Beispiel 1: Taschendieb T greift im dichten Gewühl des Rosenmontagszuges dem „Narren“ N in die Tasche, um dessen Portemonnaie zu stehlen. N bemerkt den Vorgang und nimmt T fest.
Beispiel 2: Ehemann E ist seiner Frau Emma überdrüssig und schießt mit Tötungsabsicht auf diese. Er trifft jedoch nicht, und Emma kann entkommen.
Beispiel 3: Dieb D will ein Auto entwenden, um es zu verkaufen, reißt die Zündschnüre aus dem Zündschloss, kann jedoch keinen Kontakt herstellen. Missmutig lässt er von dem Wagen ab.
Beispiel 4: Partygast P, der sich nach langer, ermüdender Nacht auf den Nachhauseweg macht, nimmt einen an der Garderobe hängenden, vermeintlich fremden Regenschirm mit. Zu Hause stellt er fest, dass es sein eigener ist.
Beispiel 5: Landpomeranze L denkt, sie sei von einem Kuss schwanger und „treibt“ auf Anraten und Betreiben ihres ebenfalls etwas einfältigen Freundes F mit einer vermeintlich wirksamen Zucker-Kochsalz-Lösung „ab“.
In allen fünf geschilderten Fällen bleiben die jeweiligen Vorstellungen des T, E, D, P, der L und des F hinter der Wirklichkeit zurück. Genau das aber ist die häufig auftretende typische Versuchssituation: Das Delikt ist zwar „voll“ subjektiv geplant, objektiv aber stecken geblieben. Am objektiven Tatbestand mangelt es, während die volle subjektive Seite des Delikts in Form eines Entschlusses erfüllt ist.
Jeder Versuch einer kriminellen Handlung lässt sich gedanklich in drei Sachfragen „zerdenken“:
1. Hat der Täter objektiv sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt?
Wenn ja, kein Versuch, sondern Vollendung.
2. Hat der Täter subjektiv den auf die Vollendung des Delikts gerichteten Tatentschluss (Vorsatz) gefasst?
Wenn nein, entfällt ein Versuch.
3. Liegt bereits die Erkennbarkeit dieses Vorsatzes in der Außenwelt vor, so dass das angegriffene Rechtsgut bereits gefährdet ist?
Wenn nein, entfällt ein Versuch.
Diese drei Sachfragen sind identisch mit den drei wesentlichen Aufbauelementen des Versuchs:
1. Nichterfüllung des objektiven Tatbestandes (unvollendet)
2. Vorsatz, d.h. Tatentschluss (gewollt)
3. Unmittelbares Ansetzen zur Rechtsgutverletzung, d.h. Anfang der Ausführung (begonnen)
Deshalb merken Sie sich: Der Versuch ist die vorsätzlich begonnene, aber nicht vollendete Tat! Warum der Tatbestand letztlich nicht erfüllt wurde, ist vollkommen gleichgültig. So fehlt im Taschendiebfall (Fall 1) und im Emma-Mordfall (Fall 2) der Eintritt des Erfolges; im Kurzschlussfall (Fall 3) mangelt es an der Tathandlung; im Schwangerschaftsfall (Fall 5) und Regenschirmfall (Fall 4) fehlt das Tatobjekt (Leibesfrucht nicht vorhanden – keine fremde Sache).
Der Gesetzgeber musste sich entscheiden, ob er einen Versuch bestrafen will, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.
Der Versuch ist nach unserer Rechtsordnung in vielen Fällen strafbar, nämlich gem. § 23 Abs. 1 StGB immer bei Verbrechen, bei Vergehen (vgl. § 12 StGB) aber nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Normierung, sonst nicht.
So ist etwa, um ein nicht ohne weiteres nachvollziehbares und deshalb besonders einprägsames Beispiel zu zeigen, der versuchte Betrug gem. § 263 Abs. 2 StGB unter Strafe gestellt, wohingegen der Versuch einer Untreue (§ 266 StGB) straflos ist, obwohl beide Normen dasselbe Rechtsgut, nämlich das Vermögen, schützen.
Der Grund der gesetzgeberischen Entscheidung für die Strafbarkeit des Versuchs ist ein doppelter: Zum einen wird der Strafgrund in einer Auflehnung gegen die Rechtsordnung gesehen, in der Betätigung eines verbrecherischen, kriminellen Willens, in einer rechtsfeindlichen Gesinnung (vgl. § 22 StGB „nach seiner Vorstellung von der Tat“). Da ein böser Wille aber für sich alleine niemals Strafgrund sein kann (kein „Gesinnungsstrafrecht“), muss zum anderen zur Strafwürdigkeit des Versuchstäters hinzukommen, dass dieser Wille durch Handlungen in der Außenwelt manifest wurde (vgl. § 22 StGB „zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt“), die Rechtsordnung also (unmittelbar) gefährdet worden ist.
Der böse Wille, der kriminelle Vorsatz als subjektives Element, muss demnach den Rechtsfrieden durch ein Ansetzen zur Tat gefährden (objektives Element).
Aus dieser besonderen Struktur des Versuches folgt logischerweise eine besondere, vom normalen Aufbau abweichende, Prüfungsreihenfolge. Das ist deshalb so, weil ausnahmsweise der Vorsatz nicht in der dritten Stufe des Deliktsaufbaues bei der Schuld, sondern zwingend bereits beim Tatbestand geprüft werden muss. Auch die Kausalisten gehen diesen Weg – müssen ihn gehen.
Beispiel: Toni nimmt in der Disco „Don’t worry, be happy“ das vor seiner Exfreundin Emma stehende Whisky-Glas in die Hand.
Von einem objektiven Tatbestand ist hier noch nichts – auch nicht in Teilstücken – erkennbar. Das Geschehen ist äußerlich neutral. Es kann aber den Beginn eines Totschlages (etwa aus Eifersucht mit einer Scherbe des blitzschnell zerschlagenen Glases die Gurgel durchschneiden), einer gefährlichen Körperverletzung (Gesicht zerschneiden), eines Diebstahls (Whisky-Glas austrinken), einer Beleidigung (Whisky ins Gesicht der Exfreundin schütten), einer Sachbeschädigung (Whisky auf das neue Minikleid) oder auch eines zärtlichen Annäherungsversuches („Prost! Trink mit mir!“) bedeuten.
Was Toni im Einzelnen gewollt hat, kann erst dann entschieden werden, wenn man seinen Vorsatz kennt; dieser ist oft das einzige Anknüpfungskriterium. Der Vorsatz regiert den Tatbestand des Versuchs, ob Finalist oder Kausalist – egal.
Tatbestand des Versuchs
Zwischen uns besteht nunmehr Einigkeit darüber, dass beim Versuch der Aufbau nach finaler und kausaler Handlungslehre identisch ist; denn der Versuch ist nur als finaler Vorgang denkbar (s.o.: „Don´t worry, be happy“).
Prüfungsschritt 1: Vorüberlegungen zum Versuch
Feststellung, dass der Versuch strafbar ist.
So muss im ersten, dritten und vierten Ausgangsbeispiel § 242 Abs. 2 StGB genannt werden, im zweiten Beispiel § 23 StGB i.V.m. § 12 StGB zitiert werden, im fünften Fall festgestellt werden, dass der Versuch, jedenfalls durch die „schwangere“ L, gem. § 218 Abs. 4 StGB gar nicht strafbar ist.
Feststellung, dass die Tat nicht vollendet worden ist, anderenfalls ein Versuch ausscheidet.
Diese Prüfung ist manchmal schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint.
T setzt sich mit 2,5 Promille an das Steuer seines Wagens, zündet den Motor und schaltet das Abblendlicht ein.
Liegt eine vollendete Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB vor oder handelt es sich lediglich um einen straflosen Versuch? (Versuch!)
Oma O steckt im Kaufhof eine Schnapsflasche in ihre Manteltasche.
Liegt ein vollendeter Diebstahl gem. § 242 StGB vor oder handelt es sich auch hier nur um einen Versuch? (Vollendung!)
T dringt bei einer Vergewaltigung „nur“ in den sogenannten Scheidenvorhof ein.
Auch hier taucht die Frage auf, ob bereits eine vollendete Vergewaltigung oder lediglich eine versuchte Vergewaltigung vorliegt. (m.E. Vollendung!)
Tipp für Ihre Klausur: Ist es problematisch, ob die Tat bereits vollendet ist, beginnen Sie mit der Prüfung des vollendeten Delikts. Nach Ablehnung eines Tatbestandsmerkmals beenden Sie die Prüfung und beginnen neu – diesmal als Versuch! Ist es dagegen unproblematisch, beginnen Sie sofort mit dem Versuch!
Prüfungsschritt 2: Tatbestand des Versuchs
Feststellung, dass der Täter den vollen Tatentschluss, d.h. grundsätzlich nichts anderes als den Vorsatz zur unbedingten Deliktsverwirklichung gefasst hatte.
§ 22 StGB verwendet leider nicht den Begriff „voller Tatentschluss“ oder „Vorsatz“, setzt aber sein Vorhandensein durch die Wendung „Vorstellung“ stillschweigend voraus; der Vorsatz ist der wesentliche, denknotwendige Bestandteil des Versuchs. Wie Ihnen oben im Fall („Die Freundin und das Whisky-Glas“) gezeigt wurde, regiert der Vorsatz den Tatbestand. Bei den sog. Absichtsdelikten, wie Diebstahl (Zueignungsabsicht), Betrug (Bereicherungsabsicht) und Urkundenfälschung (Täuschungsabsicht), gehört auch diese Absicht zum vollen Tatentschluss.
Tatentschluss bedeutet Vorsatz bzgl. aller Tatbestandsmerkmale bei den reinen Vorsatzdelikten.
Tatentschluss bedeutet Vorsatz plus Absicht bei den Absichtsdelikten. Von der subjektiven Seite darf eben beim Versuch nichts fehlen! Der Tatentschluss entfällt, wenn ein Tatbestandsirrtum vorliegt (§ 16 StGB). – Dazu später.
Feststellung, dass ein Anfang der Ausführung vorliegt. Das Gesetz nennt diesen juristisch eingebürgerten Begriff „unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes“. Nur: Wann liegt ein solches „Ansetzen“ vor? Entscheidend muss die nähere oder entferntere Rechtsgutgefährdung sein.
Ein Beispiel für die Entwicklung, die Genealogie eines Verbrechens: Entschluss – Vorbereitung – Versuch – Vollendung – Beendigung! Wann überschreitet der Täter die Schwelle vom Straflosen zum Strafbaren?
Beispiel: T beschließt, seine Schwiegermutter beim Nachmittagskaffee umzubringen, da er sowohl ihrer ständigen Nörgeleien überdrüssig ist als auch ihrer finanziellen erheblichen Hinterlassenschaft habhaft werden will. Er geht in ein einschlägiges Lokal und kauft sich eine Pistole. Am nächsten Morgen besorgt er sich ein Magazin mit 6 Schuss Munition, führt dieses in die Waffe ein und begibt sich am Nachmittag zum Hause der Schwiegermutter. Nachdem er durch die Gartenpforte das Grundstück betreten hat, klingelt er an der Haustür. Die Schwiegermutter öffnet und lädt zum Kaffee ein. Nach der zweiten Tasse zieht T plötzlich die Pistole, entsichert die Waffe, legt auf die Schwiegermutter an und nimmt den Druckpunkt. Danach feuert er und trifft die Schwiegermutter tödlich.
Da jedes Verbrechen in der Zeit geschieht, haben Sie verschiedene Stadien eines Verbrechens zu unterscheiden (siehe Entwicklungsstufentabelle).
Zu irgendeinem noch näher zu bestimmenden Zeitpunkt überschreitet der Täter die Schwelle von der straflosen Vorbereitungshandlung zum strafbaren Anfang der Ausführung beim Versuch. Fraglich ist, wann dieser näher zu bestimmende Zeitpunkt bei dem im Schwiegermutter-Fall in Betracht kommenden Tötungsentschluss erreicht ist: Wann ist das Leben der Schwiegermutter gefährdet? Ist es bereits der Kauf der Waffe, ist es das Einführen des Magazins, ist es das Betreten des Grundstücks, das Klingeln, Öffnen, Entsichern der Waffe, oder ist es erst das Krümmen des Zeigefingers oder gar der Zeitpunkt des Abdrückens?
Dabei müssen Sie sich zunächst Folgendes ganz klar vor Augen halten: Je extensiver man das Merkmal „Anfang der Ausführung“ auslegt, desto weiter dehnt man die Versuchsstrafbarkeit aus; je restriktiver man interpretiert, desto mehr tritt man der Versuchsstrafbarkeit entgegen. Die Schwelle ist nur schwer zu bestimmen. Legt man nur subjektive Kriterien – also ausschließlich die Vorstellung des Täters – zugrunde, setzt die Versuchsstrafbarkeit viel früher an (subjektive Theorie) als wenn man rein objektive Kriterien – also die Sicht eines unbeteiligten Dritten – maßgebend sein lässt (objektive Theorie).
Die Entwicklungsstufen einer vorsätzlich begangenen Straftat
Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung kombiniert beide Theorie-Kriterien und definiert:
Ein Anfang der Ausführung liegt vor, wenn ein objektiver Dritter, der den Täterplan kennt, eine unmittelbare Rechtsgutgefährdung annehmen würde.
Aus der umfangreichen Rechtsprechungskasuistik einige Beispiele:
Anfang der Ausführung bejaht:
Taschendieb schiebt seine Hand im Gedränge zwischen andere Personen – Anlegen des Gewehres auf Opfer, auch bei nicht gespanntem Hahn – Vergiften des Wachhundes – Eindringen in ein Gebäude, um zu stehlen – Beschmieren einer Scheibe, um sie lautlos einzudrücken – Vorlage von Schmuckstücken durch Trickdieb – Rütteln an Vorderrädern, um Verriegelung festzustellen – Ausgießen von Benzin, um es sofort anzustecken – Einreichen falscher Schriftsätze bei Gericht – Gift in Schnapsflasche in der Hoffnung, Einbrecher E werde davon trinken; E bleibt aus.
Anfang der Ausführung verneint:
Fahrt zum Diebstahlsobjekt – Vorfahrt vor Gebäude, in das eingebrochen werden soll – Zureden zur Prostitution – Vermischen noch nicht zubereiteter Pilze mit einem Giftpilz – Lauern auf das noch entfernte Opfer am Tatort – gemeinsamer Kinobesuch mit einem Kind, der einen sexuellen Missbrauch vorbereiten soll – erfolgloses Ansprechen der Dirne – Aufgabe eines Heiratsinserats durch Heiratsschwindler – Vorgespräche über eine Falschaussage.
Im Ausgangsfall ist die entscheidende Frage, ob bereits beim Klingeln an der Tür die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Anfang der Ausführung überschritten wird. Würde der Täter im nunmehrigen Stadium verhaftet, so hinge von der Beantwortung dieser Frage ausschließlich seine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes ab (Strafe kann lebenslang sein: vgl. §§ 211, 23 Abs. 2 StGB!).
Ein objektiver Dritter, der den Täterplan kennt, würde in diesem Fall beim Klingeln noch keinen Anfang der Ausführung annehmen, da T nach seiner Vorstellung von der Tat mit dem Klingeln noch nicht zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzen wollte, sondern erst beim Kaffee. Anders wäre zu entscheiden, wenn T vorgehabt hätte, die Schwiegermutter in dem Moment des Erscheinens an der Haustür zu erschießen.
In unserem Ausgangsfall liegt wohl der Anfang der Ausführung im Ziehen der Waffe.
Einige Spezialprobleme zum Versuch
1. Untauglicher Versuch
Beispiel 1: T will seine Frau Emma vergiften mittels einer subjektiv ausreichenden, aber objektiv nicht ausreichenden Dosis Schlaftabletten.
Beispiel 2: T will seine Frau Emma erschießen. Als er losballert, ist Emma schon tot.
Beispiel 3: T meint, als Sparkassenkassierer Beamter zu sein und nimmt ein Geschenk an in der irrigen Meinung, er mache sich gem. § 331 StGB strafbar.
Beispiel 4: T will seine Frau Emma umbringen und beginnt aus grobem Unverstand mit einem nach seiner Meinung aber Erfolg versprechenden Totbeten. („Lass meine Frau der Teufel holen.“)
In allen Fällen steht von vornherein fest, dass die auf die Tatbestandsverwirklichung des Mordes (§ 211) oder der Vorteilsannahme (§ 331) abzielende Ausführungshandlung aus tatsächlichen Gründen nicht zur Vollendung führen konnte:
– Entweder das Mittel war untauglich (Menge der Schlaftabletten, Totbeten),
– oder das Objekt war untauglich (Leiche),
– oder das Subjekt war untauglich (Sparkassenkassierer).
Allerdings lagen der Entschluss und ein Anfang der Ausführung jeweils vor!!
Ist nun ein solcher Versuch, bei welchem gar keine Rechtsgutgefährdung eintreten kann, überhaupt strafbar?
Ja! Beweis? § 23 Abs. 3 StGB! Gem. § 23 Abs. 3 ist nur bei „grobem Unverstand“ das Absehen von Strafe möglich. Umkehrschluss: sonst eben nicht! Im Übrigen macht es auch rechtsethisch (Stichwort „Gerechtigkeit“) keinen Unterschied, ob der Ehemann auf Emma schießt und nicht trifft oder zufälligerweise die Pistole Ladehemmungen hat. Die einfältige Landpomeranze L, die meint, von einem Kuss schwanger zu sein und mit einem Zucker/Kochsalz-Gemisch „abtreibt“ (also weder taugliches Subjekt (nicht schwanger) noch taugliches Objekt (keine Leibesfrucht) noch taugliches Mittel (!)), wäre strafbar, wenn denn der Versuch der Abtreibung strafbar wäre.
2. Wahndelikt
Über den Charakter des Wahndelikts als Spiegelung des Verbotsirrtums werden wir gleich beim Irrtum nachdenken, da Zusammengehöriges immer zusammen behandelt werden soll.
3. Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts
Erfolgsqualifizierte Delikte sind solche Delikte, bei denen das Gesetz eine schwerere Strafe vorsieht, wenn durch die Verwirklichung eines bestimmten Grunddelikts (z.B. §§ 223, 249, 177 Abs. 1 StGB) eine „besondere Folge der Tat“ herbeigeführt worden ist (z.B. §§ 227, 251, 177 Abs. 3 StGB). Bei diesen Delikten bestimmt § 18 StGB, dass der Täter nur dann schwerer bestraft werden kann, wenn er die besondere Folge der Tat wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat (manchmal sogar „leichtfertig“, d.h. wohl grob fahrlässig).
Beispiel: T will seinem Kontrahenten Oskar einen Denkzettel verpassen, indem er ihm ins Knie schießen will. Beim Entsichern der Waffe löst sich jedoch schon ein Schuss, der Oskar tödlich trifft.
Hier hat T die qualifizierende Folge, nämlich den Tod des O i.S.v. § 227 StGB, fahrlässig schon durch den mit Strafe bedrohten Versuch des Grunddelikts (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB) herbeigeführt und sich somit wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht gem. §§ 227, 224 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 2 StGB.
4. Fehlgeschlagener Versuch
Beispiel: Jupp will Oskar erschießen und lauert ihm in einer Waldschneise auf. Seine Kugel geht knapp daneben. Als er wegen Mordversuchs (es liegt „Heimtücke“ vor) angeklagt wird, beruft er sich in der Hauptverhandlung auf Rücktritt gem. § 24 StGB mit der Begründung, er habe „freiwillig“ auf den zweiten möglichen Schuss verzichtet.
Einstieg bei Prüfungspunkt V: Rücktritt vom Versuch (s.o.)
1. Meinung:
Ein strafbefreiender Rücktritt vom Mordversuch kommt nicht in Betracht. Sinn des § 24 StGB ist es, ein freiwilliges Aufgeben oder freiwilliges Verhindern der Tat durch den Täter zu „prämieren“. Dazu ist aber unabdingbare Voraussetzung, dass nach der Vorstellung des Täters (hier: Jupp) der Erfolg (hier: Tod aufgrund der Abgabe des ersten Schusses) noch eintreten kann. Eine Anwendung des § 24 StGB ist deshalb in den Fällen, in denen der Täter das Ziel seiner Handlung verfehlt hat (deshalb sog. „fehlgeschlagener Versuch“), nicht möglich.
Also: Nach dieser Meinung wird maßgeblich auf den ursprünglichen Tatplan des Täters bei Vornahme der ersten Ausführungshandlung abgestellt, so dass ein Rücktritt bei Scheitern dieses ersten Plans ausscheidet (sog. Einzelakttheorie).
2. Meinung:
Entscheidend sei nicht, auf den ersten „Planungshorizont“ abzustellen, sondern darauf, welche Vorstellungen der Täter bei Abbruch seiner Tätigkeit, also nach Abschluss der letzten dem „Rücktritt“ vorausgehenden Ausführungshandlung, hatte, sog. „Rücktrittshorizont“. Erkennt der Täter – hier: Jupp – zu diesem Zeitpunkt, dass zur Herbeiführung des Erfolgs (hier: Tod des Oskar) noch weitere mögliche Handlungen (hier: Abgabe des 2. Schusses) erforderlich sind, so stellt das Nichtweiterhandeln einen strafbefreienden Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch dar (sog. Gesamtbetrachtungstheorie).
Schwierig, schwierig!!! Doch so viel steht fest:
Fehlgeschlagen ist ein Versuch dann, wenn es dem Täter, was er weiß, tatsächlich unmöglich ist, im unmittelbaren Fortgang des Geschehens den Erfolg noch herbeizuführen (nur 1 Schuss im Lauf, der fehlgeht).
Fehlgeschlagen ist ein Versuch auch dann, wenn objektiv die Möglichkeit der Vollendung der Tat noch gegeben ist, der Täter die Mittel, die er dazu benötigt, aber nicht kennt (Jupp weiß nicht, dass er noch eine Axt im Auto hat) oder subjektiv zu ihrer Anwendung nicht in der Lage ist (Jupp weiß um die Axt, könnte aber niemals jemanden erschlagen).
Fehlgeschlagen ist ein Versuch schließlich auch dann, wenn ein fester Tatplan zugrunde liegt, die Tat aber nach der Tätervorstellung nicht mehr planmäßig ausgeführt werden kann, vielmehr nur noch mit zeitlicher Verzögerung nach dem Ingangsetzen einer neuen Kausalkette vollendet werden könnte (Jupp feuert das gesamte Magazin leer, ohne dass der Tod eintritt und lässt nunmehr von einem möglichen Überfahren des verletzten Oskar oder einem Erstechen mittels eines Messers ab).
Fehlgeschlagen ist ein Versuch aber dann nicht, vielmehr liegt jetzt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach Einsatz eines bestimmten Mittels (1. Schuss), wie er weiß, ohne zeitliche Zäsur ein neues, sofort bereit stehendes Mittel (2. Schuss) einsetzen könnte, es aber nicht tut. Die Annahme, in solchen Fällen lägen zwei jeweils getrennte Einzelakte vor, würde einen einheitlichen Lebensvorgang willkürlich zerreißen.
Da bei Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs ein Rücktritt begrifflich nicht mehr in Frage kommt, ist die Frage, ob ein solcher Versuch vorliegt, vor dem weiteren Einstieg in die Rücktrittsprüfung zu klären (s.u. 5.2. Aufbauschema)
5. Rücktritt bei Beteiligung mehrerer
Rücktritt durch Vollendungsverhinderung des Beteiligten
Beispiel: A, der den Einbrechern B und C den Tipp zum Geschäftseinbruch bei X gegeben hatte, ruft X an und warnt ihn.
§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB: Der Tatbeteiligte (vom Begriff der Beteiligten in § 24 Abs. 2 werden Mittäter, Anstifter und Gehilfen erfasst – ob auch der mittelbare Täter nach § 24 Abs. 2 oder nur nach § 24 Abs. 1 zurücktreten kann, ist streitig) verhindert aktiv die Vollendung der Tat, und das freiwillig.
Rücktritt durch Verhinderungsbemühen bei Nichtvollendung ohne Zutun des Beteiligten
Beispiel: A, der seinem Freund B das Gift zur Tötung von Frau B geliefert hatte, welches jedoch zur Tötung des Opfers nicht ausreichte, hatte durch dringende aufklärerische, telefonische Warnungen Frau B in ihrem Vertrauen in ihren Mann nicht erschüttern können.
§ 24 Abs. 2 Satz 2, 1. Var.: Auch hier wird die Tat nicht vollendet. Die Nichtvollendung basiert aber nicht auf dem Beitrag des Rücktrittswilligen, der sich jedoch freiwillig und ernsthaft hierum bemühte. Erfasst wird insbesondere der untaugliche oder fehlgeschlagene Versuch.
6. Tätige Reue
Dabei handelt es sich um ein nicht im allgemeinen, sondern im besonderen Teil des StGB geregeltes Rechtsinstitut (vgl. §§ 139 Abs. 4; 239a Abs. 4; 306e; 264 Abs. 5; 314a; 320 StGB), das einen Rücktritt vom bereits vollendeten Delikt durch die Ausnahmeregel „Abwendung des Erfolges macht straflos“ ermöglicht.
Die Frage, die sich für den allgemeinen Teil stellt, ist, ob man durch eine Rechtsanalogie die „tätige Reue“ auf Diebstahl analog anwenden kann, oder ob aufgrund eines Umkehrschlusses („argumentum e contrario“) dies nicht der Fall ist. (Analogie zugunsten des Täters ist ja immer möglich.)
Beispiel: Oma Irmgard steckt im Supermarkt ein Krabbendöschen in ihre Manteltasche, um die Krabben ohne Bezahlung zu Hause zu essen. Kurz vor der Kasse bekommt sie jedoch Gewissensbisse und stellt das Döschen in das Regal zurück.
§ 242 StGB ist bereits vollendet, da Oma Irmgard eine fremde bewegliche Sache in rechtswidriger Zueignungsabsicht weggenommen hatte (Wegnahme bereits mit Ergreifen und Verbergen der Sache in einem Kleidungsstücke, sog. „Gewahrsamsenklave“).
Strafbefreiender Rücktritt gem. § 24 Abs. 1 StGB scheidet wegen der Vollendung aus. Aber „tätige Reue“?
1. Meinung:
“Tätige Reue“ findet Anwendung analog den entsprechenden Regelungen im besonderen Teil, da auch hier der Diebstahl den für die „Delikte mit tätiger Reue“ typischen frühen Vollendungszeitpunkt hat. Oma Irmgard wäre straflos.
2. Meinung:
„Tätige Reue“ ist nicht analog anzuwenden, da eine ausdrückliche Regelung bei § 242 StGB fehlt. Oma Irmgard wäre strafbar (h.M.).
Das war’s zum Versuch! Ich hoffe, dass sich dieser juristische Anfangslehrgegenstand zum „stecken gebliebenen Delikt“, zum Rücktritt und zu einigen Spezialfragen zwanglos für Sie mit Leben gefüllt hat.