jupp kausal für den Tod des O. Beide sind wegen vollendeten Mordes strafbar.

Würde Onkel O bei der 1. Abwandlung beide vergifteten Flaschen zusammenschütten, ließe sich aber nicht feststellen, welches Gift schneller gewirkt hat, so wäre – da zwischen Vollendung und Versuch ein Minusverhältnis besteht – jeder der beiden Neffen über den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ (lat.; in dubio pro reo) nur wegen versuchten Mordes zu bestrafen. Gleiches würde gelten, wenn Patenonkel O nur eine Flasche des Weins tränke, es sich aber nicht mehr feststellen ließe, welche.

Variation 3: Außerhalb jeder Erfahrung liegende Kausalität

Beispiel: Neffe Jupp will seinen Patenonkel Oskar vom Leben zum Tode befördern, um ihn zu beerben. „Es träumt ihm“, dass, wenn O heute spazieren ginge, er vom Blitz getroffen würde. Also überredet Neffe Jupp seinen Onkel O heute zu einem Spaziergang. Tatsächlich schlägt der Blitz in O.

Die Überredung durch Jupp ist eine nicht hinwegdenkbare Bedingung für den Tod des O. Das konsequente Ergebnis der Äquivalenztheorie wäre also, den Tatbestand des § 211 StGB zu bejahen und, da auch kein Rechtfertigungsgrund eingreift und Jupp den Tod des Onkels gewollt hat, ihn wegen vollendeten Mordes zu bestrafen.

Ein wahrlich sonderbares Ergebnis. Wäre dieser Fall nämlich vollendeter Mord, dann müsste Jupp auch wegen versuchten Mordes bestraft werden, wenn Onkel O glücklich mit dem Hut in der Hand von dem Spaziergang zurückkehrt. Das ist absurd!

Hier muss sich die weite Äquivalenztheorie zurücknehmen. In den Fällen völlig unwahrscheinlicher Kausalität, wenn ohne den zufällig eingetretenen Erfolg nur von einem abergläubischen Versuch die Rede sein könnte (Teufelsbeschwörung, Totbeten, Behexen etc.), muss ein strafrechtlich relevanter Ursachenzusammenhang geleugnet werden. Es wird also auch hier von den Vertretern der Äquivalenztheorie der Tatbestand verneint.

Variation 4: Überholende Kausalität

Beispiel: Nur der Neffe Max hat eine Flasche vergifteten Wein dem O geschickt. O trinkt die Flasche aus. Während das Gift im Körper des O wirkt, erscheint der Neffe Jupp und erschießt den Erbonkel O.

Voraussetzung für die Bestrafung wegen eines vollendeten Deliktes ist stets, dass die Handlung bis zum Eintritt des Erfolges fortgewirkt hat, dass sie tatsächlich mitursächlich geworden ist. Ausgeschlossen ist der Kausalzusammenhang daher dann, wenn ein späteres Ereignis diese Fortwirkung beseitigt und unabhängig von der Handlung eine neue Ursachenreihe eröffnet und den Erfolg herbeiführt; man kann hier bildlich von einer sog. überholenden Kausalität sprechen. Da eine zweite, von Jupp verursachte, Kausalkette schon vorher den Tod des O auslöste, kann Max nicht wegen vollendeten Mordes, sondern nur wegen versuchten Mordes gem. §§ 211, 22, 23 StGB bestraft werden. Die Handlung des Max ist nicht kausal. Wäre die Erschießungshandlung des Jupp nicht gewesen, so wäre O zwar an dem Gift des Max gestorben, jedoch später. Abzustellen ist aber auf den konkreten Erfolg: früherer Tod durch die Kugel. Jupp ist strafbar wegen vollendeten Mordes nach § 211 StGB, Max wegen versuchten Mordes.
Variation 5: Atypische Kausalität

Beispiel 1: Jupp, der Max töten will, schlägt ihn mit einer Eisenstange nieder. Anschließend wirft er den vermeintlich toten Max in einen Kanal, um einen Unfall vorzutäuschen. Erst durch das Ertrinken im Kanal tritt der Tod des Max ein.

Beispiel 2: Terrorist Thomas will den Politiker P mit einer Autobombe töten. Die Bombe geht jedoch zu früh hoch. P wird nicht verletzt, erliegt jedoch vor Schreck über die Explosion einem Herzinfarkt.

Da der jeweilige Erfolg (Tod durch Ertrinken/Tod durch Herzinfarkt) noch auf der von Jupp bzw. Thomas gesetzten Ursache beruht, handelten die beiden Täter kausal im Sinne der Äquivalenztheorie. Allerdings hatten sich beide einen anderen Kausalverlauf vorgestellt, nämlich Tod durch Erschlagen bzw. Tod durch die Bombe. Die sich stellende Frage ist, ob ein atypischer Geschehensverlauf noch vom Vorsatz umfasst wird oder nicht. Da die Kausalität Tatbestandsmerkmal ist (ungeschriebenes), könnte ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB vorliegen – ein Problem, das zur Irrtumslehre gehört. (Vgl. dazu 8. Kapitel)

Variation 6: Aufpfropfungen im Kausalverlauf

Beispiel: Tony schießt auf O, verwundet ihn schwer und raubt ihn aus. Nachdem er die Walstatt verlassen hat, kommt der Jonny vorbei und gibt dem noch röchelnden O den Gnadenschuss.

Der von Tony in Gang gesetzte Kausalverlauf wirkte noch fort. Erst der Schuss des Tony veranlasste Jonny zum Gnadenschuss. Für die Kausalität ist es ohne Bedeutung, wenn der Erfolg (auch) deshalb eintritt, weil ein Dritter eine weitere Bedingung „aufpfropft“. Der Schuss kann eben nicht hinweggedacht werden, ohne dass … Im Gegensatz zur „überholenden“ Kausalität wirkt die gesetzte Ursache hier fort, während sie dort „abbricht“. (Eine andere Frage ist es, ob § 16 StGB eingreift; wohl zu verneinen.)

Variation 7: Lehre von der objektiven Zurechnung

Kehren wir zum Ausgangsfall zurück. Die Frage ist noch offen, wie wir strafrechtlich mit T sowie K, Dr. X und S verfahren. Klar ist, dass der (unendlich) weit gefasste Kausalitätsbegriff der Äquivalenztheorie eines strafbeschränkenden Korrektivs bedarf; unklar ist, wie und wo im Deliktsaufbau eine solche Korrektur zu erfolgen hat.
Nach der Rechtsprechung ergeben sich die notwendigen Beschränkungen erst bei den Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit. T sowie K, Dr. X und S haben sämtlich den Tatbestand des Totschlags erfüllt, aber sämtlich nicht vorsätzlich gehandelt. Ob § 222 StGB in Betracht kommt ist Tatfrage. (Korrekturen an anderer Stelle hat die Rechtsprechung lediglich bei den Fahrlässigkeitsdelikten vorgenommen.)
Nach der Lehre von der sog. „objektiven Zurechnung“ wird im Schrifttum mit ganz unterschiedlichen Ansätzen versucht, entsprechende Einschränkungen schon im Tatbestand vorzunehmen. Nach ihr ist die äquivalente Kausalität zwar notwendige, aber nicht allein ausreichende Bedingung. Neben der Conditio-sine-qua-non-Formel muss der Täter, damit ihm der Erfolg „zugerechnet“ werden kann, zusätzlich eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen haben, die sich im konkreten tatbestandlichen Erfolg realisiert haben muss (Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos). Demzufolge muss eine Zurechnung ausscheiden, wenn weit entfernt liegende Ursachen für den Erfolg kausal sind (Zeugung des Mörders durch Vater und Mutter), oder die vorgenommene kausale Handlung nicht rechtlich zu missbilligen ist (Herstellung von Gift durch die Pharmaindustrie, das zur Vergiftung der Schwiegermutter eingesetzt wird), oder wenn außerhalb jeder Erfahrung liegende Kausalabläufe zum Erfolg führen (s.o.). Diese Lehre zieht mithin dem Tatbestand neben der Handlung und Kausalität ein weiteres ungeschriebenes TBM ein, nämlich das der objektiven Zurechnung des Erfolges.
Die Rechtsprechung verdient den Vorzug, da für die neuere Lehre mit Ausnahme bei den Fahrlässigkeitsdelikten (Wortlaut des § 222 StGB: „… Durch Fahrlässigkeit verursacht …“) keine erkennbare Notwendigkeit besteht. (Vgl. Kap. 4.4.3)

Variation 8: Quasi-Kausalität bei den Unterlassungsdelikten  siehe da!

Variation 9: Kausalität und Zurechnung bei den Fahrlässigkeitsdelikten  siehe da!

Variation 10: Aberratio ictus und Error in persona (lat.; aberrare, d.h.: abirren; ictus, d.h.: Schlag; lat.; error, d.h. Irrtum): Also: das Fehlgehen der Tat und der Irrtum über die Person.

Beispiel 1: A will B töten und schießt auf ihn. Er verfehlt ihn aber und trifft den neben B stehenden C.

Beispiel 2: D will E erschießen und schießt auf den vermeintlichen E. Tot ist jedoch nicht E sondern F, den D für E hielt.

Während A „daneben trifft“, „verwechselt“ D die Opfer, ein großer juristischer Unterschied. Bei A sprechen wir von einer sog. „aberratio ictus“ (wörtlich: Fehlgehen, Abirren des Schlages; übertragen: Fehlgehen, Abirren der Tat) – bei D von einem sog. „error in persona vel in objecto“ (Irrtum über die Person oder das Objekt).

Im Beispiel 1 tritt der Erfolg nicht an dem Zielobjekt ein, an dem er nach der Tätervorstellung des A eintreten sollte (Erstobjekt), sondern infolge eines „Fehlgehens der Tat“ (eines abweichenden Kausalverlaufs) an einem anderen Objekt (Zweitobjekt).
Im Beispiel 2 trifft D dagegen das anvisierte Zielobjekt (es gibt kein Zweitobjekt), irrt dabei jedoch über dessen Identität.
Nur auf den „error in persona“ passt der Satz: „D wollte einen Menschen töten und hat einen Menschen getötet“, nicht aber auf die „aberratio ictus“. Der Vorsatz kann nämlich immer nur auf ein bestimmtes Objekt, einen bestimmten Menschen bezogen werden und nicht abstrakt auf ein Objekt, einen „Menschen der Gattung“.

Zu Beispiel 1: Strafbarkeit des A (Aberratio ictus)

1. Totschlag gem. § 212 StGB hinsichtlich C scheidet aus. A hat zwar den Tatbestand rechtswidrig verwirklicht, weil er einen Menschen getötet hat; er handelte aber bezüglich C nicht vorsätzlich. A wollte den B töten und dachte nicht daran, dass der Schuss danebengehen und C treffen könnte. Er wusste nicht, dass er C tötet und wollte C nicht töten.
2. Dagegen liegt eine Strafbarkeit des A wegen versuchten Totschlags gegenüber B gem. §§ 212, 22, 23 StGB vor.
3. Im Hinblick auf C hat sich A wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB strafbar gemacht.
Also: Bei gleichwertigen Tatobjekten – im Übrigen auch bei ungleichwertigen (T will einen Hund erschießen und trifft einen Menschen) – nimmt die h.M. Versuch hinsichtlich des anvisierten Objekts an und fahrlässige Vollendung am tatsächlich getroffenen Objekt. Also:
Anvisiertes und getroffenes Objekt sind gleichwertig – oder –
anvisiertes und getroffenes Objekt sind ungleichwertig:
Versuch am anvisierten und Fahrlässigkeitstat am getroffenen Objekt

Zu Beispiel 2: Strafbarkeit des D (Error in persona)

Strafbarkeit des D wegen vollendeten Totschlags an F gem. § 212 StGB. Der Tötungserfolg trat an der bestimmten Person ein, an der er nach dem Vorsatz des D auch eintreten sollte. D irrt überhaupt nicht über den Kausalverlauf, sondern nur über das Objekt.

Sie sehen, die Kausalität ist eine theoretische Spielwiese – aber ohne große praktische Relevanz. Jura sollte gerade zu Beginn des Studiums die Widerspiegelung des Lebens im Normalfall sein und nicht die Widerspiegelung artistischer, juristischer Zirkusnummern. Lernen Sie am „Normalfall“, dann lösen Sie den „Exoten“ ganz von selbst!

Es scheint am Anfang des Stafrechts-Studiums tatsächlich manchmal so, als sei das Leben eine nur zu dem Zweck geschaffene Veranstaltung, darauf zu warten, unter Paragraphen und Rechtsbegriffe subsumiert zu werden – aber es scheint eben nur so. Die Paragraphen sind zunächst als Schlüssel zur ganz normalen Alltagswelt geschaffen. Den Normalfall hat das Gesetz zum Gegenstand, nicht den pathogenen Exoten. Dieser falsche Schein rührt wahrscheinlich daher, dass zwar Jahr für Jahr zwischen 2 und 3 Millionen ganz normale Gerichtsentscheidungen gefällt werden, veröffentlicht werden aber nur die Exoten. Deshalb denkt der Jura-Anfänger, die ganze Jurawelt bestehe aus Exoten. Problemfälle – und das sind Exoten – bringen immer die Abweichung von der Normalität, weshalb Sie zunächst die Normalität lernen und beherrschen müssen, bevor Sie mit Aussicht auf motivierenden Erfolg Problemfälle angehen können.