Beitrag: 68 Die Stellvertretung – Die juristische Bühne belebt sich um Dritte

Bis jetzt hatten wir es auf unserer bürgerlichrechtlichen Bühne immer nur mit zwei Personen zu tun. Nunmehr werden mindestens drei Beteiligte vorhanden sein. Wir kommen zur Stellvertretung, zu der Frage nämlich, ob so ohne Weiteres ein anderer für eine Person rechtlich wirksam handeln kann, eine das ganze Studium begleitende Frage.

Beispiele:
a. A bittet B, bei C vorbeizugehen und dort ein Buch abzugeben.
b. A bittet B, einen Brief des A, der ein Angebot zu einem Vertrag enthält, bei C abzuliefern.
c. A bittet B, bei C vorbeizugehen und diesem auszurichten, er, A, habe sich entschlossen, das Fahrrad des C zu dem vor einigen Tagen ausgehandelten Preis zu kaufen.
d. A bittet B, den er als Autofachmann schätzt, bei C einen guterhaltenen gebrauchten Porsche zu maximal 30.000 € zu kaufen. B geht zu C, erklärt, er komme von A, sucht aus, sichtet, prüft und kauft für 25.000 € einen guterhaltenen Porsche. Nach Anzahlung von 8.000 € gibt C dem B den Porsche zu Eigentum mit; B übergibt den Wagen dem A. A zahlt nicht den Restkaufpreis. C verlangt von A 17.000 €. A verweist C an B mit den Worten: „Suche dein Vertrauen da, wo du es gelassen hast! Mit mir hast du keinen Vertrag geschlossen.“
Wer (C) will was (17.000 €) woraus (§ 433 Abs. 2) – aber von wem? A oder B?

Normalerweise werden Vertragspartner nur diejenigen Personen, die miteinander den Vertrag geschlossen haben, d.h. die, die entsprechenden Willenserklärungen abgegeben haben. Das Institut der Stellvertretung erlaubt es nun, dass ein Dritter, eben der Stellvertreter, sich zwischen die beiden Vertragskontrahenten schiebt und für einen von ihnen die entsprechenden Willenserklärungen abgibt.
Das BGB regelt in dem § 164 ff. die sogenannte offene Stellvertretung, bei der die rechtsgeschäftlichen Wirkungen einer fremden Willenserklärung unmittelbar einem anderen zugerechnet werden (§ 164 Abs. 1, 3). Nach diesen Vorschriften ist es möglich, sich sowohl bei der Abgabe einer Willenserklärung als auch bei der Entgegennahme einer Willenserklärung vertreten zu lassen.
Man muss also drei Rechtsverhältnisse bei der Vertretung unterscheiden:
Zum einen das Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter, welches meist als Auftrag charakterisiert ist.
Zum anderen das „Willenserklärungsaustauschverhältnis“ zwischen dem Vertreter und dem Vertragspartner und
schließlich das rechtsentscheidende Verhältnis zwischen dem Vertragspartner und dem Vertretenen, dem Auftraggeber des Vertreters.

Voraussetzungen der Stellvertretung

Wenn aus einem Rechtsgeschäft jemand anderes in Anspruch genommen werden soll als derjenige, der die Erklärung abgegeben hat, dann müssen die in § 164 Abs. 1 S. 1 für die Stellvertretung aufgeführten Tatbestandsmerkmale erfüllt sein.
1. Zum Ersten muss die Stellvertretung grundsätzlich rechtlich „zulässig“ sein (ungeschriebenes TBM).
2. Zum Zweiten setzt sie die Abgabe einer „eigenen Willenserklärung“ durch den Stellvertreter voraus.
3. Zum Dritten muss der Vertreter seine Willenserklärung „im Namen“ des Vertretenen abgegeben haben.
4. Schließlich hängt die Wirksamkeit gegenüber dem Vertretenen davon ab, dass der Vertreter „Vertretungsmacht“ für das abgeschlossene Geschäft besitzt.
5. Endlich muss er sich „innerhalb“ der Vertretungsmacht halten.
6. Negative Voraussetzung: Kein Verbot eines „Insichgeschäfts“ (dazu speziell einer der nächsten Beiträge)

Willenserklärungen werden also grundsätzlich dem Erklärenden zugerechnet. Wenn jedoch der Erklärende (Vertreter) seine Willenserklärung im Namen eines anderen (des Vertretenen) abgibt und dies auch durfte (Vertretungsmacht), dann wird der Namensträger aus der abgegebenen Willenserklärung berechtigt und verpflichtet. So § 164 Abs. 1, 3!
Welche Bedeutung diesen wichtigen Tatbestandsmerkmalen im Einzelnen zukommt, wollen wir jetzt klären.

Zu 1. Zulässigkeit der Stellvertretung

● Das Rechtsgeschäftsprinzip
Stellvertretung findet nur bei Rechtsgeschäften statt, egal ob sie ein- oder mehrseitiger Natur sind. Stellvertretung kann also z.B. bei Abschluss von Kauf- oder Darlehensverträgen, bei der Kündigung oder der Übereignung vorkommen. Entsprechende Anwendung muss der § 164 ff. aber auch auf die geschäftsähnlichen Handlungen wie Mahnungen, Fristsetzungen, Aufforderungen oder Mitteilungen finden, weil diese ihrer Struktur nach den Willenserklärungen so ähnlich sind, dass ein Ausschluss der Stellvertretungsregelungen nicht einleuchten würde. Nicht anwendbar sind die Bestimmungen dagegen auf die reinen Tathandlungen. Dazu gehört vor allem der Besitzerwerb, den man für einen anderen nur als Besitzdiener (§ 855) oder als Besitzmittler (§ 868) durchführen kann.
Schickt also die Hausfrau Emma Schmitz ihre Hausangestellte namens Ottilie zum Einkaufen, so erwirbt Emma Schmitz bei Übergabe der Lebensmittel an Ottilie Eigentum daran dadurch, dass Ottilie die nach § 929 S. 1 erforderlichen Einigungserklärungen in Anwendung des § 164 Abs. 1 und Abs. 3 mit Wirkung für und gegen Emma Schmitz abgibt und annimmt. Die nach § 929 S. 1 erforderliche Übergabe, nämlich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes, vollzieht sich dadurch, dass Ottilie die tatsächliche Gewalt über die Sachen in Anerkennung ihrer Weisungsgebundenheit als „Besitzdienerin“ für Emma Schmitz erwirbt (§ 855) oder aufgrund eines Verwahrungsvertrages (§ 688) den Besitz der Emma gem. § 868 als „Besitzmittlerin“ vermittelt.

● Das Zulässigkeitsprinzip
Im Grundsatz ist die Stellvertretung bei allen Rechtsgeschäften zulässig. Aber eben nur im Grundsatz! Die Vertretungsregelungen gelten nicht für Rechtsgeschäfte, die kraft Gesetzes höchstpersönlich vorzunehmen sind. Lesen Sie bitte die §§ 1596 Abs. 4, 1750 Abs. 3 S. 1, 2064, 2274, 1311 S. 1 und achten Sie auf Formulierungen wie „… kann nicht durch Vertreter …“, „… nur persönlich …“. Danach ist die Vertretung insbesondere unzulässig bei höchstpersönlichen familien- und erbrechtlichen Rechtsgeschäften mit weitreichenden persönlichen und juristischen Konsequenzen, die im Zusammenhang des Familien- und Erbrechts im Einzelnen dargestellt werden müssen. Dennoch durch Vertreter geschlossene Rechtsgeschäfte sind bei in dieser Weise unzulässiger Vertretung nichtig. Sie können also nicht Ihre Freundin Heike oder ihren Freund Oli für sich zum Standesamt schicken, um in Ihrem Namen Otto oder Emma zu heiraten. Das wichtigste und weittragendste Rechtsgeschäft müssen Sie schon persönlich – Auge in Auge – vornehmen, siehe § 1311!

Lesen Sie bitte noch § 925 Abs. 1 S. 1! Die Auflassung kann auch durch Vertreter erklärt werden. Das Erfordernis gleichzeitiger Anwesenheit bei der Abgabe der Auflassungserklärung heißt nicht persönliche Anwesenheit. Die Vorschrift soll lediglich sogenannte „Sukzessivbeurkundungen“ ausschließen, also solche Fälle, in denen zunächst das Auflassungsangebot und zeitlich später dessen Annahme vom Notar oder bei verschiedenen Notaren an verschiedenen Orten beurkundet werden sollen. Gleichzeitig heißt eben nicht persönlich, sondern „im selben Augenblick“.
Da Stellvertretung nur bei Rechtsgeschäften vorkommen kann, liegt im Beispiel a. keine wirksame Stellvertretung vor, denn hier handelt es sich um eine reine Tathandlung.

Zu 2. Abgabe einer eigenen Willenserklärung – Abgrenzung zum Boten
In den Beispielen b., c. und d. sind die Handlungen des B jeweils auf den Abschluss eines Rechtsgeschäftes gerichtet. Allein dieser Umstand reicht aber für die Annahme von Stellvertretung i.S. des § 164 ff. nicht aus. Zur zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 164 Abs. 1 S. 1 gehört nämlich auch, dass der Vertreter immer eine eigene Willenserklärung abgeben muss. Durch diesen Umstand unterscheidet er sich vom Boten, der die durch den Geschäftsherrn voll ausformulierte Erklärung lediglich weiterleitet. Handelt es sich dabei um eine schriftliche Erklärung, so ist der Übermittelnde stets Bote. Für unseren Beispielsfall b. bedeutet dies, dass auch hier von Stellvertretung nicht ausgegangen werden kann.
Schwieriger ist die Abgrenzung aber bei der mündlichen Erklärung.
A schickt den B zum Einkauf eines Kasten Biers zum Kaufmann K. Wenn B Bote ist, kann das Zustandekommen eines entsprechenden Kaufvertrages ohne die Prüfung des § 164 ff. gegebenenfalls bejaht werden. Ist B jedoch Stellvertreter, so muss B, damit ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem A und dem Kaufmann K zustande kommt, das Geschäft im Namen des A abschließen und auch entsprechende Vertretungsmacht haben, § 164 Abs. 1 S. 1.

Ob B Bote oder Stellvertreter ist, hängt vom Auftreten des B ab. Sein Verhalten ist auszulegen, wobei man aber regelmäßig voraussetzen kann, dass er sich so verhält, wie der Geschäftsherr es gewollt hat. Deshalb entscheidet über die Boten- oder Vertreterstellung letztlich, ob die Mittelsperson eine fertige Willenserklärung lediglich zur Weiterleitung zugesprochen bekam (dann Bote) oder ob ihr ein gewisses Maß an eigener Entschließungsfreiheit hinsichtlich der Person des Geschäftsgegners, des Geschäftsgegenstandes oder der Gegenleistung (Preis) offengelassen war. Kann in unserem Beispiel B wählen, welche Biersorte er bestellt und bei welchem Kaufmann, zu welchem Preis, dann wäre er Vertreter. Auslegung des Verhaltens bedeutet dabei, sich in die Rolle des Erklärungsgegners, also hier des Kaufmannes K, zu versetzen und zu fragen, wie er vernünftigerweise das äußere Auftreten des B verstehen musste. Entscheidend kann dabei sein, dass schon die wörtliche Erklärung einen Hinweis darauf enthält, dass er einen festumrissenen Auftrag hat.

Beispiel: B erklärt dem Kaufmann: „A hat mir aufgetragen, bei Ihnen einen Kasten „Bitburger“ zum Sonderpreis aus Ihrer Werbeanzeige von gestern zu kaufen.“ Hier erklärt B selbst schon, dass er lediglich eine von A schon vorgegebene Erklärung überbringt; B ist also Bote.

Wenn die von der Hilfsperson gewählten Worte dagegen – was häufig ist – keinen eindeutigen Schluss darauf zulassen, in welcher Eigenschaft sie handeln will, so sind die Umstände des Geschäftsschlusses sowie die soziale Stellung der Hilfsperson für die Entscheidung, ob es sich um einen Boten oder einen Stellvertreter handelt, von entscheidender Bedeutung. Wenn sich in unserem Fall c. der B exakt an den ihm von A erteilten Auftrag hält, so wird er durch die Wahl der Worte für C verdeutlichen, dass er, B, hier lediglich als Übermittler einer nicht verkörperten Willenserklärung des A auftritt. Auch in diesem Fall ist B also nur Bote, die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung liegen nicht vor.

Nach unseren bisherigen Erörterungen werden Sie unschwer feststellen, dass lediglich in unserem Ausgangsfall d. die Abgabe einer eigenen Willenserklärung des B angenommen werden kann. Hier hat B die Möglichkeit, durch eigene Entscheidung das Fahrzeug auszuwählen und den Kaufpreis mit C auszuhandeln. Welche konkreten Vereinbarungen B und C treffen, ist A nicht bekannt und von ihm auch nicht vorgegeben worden. B hat eigene Entschließungsfreiheit und gibt daher dem C gegenüber auch eine eigene Willenserklärung ab.
Abgrenzung Bote / Vertreter

Wie erfolgt die Abgrenzung?
Äußeres Auftreten und Begleitumstände aus Sicht des Erklärungsempfängers (soziale Stellung, Sachqualifikation) sind maßgeblich.

Zwischenfrage: Wofür ist die Abgrenzung eigentlich erheblich?
 Für § 165: „Ist das Fritzchen noch so klein, kann es doch schon Bote sein“ (§ 165). Zur Stellvertretung muss Fritzchen mindestens 7 Jahre alt sein; Bote kann Fritzchen auch schon mit 5 Jahren sein.
 Für die Anwendbarkeit des § 164 ff.: Bei Botentätigkeit kommt der Vertrag ohne den indirekten Umweg über § 164 ff. direkt zwischen den Partnern zustande, da keine fremde WE zugeordnet werden muss, es vielmehr jeweils eigene WE sind.
 Für § 925: Formgerechte Auflassung nach §§ 873 Abs. 1, 925 nur über Stellvertreter möglich, da bei Boten das TBM der Gleichzeitigkeit fehlt.

Zu 3. Handeln im fremden Namen ­– Offenkundigkeitsprinzip
Nach dem Offenkundigkeitsprinzip tritt die Vertretungswirkung nur dann ein, wenn der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt. Der Vertreter muss für den Geschäftsgegner erkennbar die Wirkungen des Rechtsgeschäftes auf einen Dritten, den Vertretenen, beziehen, damit der „Gegner“ weiß, mit wem er sich einlässt. Stichwort: „offenes Visier“. Tritt der Wille des Vertreters, im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so wird der erklärende Vertreter gem. § 164 Abs. 2 selbst verpflichtet; er – und nicht der Vertretene – wird Vertragspartner. Leitgedanke des Offenkundigkeitsprinzipes ist es, den Vertragspartner zu schützen, indem man ihn nicht im Unklaren darüber lässt, dass sein Erklärungsgegner das Rechtsgeschäft nicht für sich selbst abschließen will.

Ausdrücklich
Man prüft zuerst immer, ob der Vertreter ausdrücklich in fremdem Namen aufgetreten ist. Ein solcher Fall ist unproblematisch; er liegt etwa vor, wenn V erklärt, er kaufe das Grundstück im Namen seines Bruders K, oder wenn er sich eigens als Vertreter des K ausgibt.

Aus den Umständen erkennbar
Muss man die ausdrückliche Abgabe der Willenserklärung in fremdem Namen verneinen, so braucht deshalb die Vertretung trotzdem nicht zu scheitern. Man prüft nunmehr § 164 Abs. 1 S. 2, der sich allein auf die Frage bezieht, ob der Vertreter in fremdem Namen gehandelt hat. Es macht nämlich keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob lediglich die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll, § 164 Abs. 1 S. 2. Das Gesetz gibt hier ausdrücklich eine Anordnung, dass einem unklaren Verhalten der Mittelsperson im Wege der Auslegung ein eindeutiger, klarer Sinn beizulegen ist. Hier ist im Fall genau darauf zu achten, sämtliche Umstände, die der Sachverhalt bietet, bei der Entscheidung, ob in fremdem Namen gehandelt worden ist, auszuschöpfen.

Beispiel 1: Jupp Schmitz und Lydia haben sich entschlossen, ihre Beziehung zu legalisieren und sind deshalb in den Stand der Ehe getreten. Nach einiger Zeit stellt sich Nachwuchs in Gestalt des Babys Benjamin ein. Als Benjamin eines Morgens mit roten Punkten auf Nase, Ohren und anderen Körperteilen aufwacht, begeben sich Jupp und Lydia zur Kinderärztin, um die akute Masernerkrankung behandeln zu lassen. Frau Dr. Petra macht sich nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung Sorgen, ob Benjamin wohl in der Lage sein wird, ihre Liquidation über 238,60 € zu bezahlen.

Petras Sorge wäre unbegründet, wenn aus dem Behandlungsvertrag nicht Benjamin, sondern Jupp und Lydia zahlungsverpflichtet wären. Das setzt voraus, dass ein Behandlungsvertrag (ein Dienstvertrag i.S. von § 611 ff.) nicht mit dem Kind, sondern mit den Eltern zustande gekommen ist. Eine durch konkludente Willenserklärungen herbeigeführte Einigung über den Abschluss eines solchen Behandlungsvertrages liegt vor. Die Willenserklärung ist dabei auf Seiten der Auftraggeber durch Jupp und Lydia abgegeben worden. Sie könnte jedoch gegen Benjamin wirken, wenn die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung nach § 164 Abs. 1, 3 vorlägen.
Das setzt u.a. voraus, dass Jupp und Lydia in Benjamins Namen gehandelt haben. Eine ausdrückliche Erklärung entsprechenden Inhalts haben sie nicht abgegeben, so dass zu prüfen bleibt, ob sie nach § 164 Abs. 1 S. 2 2. Alt. den gesamten Umständen des Falles nach in Benjamins Namen handeln wollten. Zwar war es Benjamin, der der ärztlichen Behandlung durch Petra bedurfte. Andererseits muss davon ausgegangen werden, dass Benjamin weder über eigenes Einkommen noch über eigenes Vermögen noch über einen eigenen Willen verfügt. Vielmehr sind für die Zeit, in der Benjamin seinen eigenen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen kann, seine Eltern, also Lydia und Jupp unterhaltspflichtig, § 1601 ff. Dieser Umstand deutet entscheidend darauf hin, dass die Eltern nicht im Namen Benjamins den Vertrag schließen wollten, sondern einen eigenen Vertragsabschluss mit der Ärztin vorhatten, der auf die ärztliche Behandlung Benjamins gerichtet war. Ihr Verhalten ist daher so zu verstehen, dass sie die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung im eigenen Namen abgegeben haben. Gem. § 611 Abs. 1 sind sie daher der Ärztin zur Bezahlung der Behandlungskosten verpflichtet.
Beispiel 2: Der Lieferwagenfahrer Felix, der in dem großen Haushaltswarengeschäft Löff angestellt ist, ist von dem Inhaber, Herrn Löff, ermächtigt worden, auf Rechnung der Firma zu tanken. Felix fährt mit dem Lieferwagen bei der Tankstelle des Anton Aral vor und tankt 40 Liter Benzin. Am Fahrzeug prangt in großen Buchstaben die Reklameaufschrift: „Für jedes Gesöff – Gläser von Löff!“ Anschließend stellt sich heraus, dass Felix nicht genügend Geld bei sich hat. Von wem kann Aral Zahlung verlangen?

Als Anspruchsgrundlage gegen Herrn Löff kommt hier § 433 Abs. 2 in Betracht. Die kaufvertraglichen Willenserklärungen sind jedoch nicht von und gegenüber Löff abgegeben worden, sondern von und gegenüber seinem Fahrer Felix. Die Wirkungen treffen Löff daher nur, wenn die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 und 3 vorliegen. Der Fahrer ist zwar nicht ausdrücklich in Löffs Namen aufgetreten; es genügt aber, wenn die Umstände ergeben, dass er in fremdem Namen handeln wollte, § 164 Abs. 1 S. 2. Das ist hier der Fall. Es kommt schlüssig dadurch zum Ausdruck, dass der Fahrer erkennbar in dienender Stellung auftritt und ein Geschäft abschließt, das nicht seinen persönlichen Bedürfnissen dient. Da er auch Vertretungsmacht für Löff hatte (dazu weiter unten), ist Löff zur Zahlung verpflichtet.
Ein Anspruch des Aral gegen den Fahrer Felix besteht nicht.

Beispiel 3: Der Auktionator V versteigert ein Gemälde von Miró und erteilt dem K den Zuschlag, ohne den Namen des Auftraggebers G zu nennen.

Auch hier ist der Kaufvertrag gem. § 433 zwischen G und K zustande gekommen. V hat nach den gesamten Umständen erkennbar für einen hinter ihm stehenden Auftraggeber gehandelt (§ 164 Abs. 1 S. 2) und daher in fremdem Namen mit Vertretungsmacht des Auftraggebers G den Kaufvertrag mit K abgeschlossen.
Das Offenkundigkeitsprinzip gebietet nicht, über die Person des Vertretenen aufzuklären. Der Grundsatz ist vielmehr schon dann gewahrt, wenn für den Vertragspartner erkennbar wird, dass hinter seinem Verhandlungspartner, dem Vertreter, eine dritte Person steht, die als Vertragspartner die Rechtsfolgen des Geschäftes treffen soll. Legt der Vertragspartner Wert auf die Kenntnis der Person des Vertretenen, so bleibt ihm ja die Möglichkeit, den Vertreter um entsprechende Aufklärung zu bitten und, wenn er sie nicht erhält, vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen.

Mittelbare Stellvertretung
Wenn das Gesetz in § 164 Abs. 1 das Erfordernis eines Handelns in fremdem Namen aufstellt, so regelt es damit nur die sog. unmittelbare Stellvertretung, bei der die vom Vertreter ausgelösten Rechtsfolgen auf den Vertretenen übergeleitet werden.
Dagegen gelten die Bestimmungen des § 164 ff. nicht für die mittelbare Stellvertretung, bei der die Zwischenperson zwar im Interesse eines anderen, aber nicht in dessen Namen handelt. Vielmehr erscheint der mittelbare Vertreter, der häufig auch als Strohmann bezeichnet wird, dem Geschäftsgegner als der Vertragspartner, und der Geschäftsgegner weiß nichts davon, dass es einen hinter dem Strohmann stehenden, eigentlich an dem Geschäftsschluss Interessierten gibt. Stichwort: geschlossenes Visier!

Beispiel: Der inzwischen volljährig gewordene Dieter Dampf, der Ihnen bereits als begeisterter Modellbahnsammler bekannt ist, hat sich, angesichts der Vielfalt auf dem Modelleisenbahnmarkt, entschlossen, seine Sammelleidenschaft nur noch im Hinblick auf Dampfloks zu befriedigen. Um hier zu einer möglichst vollständigen Sammlung zu gelangen, entschließt er sich, zunächst die bei ihm bereits vorhandenen Diesellokmodelle zu verkaufen. Dieter bietet diese Modelle dem Armin Adler zum Kauf an. Adler entgegnet jedoch, er könne die Loks nicht kaufen, sondern lediglich in „Kommission“ nehmen. Dieter Dampf ist damit einverstanden und schafft die Lokmodelle zu Adler. Adler gelingt es, den Sammler Detlef Diesel zum Ankauf einiger Stücke zu bewegen. Adler teilt Diesel nicht mit, woher er die Lokmodelle hat. Diesel leistet eine Anzahlung und will nach Beschaffung des Restkaufpreises die Lokmodelle abholen. Dazu kommt es jedoch nicht, weil Dampf zwischenzeitlich einen potenten Käufer gefunden hat, der die gesamte Sammlung übernehmen will. Dampf hat sich deshalb von einem Angestellten Adlers die Loks wieder aushändigen lassen. Adler teilt dies dem Diesel mit und empfiehlt ihm, den Anspruch auf Lieferung gegen Dampf geltend zu machen. Besteht ein solcher Anspruch?

Diesel könnte von Dampf Lieferung der Lokmodelle gem. § 433 Abs. 1 verlangen, wenn zwischen ihm und Dampf ein Kaufvertrag zustande gekommen wäre. Dies würde voraussetzen, dass Adler den Dampf bei Vertragsschluss wirksam vertreten hätte.
Eine wirksame Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 setzt voraus, dass Adler ausdrücklich oder den Umständen nach im Namen des Dampf handelte. Hierfür ist jedoch nach dem Sachverhalt nichts ersichtlich. Ohne ein Handeln in fremdem Namen ist jedoch nach dem Offenkundigkeitsprinzip des § 164 Abs. 1 eine wirksame Vertretung nicht möglich. Der Gegner muss Klarheit darüber haben, mit wem rechtliche Beziehungen begründet werden, weil es ihm in der Regel nicht gleichgültig ist, wem gegenüber er berechtigt und verpflichtet wird. Handelt also jemand im eigenen Namen aber für fremde Rechnung, so liegt keine Vertretung i.S. des § 164 ff. vor. Berechtigt und verpflichtet wird aus solchen Geschäften nur der Handelnde. Dass er für fremde Rechnung handeln will, ist im Verhältnis zum Geschäftsgegner unerheblich und berührt lediglich die rechtlichen Beziehungen aus dem Auftrag gem. § 662 ff. zu seinem Auftraggeber, hier also zu Dampf. Adler ist also nur im Verhältnis zu Dampf verpflichtet, das Geschäft abzuwickeln und Dampf einen evtl. Erlös aus dem Verkauf auszuzahlen. Die Übernahme der Modelle in „Kommission“ bedeutet nichts anderes, als dass sich Adler bereit erklärte, die Modelle in eigenem Namen, aber für Rechnung des Dampf zu veräußern (vgl. § 383 HGB). Aus dem Kaufvertrag wird daher nur Adler berechtigt und verpflichtet. Ein Anspruch des Diesel gegen Dampf aus § 433 Abs. 1 besteht somit nicht.

Merken Sie sich aber bitte: Der unmittelbare Stellvertreter handelt im fremden Namen und im fremden Interesse; die Wirkungen treffen unmittelbar den Vertretenen. Der mittelbare Stellvertreter handelt im eigenen Namen und im fremden Interesse; die Wirkungen treffen ihn selbst.

Zu 4. Die Vertretungsmacht
Die wirksame Stellvertretung setzt schließlich voraus, dass der Vertreter Vertretungsmacht besitzt. Die Befugnis zur Vertretung eines anderen liegt vor, wenn
● jemand kraft Gesetzes als gesetzlicher Vertreter zur Vornahme des Rechtsgeschäftes befugt ist,
● der Erklärende als Organ einer juristischen Person die Willenserklärung abgegeben hat
● oder der Vertretene dem Vertreter eine entsprechende Vollmacht erteilt hat.
Danach gibt es also drei Spielarten von Vertretungsmächten:
 Die gesetzliche Vertretungsmacht wird durch Gesetz oder kraft Staatsakt begründet, um einer Person – z.B. einem Minderjährigen –, die im rechtsgeschäftlichen Bereich nicht handlungsfähig ist, Schutz und Fürsorge zukommen zu lassen und die Möglichkeit einzuräumen, Rechtsgeschäfte abzuschließen. Bedeutsame Beispiele sind die §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 1 S. 1, nach denen es zur elterlichen Sorge gehört, das minderjährige Kind gesetzlich zu vertreten, und § 1793, nach dem der Vormund gesetzlicher Vertreter seines Mündels ist.
 Die sog. organschaftliche Stellvertretung bei juristischen Personen des Privatrechts (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, rechtsfähiger Verein) und des öffentlichen Rechts (Bund, Länder und Gemeinden, öffentlich-rechtliche Anstalten usw.). Alle diese juristischen Rechtspersonen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne Vorhandensein einer natürlichen Person im rechtsgeschäftlichen Bereich überhaupt nicht handlungsfähig sind. Sie haben daher durch die gesetzlichen Bestimmungen Organe erhalten, die sie wie ein gesetzlicher Vertreter nach außen hin repräsentieren. Diese Vertreter und Organe einer juristischen Person können dann wiederum im Rahmen ihrer Vertretungsmacht einem anderen Vollmacht erteilen, also eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht begründen.
 Die rechtsgeschäftliche Vertretung, die für den Vertretenen die Erweiterung seines rechtsgeschäftlichen Wirkungskreises bedeutet und die dem Vertreter die Vertretungsmacht aufgrund einer ihm erteilten „Vollmacht“ einräumt, Legaldefinition in § 166 Abs. 2. In einem solchen Fall muss, um das von dem Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft gegenüber dem Vertretenen wirksam werden zu lassen, die Vollmacht rechtsgeschäftlich wirksam erteilt und darf noch nicht wieder erloschen sein. Da aus dem vom Vertreter geschlossenen Vertrag nur der Vertretene verpflichtet wird, stellt die Vertretung für den Vertreter ein neutrales Geschäft dar, das im Sinne von § 107 als lediglich rechtlich vorteilhaft gilt, so dass der Vertreter beschränkt geschäftsfähig sein kann, § 165.

Der § 164 ff. gilt grundsätzlich für alle drei Arten der Stellvertretung. Allerdings gelten die §§ 166 Abs. 2 bis 167 ausdrücklich nur für die rechtsgeschäftliche Vertretung. Die wesentlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Vertretungsmacht tauchen bei der rechtsgeschäftlich begründeten Vertretung, also der Vollmacht, auf. Dazu der nächste Beitrag!

Den bisherigen Erkenntnisstand zur Stellvertretung wollen wir aber schon einmal festhalten: